Neugier hilft beim Lernen
Privat
Im Zuge des Experiments wurde mit der funktionellen Magnetresonanztomographie die Hirnaktivität der Probanden gemessen
Dr. Matthias Gruber, Alumnus des DAAD-Programms für promovierte Nachwuchswissenschaftler an der University of California in Davis, hat es geschafft: Seine Studie zu Neugier, Lernen und Gedächtnis wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Neuron“ publiziert. Im Interview mit dem DAAD-Online-Magazin erzählt er von seinen Experimenten - und der Bedeutung des DAAD für seine Forschung.
Herr Dr. Gruber, mit Ihrer Studie haben Sie internationales Aufsehen erregt. Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit dem Verhältnis von Neugier, Lernen und Gedächtnis auseinanderzusetzen?
Dr. Matthias Gruber: Lernen und Erinnern haben mich bereits während meines Psychologiestudiums in Regensburg und meiner Promotion in England am University College London beschäftigt. Zur konkreten Forschungsidee kam es 2011 am Center for Neuroscience der University of California, Davis; im September 2012 konnte ich dank des Postdoc-Programms des DAAD mit der Studie loslegen. Meine Arbeit basiert auf dem Gedanken, dass das Gehirn in einem motivierten Zustand, zum Beispiel mit Aussicht auf Belohnung, besser lernt. Zwei Studien wiesen darauf hin, dass die Neugier möglicherweise dazu in der Lage ist, Belohnungszentren im Gehirn zu aktivieren. Doch insgesamt ist die Neugier und ihre Wirkung auf Gedächtnis und Hirnprozesse sehr wenig erforscht.
Mit welchen Experimenten haben Sie die Wirkung der Neugier auf das Gedächtnis untersucht?
Das Experiment bestand vor allem aus Quizfragen, die Neugierde induzierten. Während die Teilnehmer sich selbst überlegen sollten, was die Antwort auf die Quizfrage sein könnte, haben meine Kollegen und ich mit der funktionellen Magnetresonanztomographie die Hirnaktivität der Probanden gemessen. Wir stellten fest: Befriedigte Neugier verschafft dem Gehirn ein Erfolgserlebnis. Das wirkte sich auch auf die Lernleistung aus. Die Teilnehmer erinnerten sich später umso besser an die Antworten, je gespannter sie darauf gewesen waren. Neben den Fragen konfrontierten wir die Probanden auch mit Gesichtern, an die sie sich überraschenderweise ebenso erinnerten. Wichtig ist also nur der Zustand, in dem sich das Gehirn beim Lernen befindet. Auch Informationen, auf die man nicht neugierig ist, werden erlernt - wie in einem Strudel, der alles mitreißt. Dieses Ergebnis könnte Auswirkungen auf künftige Lernmethoden haben, aber auch Patienten helfen, die an Alzheimer oder Depressionen erkrankt sind und dadurch Probleme mit dem Erinnern oder Lernen haben.
Welche Rolle spielte das Forschungsstipendium für promovierte Nachwuchswissenschaftler des DAAD für Ihre Arbeit?
Eine sehr große. Nur dadurch war es mir überhaupt möglich, die neuartige Fragestellung und Methode auszuprobieren. Da der DAAD meine Anstellung an der Universität finanziert hat, konnte ich unabhängig forschen, aber auch von der Erfahrung meines kalifornischen Gastgebers großen Nutzen ziehen. Zudem habe ich sehr von der Familienfreundlichkeit des Postdoc-Programms profitiert: Meine Familie konnte mit mir in den USA leben, wir hatten keine finanziellen Sorgen. Dass alles hat mir geholfen, die Work-Life-Balance zu halten und Kalifornien in meiner Freizeit zu genießen - von der Universität in Davis sind sowohl das Meer wie auch die Berge in eineinhalb Stunden mit dem Auto erreichbar. Dennoch habe ich den Kontakt zu Deutschland nicht verloren. Dafür sorgten die „Anbahnungsreisen“, die der DAAD ebenfalls finanzierte. So konnte ich Vorträge zu meiner Studie an verschiedenen deutschen Universitäten, wie etwa in Hamburg und Magdeburg, halten. Prinzipiell kann ich nur jedem Nachwuchswissenschaftler raten, einige Zeit an renommierten Gastuniversitäten im Ausland zu verbringen. Viele Projekte sind international vernetzt.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Zunächst möchte ich noch zwei weitere Jahre hier im kalifornischen Labor damit verbringen, die ersten Befunde weiter auszuarbeiten. So werde ich mich beispielsweise mit den zugrundeliegenden Mechanismen näher beschäftigen, die für das Zusammenspiel von Belohnungszentren im Gehirn und Lernen verantwortlich sind. Mittelfristig strebe ich jedoch eine Habilitation und eine Professur in Deutschland an.
Angelika Dissen (14 Oktober 2014)