International Dialogue on Education: Die Universität in der Gesellschaft
DAAD/Stefan Zeitz
Diskutierten die "Dritte Mission" der Universitäten (v. l.): Hans Amman, Carolyn Campbell-Golden, Moderator Jan-Martin Wiarda, Wolfgang Stark und Andrew Disbury
Auf dem 14. „International Dialogue on Education“ (ID-E Berlin) sprachen Experten aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland an der Freien Universität Berlin über die „Dritte Mission“ der Universitäten: die Interaktion mit externen Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft.
Forschung und Lehre sind die zwei Säulen, auf denen Universitäten stehen, die sich dem Bildungsideal Wilhelm von Humboldts verpflichtet sehen. Aber in letzter Zeit ist immer öfter die Rede von einer dritten großen Aufgabe, einer „Dritten Mission“ der Universitäten. Die Leitfragen in dieser lebendigen Debatte, die auch an der Freien Universität Berlin geführt wird, lauten: „Wie können wir unsere Forschung der Gesellschaft verständlich machen?“ und „Was sind Relevanz und Verantwortung der Universitäten in unserer heutigen Welt?“, so die Gastgeberin der Tagung, Professor Brigitta Schütt, Vizepräsidentin für Forschung der Freien Universität Berlin, in ihrer Begrüßungsansprache zum diesjährigen „International Dialogue on Education“ (ID-E Berlin).
Abschied vom Elfenbeinturm
„Wir leben in Zeiten, in denen die Universitäten einen bedeutenden Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten und ihre Arbeit gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen sollen“, betonte auch Ulrich Grothus, stellvertretender Generalsekretär des DAAD. Dieser hat das etablierte transatlantische Forum zusammen mit dem British Council, der deutsch-amerikanischen Fulbright-Kommission, der Kanadischen Botschaft und der Freien Universität initiiert. Um der gemeinsamen Aufgabe gerecht zu werden, so Grothus, sei es wichtig, im internationalem Dialog zu erfahren, wie andere Universitäten in der Welt den aktuellen Herausforderungen begegnen – etwa auf dem jährlichen ID-E-Forum.
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Ulrich Grothus: überzeugt vom Wert des Dialogs
„Outreach Mission“ nennt sich das Engagement für den engen Kontakt zwischen Universität und Gesellschaft an der Auburn University (AU) im US-Bundesstaat Alabama. Carolyn Campbell-Golden, Vice Chancellor der AU, baut dort seit Jahren erfolgreich die Kontakte zu den Alumni auf und warb in mehreren Kampagnen zweistellige Millionenbeträge für die Universität ein. Die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Kräften sei inzwischen sehr eng, sagt sie – auch weil sich die AUM traditionell für Bildung und Gleichberechtigung in der Bevölkerung engagiert, die vor allem aus Arbeitern besteht: „Es gibt eine starke Erwartungshaltung in unserer Region an Serviceleistungen der Universität.“ Und diese Erwartungen bemühe sich die Uni auch zu erfüllen. Deutlich wurde dabei, dass sich Alumni-Arbeit, Fundraising und gesellschaftliches Engagement an vielen amerikanischen Universitäten gegenseitig bedingen und verstärken und eine trennscharfe Abgrenzung oft gar nicht möglich ist.
Kultur der Serviceorientierung
Wie aber wird die gesellschaftliche Rolle von Hochschulbildung und Wissenschaft konkret ausgefüllt? Was braucht es dafür? „Viel Netzwerkarbeit und Kommunikation“, sagte Professor Hans Amman, Direktor von „Innovation Exchange Amsterdam“ (IXA). Die Organisation unterstützt Universitäten, Hochschulen und Innovationszentren dabei, gesellschaftlich relevanten Technologie- und Wissenstransfer zu leisten. Solches nach außen gerichtetes Engagement müsse in den Organisationsstrukturen der Universität sichtbar sein, betonte Andrew Disbury, Vice-Principal und Pro Vice-Chancellor für Globales Engagement an der University of the West of Scotland. Hochschulmitarbeiter und Professoren müssten strategisch von der Mitarbeit überzeugt und Studierende bereits in den Anfangsjahren für ein gesellschaftliches Engagement gewonnen werden, um aus Serviceorientierung eine Kultur zu machen, berichteten die internationalen Experten aus ihren Erfahrungen.
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Hans Amman: Einsatz für die Freiheit der Forschung
„Wichtig ist aber auch, dass man trotz der gesellschaftlichen Nachfrage nach bestimmten Leistungen der Universitäten nie die Forschungsfreiheit verrät“, betonte Hans Amman. Fingerspitzengefühl ist also angesagt bei der Frage, wer für die Interaktion eigentlich auf wen zugehen soll: Reagiert die Forschung auf aktuelle Probleme oder trägt vielmehr die Politik sie in die Hochschulen hinein? Universitäten dürften trotz offener Fenster in die Gesellschaft nicht ihre Seele verkaufen, so das gemeinsame Credo der Berliner Podiumsrunde.
„Weil wir es gut und richtig finden“
„Man muss für Engagement in der Dritten Mission eine Reflexionsebene einrichten, wo man stets über das nachdenkt, was man tut“, sagte der Psychologe Wolfgang Stark, Professor für Organisationsentwicklung und Gemeindepsychologie an der Universität Duisburg-Essen. Ein Punkt, den auch Andrew Disbury unterstützte: „Forschungspartnerschaften gehen wir ein, weil wir sie gut und richtig finden, und nicht, weil sie von uns erwartet werden.“ Und auf die Frage aus dem Publikum, ob man denn als kooperative Universität eventuellem politischen Druck entgehen könne, hieß es: ja, durch geschickte und höfliche Moderation. Aber Einfluss, da waren sich die Diskutanten einig, habe Parteipolitik am Ende eher nicht.
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Offenes Forum: Podiumsredner und andere Tagungsteilnehmer kamen während des ID-E ins Gespräch
Besonders unterhaltsam war während der Berliner Runde übrigens die Diskussion zu Belohnungsstrategien. Wenn Professoren partout keine Lust hätten, sich neben Forschung und Lehre für Workshops in Sachen Vermittlung zu interessieren, gäbe es einen Trick, meinte der Brite Disbury: „Dann muss man eben Lunch-Partys geben oder Nachmittagstee anbieten, dann kommen sie schon und erzählen, was sie so forschen.“
Bettina Mittelstraß (30. Juni 2017)