Reise in die Stadt der Zukunft
DAAD/Marius Schwarz
Probefahrt: Am Berliner "InnoZ" konnten die internationalen Journalisten selbst testen, wie sich die Fahrt mit Elektroauto und -fahrrad anfühlt
15 Journalisten aus 14 Ländern haben an der „Research in Germany“-Press Tour 2015 teilgenommen. Im „Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt“ gewannen sie konkrete Eindrücke, wie in Deutschland zur Urbanität von morgen geforscht wird.
Kaum parkende Autos im Stadtbild, freie urbane Plätze, viele Radfahrer und Fußgänger, Car- und Bike-Sharing-Stationen an den Straßenecken – so stellt sich Dr. Tim Lehmann die Stadt der Zukunft vor. Eine Vision, die der Stadtplaner und Architekt am Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) Ende Juni vor 15 internationalen Journalisten präsentierte, die auf Einladung des DAAD im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kampagne „Research in Germany – Land of Ideas“ mehrere Tage in Deutschland weilten. „Die Stadt der Zukunft wird sehr lebendig sein, das Leben wird sich noch viel mehr auf Straßen abspielen“, prognostiziert Lehmann.
Es sind Zukunftsbilder wie diese, mit denen sich derzeit viele Forscher in Deutschland beschäftigen. Nicht ohne Grund hat das BMBF deshalb 2015 zum „Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt“ erklärt. Das Thema hat rund um den Globus stark an Bedeutung gewonnen. Der Trend zur Verstädterung hält unvermindert an; Megacities wie Shanghai, Moskau oder Istanbul stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Wie ist umzugehen mit einem drohenden Verkehrskollaps, rasant steigendem Energieverbrauch oder dem Mangel an Wohnraum? An welchen Lösungen Deutschlands Forscher derzeit arbeiten, davon konnten sich die Journalisten während der Pressetour an Universitäten, an außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in Industrieunternehmen ein Bild machen.
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Die Press-Tour-Teilnehmer hatten sichtlich Freude an der Recherche
Nachhaltige Kontaktpflege
Fünf Tage lang besuchten sie beispielsweise Wissenschaftler an den Technischen Universitäten Berlin und Dortmund, dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) sowie Unternehmen wie die Thyssen Krupp AG. „Wir möchten den Forschungsstandort Deutschland im Ausland noch bekannter machen“, erklärt Ruth André, Teamleiterin beim DAAD. Zudem wolle man den internationalen Journalisten Kontakte zu den Forschern vermitteln, damit sie auch künftig über deren Arbeitsergebnisse berichten könnten. Das gilt zum Beispiel für das Forschungsgebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung. Am Berliner InnoZ auf dem EUREF-Campus im Schatten des Schöneberger Gasometers war das für die Journalisten am Einsatz eines so genannten Micro Smart Grids zu besichtigen – einem Stromnetz, das verschiedene Energiequellen, Verbraucher und Energiespeicher intelligent verknüpft und dabei das schwankende Angebot regenerativer Energieträger mit dem aktuellen Stromverbrauch ökologisch und ökonomisch in Einklang zu bringen versucht. „Die Journalisten suchen vor allem nach Innovationen, die auch in ihren Heimatländern angewandt werden können“, sagt Ruth André.
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"Die Stadt der Zukunft wird sehr lebendig sein, das Leben wird sich noch viel mehr auf Straßen abspielen", prognostizierte Tim Lehmann im Radio-Interview mit Yu Sulin aus Guangzhou (China)
Das internationale Presseinteresse an den Themen Energie, Mobilität und energieeffizienten Gebäuden in der Stadt ist groß. „Die Zukunft der Metropolen ist eines der wichtigsten Themen überhaupt“, sagt Emily Corona, die für die mexikanische Wochenzeitschrift Reforma schreibt. Im städtischen Ballungsraum von Mexiko-Stadt leben mehr als 22 Millionen Menschen. „Mich interessiert, welche Ideen deutsche Forscher für den Umgang mit Problemen des Verkehrs, des Wohnraums, des Abfalls oder der Energieversorgung haben.“ Auch wenn die Voraussetzungen und die ökologischen Standards in Deutschland und Mexiko unterschiedlich seien, werde sie nun mit neuer Perspektive auf die Probleme in ihrer Heimat schauen. In Deutschland imponierte ihr das Projekt PHOENIX See in Dortmund als gelungenes Beispiel der Stadttransformation. Auf einer Fläche von fast 100 Hektar wurde ein ehemaliger Eisen- und Stahlstandort in ein Wohn- und Naherholungsgebiet umgestaltet. „Die Idee, einen verrotteten Industriekomplex umzuwandeln, die Konzeption sowie die Umsetzung waren sehr beeindruckend“, sagt Corona.
Parallelen zwischen Deutschland und Indien
Sangeeth Sebastian Kurian, bei der indischen Tageszeitung Mail Today für die Themen Innovation, Forschung und Hochschulen zuständig, entdeckte in Deutschland ebenfalls Neues, aber auch Vertrautes. „In einigen Bereichen ähnelt die Situation meiner Heimat sehr: Auch Indien erprobt neue Energien wie Geothermie, forscht zu Smart Citys oder kämpft mit Problemen bei den Elektroautos wie etwa zu wenig Ladestationen oder zu teuren Automodellen“, sagt er.
Beeindruckt hat den Journalisten Kurian, wie Deutschland in der Vergangenheit das Problem der Luftverschmutzung bekämpft habe. Seine Heimatstadt Neu-Delhi gilt weltweit als eine der Städte, die besonders unter der Luftverschmutzung leiden. Deshalb interessierte er sich besonders für das Konzept „InnoCity“, dass Thyssen Krupp umsetzt. Das Unternehmen erprobt mit Stahlbrücken und Hochwegen sowie Radschnellwegen kombiniert mit intelligenten Personentransportsystemen – etwa Aufzügen, Fahrsteigen und Fahrtreppen – neue Ansätze für Verkehrs- und Transportwege in Städten. „Dieser Besuch war sehr aufschlussreich“, resümiert Kurian.
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Austausch über vernetzte urbane Mobilität: die Journalisten am "Connected Mobility Demonstrator" des InnoZ
Vernetztes Denken
Groß war das Interesse der Medienvertreter auch an InnoZ-Planer Lehmann und seinem Mobilitäts- und Energiekonzept für den Bahnhof Berlin-Südkreuz. Solche Forschungsansätze, sagt Tim Lehmann, seien spannend, weil sie nicht nur auf Technologien basierten, sondern auch fragten, welche Folgen diese Veränderungen für die Gesellschaft haben. Darin sieht er neben dem hohen wissenschaftlichen Niveau ein Plus der deutschen Forschungslandschaft. „Deutschland war immer stark darin, vernetzt zu denken.“ Davon konnten sich die Journalisten auf der „Research in Germany Press Tour“ überzeugen.
Benjamin Haerdle (1. Juli 2015)
Weiterführender Link
Press Tour 2015: City of the Future − Research for sustainable urban development