Kontinentübergreifende Kooperation
DAAD
Der SHARE Study Visit war ein wichtiger Schritt im Bildungsdialog zwischen EU und ASEAN
Austausch zwischen Europa und Südostasien: Das Projekt „European Union Support for Higher Education in ASEAN Region (SHARE)“ vermittelt die mit dem Bologna-Prozess verbundenen Erfahrungen und Kompetenzen nach Malaysia, Indonesien, Vietnam und in alle weiteren ASEAN-Mitgliedstaaten. Der DAAD ist Teil eines europäischen Konsortiums, das mit „SHARE“ bis 2018 zur Harmonisierung des ASEAN-Hochschulraums beitragen soll. Vor Kurzem war eine Delegation der südostasiatischen Projektpartner, bestehend aus Vertretern der Hochschulen, der Qualitätssicherung, der Bildungsministerien sowie aus Studierenden, zu Gast in Brüssel, Gent und Bonn.
Der Bologna-Prozess und der mit ihm verbundene Weg zu einem europäischen Hochschulraum gilt trotz mancher Holprigkeiten als Erfolgsgeschichte. Das weckt weltweit Interesse, auch in Südostasien. Dort wollen die zehn Mitglieder des ASEAN-Staatenbundes, zu denen etwa Malaysia, Indonesien, Vietnam, Thailand und die Philippinen zählen, nicht nur einen gemeinsamen Wirtschaftsraum formen, sondern auch die Hochschullandschaft harmonisieren. Das bedeutet unter anderem, Studienabschlüsse anzugleichen sowie Studieninhalte transparenter und Studierende mobiler zu machen – und fitter für den Arbeitsmarkt.
Der DAAD ist Teil eines Konsortiums, das die ASEAN-Staaten bei diesem Prozess unterstützt. SHARE, European Union Support for Higher Education in ASEAN Region, heißt das Projekt, an dem sich auch der British Council als Konsortialführer, Campus France, die niederländische Internationalisierungsagentur EP-Nuffic sowie der europäische Hochschulverband European University Association EUA und das Europäische Netzwerk zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich ENQA beteiligen. SHARE soll in mehreren Teilprojekten den Politikdialog vorantreiben, die Qualitätssicherung in der Lehre stärken, die Studierendenmobilität mit Stipendien ausbauen und ein Kredittransfer-System erarbeiten, das die an Hochschulen in ASEAN-Staaten erbrachten Leistungen transparent bewertet. Fast zehn Millionen Euro an Fördermitteln warb das Konsortium dafür bei der EU bis Ende 2018 ein. „Die ASEAN-Staaten wollen im Wettbewerb der Regionen weltweit konkurrenzfähig sein“, sagt SHARE-Projektleiter Dr. Stefan Hell vom British Council. Bildung sei ein Bereich, der dabei immer wichtiger werde.
Erfahrungen des DAAD nutzen
Um zu sehen, wie Europas Hochschulen den Bologna-Prozess umsetzen, besuchte eine Delegation der ASEAN-Länder auf Einladung von DAAD, EUA und ENQA Anfang Oktober unter anderem die Universität Gent, aber auch die DAAD-Außenstelle und die European University Association in Brüssel sowie die DAAD-Zentrale in Bonn. „Die Teilnehmer sollten einen Einblick bekommen, vor welchen Schwierigkeiten die Hochschulen bei der Umsetzung stehen können“, sagt Michael Hörig, beim DAAD Referatsleiter für Partnerschaftsprogramme und Hochschulmanagement in der Entwicklungszusammenarbeit. Das DAAD-Teilprojekt zu den Themenfeldern Qualitätssicherung und Qualifikationsrahmen wird – mit Unterstützung von Hochschulmanagement-Experte Marc Wilde in Bonn – an der DAAD-Außenstelle in Jakarta koordiniert. Hierdurch profitiert das Teilprojekt auch von den Erfahrungen, die der DAAD in einigen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten Projekten auf diesen Gebieten gemacht hat.
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Gemeinsamer Erfahrungsaustausch: Gruppenbild vor der DAAD-Zentrale in Bonn
Der Begriff Qualifikationsrahmen klingt nach sperriger Bürokratie, hat aber eine zentrale Bedeutung: Vor der Bologna-Reform ging es bei den Studieninhalten vor allem darum, was die Universität den Absolventen an Inhalten auf den Weg gibt. Mit der Reform ist eine Lernergebnisorientierung verstärkt in den Vordergrund gerückt – also Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen wie Textverständnis, Analyse- und Problemlösefähigkeit oder kreatives Denken, die sich Studierende im Hochschulstudium aneignen sollten. Diese werden über den Qualifikationsrahmen festgehalten. „In dem SHARE-Teilprojekt wollen wir mit den Hochschulen in ASEAN gemeinsam analysieren, was eine Lernergebnisorientierung für die Hochschulen, von der Fakultät bis zu Studiengängen und einzelnen Modulen, konkret bedeutet“, erklärt Michael Hörig. Für Hochschulen ist dies, das zeige sich auch in Europa, oft ein Kulturwandel. Zudem sollen in dem Themenfeld Qualitätssicherung die südostasiatischen Partner darin unterstützt werden regionale Standards und Richtlinien zu entwickeln und diese auf nationaler Ebene durch Dialog- und Trainingsmaßnahmen zu verankern. Durch den Einbezug der verschiedenen Akteure und Interessengruppen sollen ein gemeinsames Verständnis für die Qualität der Lehre gefördert und entsprechende Strukturen zur Qualitätssicherung gestärkt werden. „Wir wollen vermitteln, welche Erfahrungen wir in Europa gemacht haben“, sagt Hörig. In Europa wurden Standards und Leitlinien von den Hochschulen definiert und von den Bildungsministern politisch abgenommen. Solche Leitlinien, so Hörig, sollten auch in den ASEAN-Staaten zum Standard werden.
Für einen eigenen Ansatz
„Eine regionale Initiative so groß wie Bologna braucht Verbindlichkeit und einen politischen Willen“, sagt Abigail Cuales Lanceta, im ASEAN-Sekretariat als stellvertretende Direktorin zuständig für Bildung. Zudem seien die Bemühungen, den Hochschulbereich zu harmonisieren, finanziell aufwendig sowie zeit- und ressourcenintensiv. Alle Beteiligten hätten beim Bologna-Prozess Kompromisse eingehen müssen. Wie wichtig die Teilnahme der Studierendenschaft ist, betont Delegationsteilnehmer John Paulo Garcia delas Nieves, Vorsitzender des Studierendenrats der University of the Philippines Diliman: „Um Lösungen im Hochschulbereich zu finden, müssen die Regierungen die Meinung aller Beteiligter hören, also auch die der Studierenden.“ DAAD-Referatsleiter Michael Hörig sieht das SHARE-Projekt auf einem guten Weg: „Die Delegation setzte sich aus Vertretern der Hochschulen, der Qualitätssicherung, der Bildungsministerien sowie aus Studierenden zusammen, so übergreifend ist das selten.“ Dieser informelle Rahmen sei ein großer Pluspunkt gewesen. Das Selbstbewusstsein, nicht die Lösungen Europas zu kopieren, sondern einen eigenen asiatischen Ansatz zu finden, sei deutlich gewachsen.
Benjamin Haerdle (30. Oktober 2015)