Partnerland Ukraine: Ein neues Netzwerk für den akademischen Austausch
DAAD/Reiner Zensen
Für Wissenschaftler, die sich einbringen wollen: Das neue UKRAINE-Netzwerk feierte mit Unterstützung des DAAD seine Auftaktveranstaltung in Berlin
„Die Ukraine kann auf unsere Solidarität zählen“: Während des zweitägigen Netzwerktreffens „German-Ukrainian Academic Cooperation“ machte DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel deutlich, dass der DAAD auch angesichts der Ukraine-Krise am Austausch mit dem Partnerland festhält. Wissenschaftliche Exzellenz, politische Prominenz und über 200 ukrainische Akademiker kamen während der Veranstaltung zusammen, die zugleich der offizielle Auftakt für das neue „Ukrainische Akademische Internationale Netzwerk“ (UKRAINE-Netzwerk) war.
Ein stabiles Netzwerk braucht beides: Das persönliche Engagement der einzelnen Mitglieder ebenso wie starke Partner. Andriy Luzhetskyy hat das schon früh in seiner wissenschaftlichen Laufbahn erfahren. Als Doktorand grübelte der Biologe über Fragen der Genetik und schrieb einen Professor der Universität Freiburg an. Dieser ermutigte den Ukrainer: „Versuch, Deine Idee an unserer Universität zu realisieren.“ Andriy Luzhetskyy kam mit einem Stipendium des DAAD nach Freiburg und schloss danach seine Promotion in der Ukraine ab. Heute ist er ein mehrfach ausgezeichneter Wissenschaftler, Leiter einer Nachwuchsgruppe der Helmholtz-Gemeinschaft und seit Oktober 2015 Professor für Pharmazeutische Biotechnologie an der Universität des Saarlandes. Ein Großteil der Mitarbeiter des Lehrstuhls wurde oder wird ebenfalls vom DAAD gefördert, und nicht wenige kommen aus der Ukraine. „Der DAAD hatte entscheidenden Anteil am Aufbau des Lehrstuhls“, sagt Professor Luzhetskyy.
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Für Austausch und Vernetzung (v. l. n. r.): Andriy Luzhetskyy, Alexandra Antoniouk, DFG-Vizepräsident Peter Funke, DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel, Gernot Erler, der Generalsekretär der Humboldt-Stiftung Enno Aufderheide, der Gesandte-Botschaftsrat Oleh Mirus und Johannes Müller, Direktor des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Kiel
Kontakte knüpfen, Strukturen schaffen, Austausch ermöglichen – das sind auch Ziele des neuen UKRAINE-Netzwerks. Initiiert wurde das Netzwerk von der DAAD-Alumna Dr. Oksana Seumenicht. Der Zusammenschluss möchte von Deutschland aus die akademische Zusammenarbeit mit der Ukraine stärken und die besondere Expertise seiner Mitglieder bündeln. Mehrere Nachwuchswissenschaftler sowie etablierte Kollegen haben bei der Konzeption des Netzwerks mitgewirkt. So nahm etwa neben Andriy Luzhetskyy auch Professor Alexandra Antoniouk vom Kiewer Institut für Mathematik, Trägerin des Humboldt-Alumni-Preises 2015, an der Podiumsdiskussion der Auftaktveranstaltung am 28. und 29. Januar 2016 in Berlin teil. Gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Alexander von Humboldt-Stiftung hat der DAAD die Idee des Netzwerks unterstützt und die Auftaktveranstaltung organisiert. Der erste Veranstaltungstag wurde aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanziert. Auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) fand der zweite Tag im neuen Dienstsitz des Ministeriums gegenüber des Reichtags und des Bundeskanzleramts statt. DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel hob in ihrer Begrüßungsrede den Charakter des Berliner Treffens als „Plattform“ für den künftigen Austausch der deutschen und ukrainischen Akademiker hervor: „Wir werden die weitere Entwicklung des Netzwerks beobachten und beratend begleiten.“
Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft
Die DAAD-Präsidentin konnte in Berlin beeindruckende Zahlen nennen. So hat der DAAD etwa allein zwischen 1993 und 2014 20.977 ukrainische Studierende, Graduierte und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gefördert. Zuletzt wurde das DAAD-Förderportfolio mit Blick auf die Ukraine erweitert, etwa durch die Förderung der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission. Die Ukraine steht auch im Fokus des neuen Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft“, mit dem der DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts unter anderem Kurzstipendien, Studienreisen und Sommerschulen fördert.
Angesichts der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und der Konflikte mit prorussischen Separatisten in der Ostukraine betonte DAAD-Präsidentin Wintermantel: „Die Ukraine kann auf unsere Solidarität zählen.“ Ausdrücklich wies sie dabei auf das Ziel des Landes hin, „bei der Integration in europäische Strukturen entscheidende Schritte voranzukommen“. Dringend notwendig sei die Unterstützung des akademischen Austauschs durch die ukrainische Seite: „Trotz aller Schwierigkeiten haben wir große Chancen, die wir nutzen können und müssen.“ Margret Wintermantel machte auf das Potenzial der in Berlin versammelten ukrainischen sowie deutschen Akademiker aufmerksam: „Der DAAD hat sehr gute Erfahrungen gemacht mit Programmen, die aus der Gruppe der Wissenschaftler entstanden sind.“
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Schätzt den Partner DAAD: Gernot Erler, Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft
„Besondere Expertise“ des DAAD
„Ich bin davon überzeugt, dass Bildung und Forschung oft Motor gesellschaftlicher Veränderung sind“, sagte in seiner Begrüßungsrede Gernot Erler, Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft. „Die Betrachtung eigener Ideen ist ein erster Schritt zu Dialog und Verständigung.“ Bei der Bewältigung des weitreichenden Reformprozesses in der Ukraine seien auch die Integration des Landes in den Bologna-Prozess und die seit 2015 mögliche Teilnahme an „Horizont 2020“, dem Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation, wichtige Schritte. Erler hob die „besondere Expertise“ des DAAD bei der Auswahl von Förderprojekten im Hochschulbereich hervor.
Das Interesse der Ukraine am akademischen Austausch mit Deutschland unterstrich in Berlin der Gesandte-Botschaftsrat Oleh Mirus: „Deutschland ist unser traditioneller Partner und Unterstützer auf diesem Gebiet.“ Mirus betonte: „Wir wünschen uns sehr, dass deutsche und ukrainische Wissenschaftler als Partner an gemeinsamen Projekten forschen.“ Der mit der Maidan-Revolution verbundene Wandel seines Landes, so der Gesandte-Botschaftsrat, bedeute, „die Entscheidung für die europäische Zukunft“. Um diese auch im akademischen Bereich gestalten zu können, sind noch weitere Schritte nötig. Doch sie werden angegangen: Professor Boris Grynyov, Direktor des ukrainischen Staatsfonds für die Grundlagenforschung, stellte Offenheit, Transparenz und Unabhängigkeit der Wissenschaft als Leitlinien seiner Organisation heraus. Das im Juli 2014 erlassene Hochschulgesetz verleiht den ukrainischen Universitäten erstmals die Hochschulautonomie.
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Netzwerk-Initiatorin Oksana Seumenicht: Einrichtung von wissenschaftlichen und strategischen Arbeitsgruppen
„Die Integration der Ukraine in den europäischen Forschungsraum“ zählt auch zu den Zielen, für die sich das neue „Ukrainische Akademische Internationale Netzwerk“ einsetzen will. Ein wesentliches Vorbild für seine Initiatorin Oksana Seumenicht war allerdings ein transatlantisches Netzwerk. „Das ‚German Academic International Network‘ (GAIN) hat mich inspiriert“, sagt Seumenicht, über das ebenfalls von DAAD, DFG und Alexander von Humboldt-Stiftung geförderte Netzwerk. Wie bei GAIN kann sich Oksana Seumenicht für das deutsch-ukrainische Netzwerk ein Jahrestreffen und mehrere regelmäßige lokale Zusammenkünfte vorstellen. Größere Gruppen ukrainischer Wissenschaftler konnte sie bereits in Berlin, Dresden und München ausmachen. Eine eigene Netzwerk-Website ist ebenso geplant wie die Einrichtung von Alumni-Clubs sowie von wissenschaftlichen und strategischen Arbeitsgruppen; letztere könnten sich etwa Fragen der Wissenschaftspolitik widmen.
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Ansprechpartner: DAAD-Referatsleiter Kai Franke bei der Beratung von Tagungsteilnehmern
Seit Langem in der Ukraine vertreten
„Wir haben auch die Hoffnung, dass das Netzwerk aktiv für die Vorteile eines Studien- oder Forschungsaufenthalts in Deutschland wirbt“, sagt Kai Franke, der beim DAAD das Referat „Stipendienprogramme Osteuropa, Zentralasien und Südkaukasus“ leitet. Während des Netzwerktreffens in Berlin informierte Franke über die vielfältigen Angebote des DAAD zur Kooperations- und Mobilitätsförderung. „Die deutschen Hochschulen wissen, dass ukrainische Studierende in der Regel sehr engagiert sind und eine sehr gute Grundausbildung haben.“ Dass der deutsch-ukrainische Austausch trotz der Ukraine-Krise stabil geblieben ist, hat für Kai Franke aber vor allem einen Grund: „Die Stärke des DAAD ist die kontinuierliche Förderung, unabhängig von politischen Schwerpunkten. Und es kommt uns zugute, dass wir in der Ukraine seit Langem mit Lektoren und einem Informationszentrum in Kiew vertreten sind.“
Johannes Göbel (5. Februar 2016)