Gut vernetzt
DAAD/Winfried R. Becker
Im Fahrsimulator: Die Teilnehmer der Science Tour und des Alumnitreffens lernten am DFKI in Saarbrücken nicht nur Theoretisches
Das ist Timing: Die vom DAAD für die BMBF-Forschungsmarketing-Initiative "Research in Germany" organisierte "Science Tour 2014" kam bei ihrem Finale mit dem ersten DAAD-Alumnitreffen für Informatiker zusammen; 28 Wissenschaftler aus 19 Ländern tauschten sich mit den deutschen Alumni aus. Zugleich waren beide Veranstaltungen eine gute Gelegenheit für neue Kontakte im Rahmen des Stipendienprogramms "FITweltweit - Internationale Forschungsaufenthalte in der Informationstechnologie".
Stellen Sie sich vor, Sie nähern sich mit Ihrem Auto Paris. Doch kurz vor der Metropole geraten Sie in einen Stau. Jetzt noch eine SMS über die Verspätung an die wartenden Freunde senden und zugleich die recht chaotische Verkehrslage im Auge behalten? Wäre es nicht hilfreich, wenn Ihr Auto die Nachrichtenübermittlung übernehmen könnte?
„Warum nicht?“, möchte man sagen, wenn man Dr. Christian Müller am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken zugehört hat. Der DAAD-Alumnus und Leiter der „DFKI Automotive Group“ schilderte unlängst der internationalen Wissenschaftlergruppe der „Research in Germany Science Tour 2014“ sowie den mit ihnen versammelten deutschen DAAD-Alumni aus dem Fachbereich Informatik, das Potenzial der Autos von morgen. Und dass der Pkw im Paris-Beispiel schließlich nur die Kontext-Informationen „jetzt – Stau – kurz vor Paris“ erfassen und weitersenden muss.
Fit für die Zukunft
Nun war dies nur ein Beispiel für die in Wissenschaft und Industrie gleichermaßen geschätzte Arbeit des DFKI. Aber wie das Zusammentreffen der DAAD-Alumni mit den Science-Tour-Teilnehmern ließ es sich unter einer zentralen Vokabel zusammenfassen: Vernetzung.
Vielfältige Verbindungsmöglichkeiten sind zentral für das laufende Wissenschaftsjahr „Digitale Gesellschaft“, dem das Science-Tour-Thema „Living in a Digital World“ verpflichtet war. Der DAAD treibt Vernetzung zugleich mit dem 2013 neu aufgelegten Programm „FITweltweit – Internationale Forschungsaufenthalte in der Informationstechnologie“ voran, das sich an Masterstudierende, Promovenden und Postdoktoranden richtet. Ein wesentlicher Aspekt des Programms ist der Austausch zwischen aktuellen und ehemaligen Stipendiaten. Auch das zweitägige Informatik-Alumnitreffen, dessen erster Tag mit dem Finale der Science Tour 2014 zusammenfiel, gehört in diesen Kontext des Kontakteknüpfens.
„Die internationale Vernetzung ist für uns grundsätzlich wichtig“, sagt Dr. Christian Schäfer, der als Referatsleiter im DAAD die „Internationalisierung von Forschung und wissenschaftlichem Nachwuchs“ koordiniert. Schäfer hat das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden fünf Jahren mit 8,8 Millionen Euro geförderte „FITweltweit“-Programm initiiert. „Neben der internationalen Vernetzung unserer Stipendiaten liegt uns der Austausch erfahrener Wissenschaftler mit Nachwuchsforschern am Herzen“, hebt er hervor. „Das Alumnitreffen und die Science Tour bieten hierfür eine gute Möglichkeit.“
Spitzeninstitute in den USA und Japan
„FITweltweit“ soll nicht nur Forschungsinnovationen ermöglichen, sondern zugleich durch seine konkrete Ausgestaltung auf der Höhe der Zeit sein. So kann die Stipendienlaufzeit flexibel zwischen 1 und 6 Monaten (bei Master- und Doktorandenstipendien) bzw. zwischen 3 und 24 Monaten (bei Postdoc-Stipendien) gewählt werden. Postdoktoranden profitieren bei ihren langfristigen Forschungsprojekten von der Kooperation mit zwei renommierten Forschungseinrichtungen, dem National Institute of Informatics (NII) in Tokio und dem International Computer Science Institute (ICSI) in Berkeley. Die hohe Qualität der Partnerinstitutionen ist für „FITweltweit“-Programmkoordinator Tim Maschuw ebenso wichtig wie die Netzwerkbildung: „Der DAAD profitiert auch bei 'FITweltweit' stark von seinen Alumni: Sie kennen die wissenschaftliche Community in ihrem Fachbereich bestens und helfen mit, neue Stipendiaten zu erreichen. Das ist gerade in einem MINT-Fach wie der Informatik – in dem die internationale Mobilität von Studierenden durchaus noch ausbaufähig ist – besonders wichtig.“
Daran arbeiten auch die Science-Tour-Teilnehmer Professor Helmut Prendinger vom NII in Tokio und DAAD-Alumnus Dr. Gerald Friedland, Forschungsgruppenleiter am ICSI in Berkeley. Während Helmut Prendinger auch an der Abschlussdiskussion des Alumnitreffens teilnahm und dort die vielfältigen Forschungsmöglichkeiten am NII vorstellte, nutze Gerald Friedland, der vor ein paar Jahren selbst in Berkeley als Postdoc vom DAAD gefördert wurde, bereits am Vortag beim Besuch des DFKI die Gelegenheit zum Austausch mit anderen ehemaligen DAAD-Stipendiaten: „Diesen lockeren, inspirierenden Umgang pflegen wir auch am ICSI besonders intensiv. Und Postdoktoranden aus Deutschland sind uns sehr willkommen.“ So müssten Teilnehmer des „FITweltweit“-Programms keine Sorge vor Dünkel am kalifornischen Top-Institut haben. Im Gegenteil: „Professoren in Berkeley suchen gezielt den Austausch mit Nachwuchswissenschaftlern“, sagt Friedland, in dessen Abteilung „Audio and Multimedia Research“ unter anderem Forscher aus Korea, Mexiko, China, Italien und Deutschland mitarbeiten. Aktuell analysieren Friedland und seine Kollegen unter anderem das Phänomen der „Dark Data“: Bisher von Unternehmen noch weitgehend ungenutzte Informationen über potenzielle Kunden, die aber vielen schon als, freilich umstrittenes, Geschäftsmodell der Zukunft gelten.
Forschungsinnovationen und Kooperationsmöglichkeiten
An der Science Tour 2014 hat Friedland vor allem die offene Diskussionskultur gefallen: „Ob im Bus oder auf unseren Reisestationen: Aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln konnten alle möglichen Fragen besprochen werden.“ Hierzu zählten die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und Industrie in Deutschland ebenso wie die international unterschiedliche Anerkennung von akademischen Abschlüssen. „Der außergewöhnlich konzentrierte Austausch internationaler Wissenschaftler an gleich mehreren hochkarätigen Forschungsinstitutionen ist das Besondere an der Science Tour“, sagt Anne Knab vom DAAD, die die Tour mit ihrem Team organisiert hat. Von den Informatik-Fachbereichen der Universitäten Konstanz und Freiburg über das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem nahe gelegenen Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung bis zur finalen Reisestation Saarbrücken: Überall konnten die Tour-Teilnehmer Forschungsinnovationen und Kooperationsmöglichkeiten kennenlernen.
Wie beispielsweise Dr. Fernando Arámbula Cosío aus Mexiko. Der Dozent an der UNAM-Universität in Mexiko-Stadt hat in Deutschland während der Science Tour gleich mehrere Kollegen mit sehr ähnlichen Forschungsinteressen getroffen. Etwa einen Forscher am Karlsruher KIT, der sich ebenfalls mit der medizinischen Bildanalyse und der Computersimulation von chirurgischen Eingriffen beschäftigt. „Nachdem er mir sein Labor gezeigt hat, möchte ich ihn zu einem Gegenbesuch nach Mexiko einladen.“ Auch einen neuen Doktorandenaustausch zwischen Deutschland und Mexiko möchte Arámbula ins Leben rufen. Das Reiseziel Saarbrücken, wo die Science Tour auch am Max-Planck-Institut für Informatik, an der Universität des Saarlandes und dem dortigen Exzellenzcluster Station machte, hat Arámbula ebenfalls beeindruckt: „ein erstaunlicher Ort“. Das Fazit des Science-Tour-Teilnehmers ist eindeutig positiv: „Diese Tour war eine intensive, sehr gute Erfahrung und ich bin mir sicher, dass auch die Teilnehmer aus den anderen Teilen der Welt Anregungen für künftige Kooperationen gewonnen haben.“
Johannes Göbel (5. Februar 2014)