"Ich fühle mich in meiner Mission bestärkt"
Privat
Suaad Abdo vor ihrer Hochschule in Erfurt
Im "Global Gender Gap Report 2013", mit dem das Weltwirtschaftsforum die Gleichberechtigung der Geschlechter untersucht hat, landet der Jemen von allen 136 bewerteten Nationen auf dem letzten Rang. Suaad Abdo, DAAD-Stipendiatin aus dem Jemen, will Ungerechtigkeiten nicht hinnehmen. Im Interview mit dem DAAD-Online-Magazin erzählt sie, was für die Frauen in ihrer arabischen Heimat getan werden muss.
Frau Abdo, das DAAD-Jahresthema lautet „Chancengerechtigkeit in Bildung und Wissenschaft“. Inwieweit gilt diese für Frauen in der jemenitischen Gesellschaft?
Die jemenitische Gesellschaft wandelt sich zwar, ist aber immer noch sehr konservativ: Traditionelle Sitten und Normen bestimmen das Zusammenleben zum Teil mehr als das Gesetz. Zudem ist die Gesellschaft in meinem Heimatland stark von Männern dominiert. Insbesondere in armen, ländlichen Gebieten fehlt es Frauen an bürgerlichen und politischen Rechten, die ihnen die Verfassung eigentlich garantiert. Bildung wird den Mädchen aus kulturellen oder ökonomischen Gründen vorenthalten. Das hat zur Folge, dass jemenitische Frauen auf dem Arbeitsmarkt vollkommen unterrepräsentiert sind. Zudem werden Frauen sehr früh verheiratet, und um einen Personalausweis zu erhalten, benötigen sie das Einverständnis eines männlichen Vormunds. Diesen Ungerechtigkeiten kann ich nicht tatenlos zusehen.
Vor Ihrer Zeit als Stipendiatin im DAAD-Programm „Public Policy and Good Governance“ (PPGG) arbeiteten Sie deshalb für „Soul for Development” in Sanaa, der jemenitischen Hauptstadt. Welche Ziele verfolgt die Nichtregierungsorganisation?
Prinzipiell geht es uns darum, Frauen über ihre Rechte zu informieren und für Chancengerechtigkeit im Bereich der Bildung zu sorgen. Dazu unterstützt „Soul for Development“ unter anderem den Bildungssektor und setzt sich für eine Alphabetisierung von Jugendlichen und speziell von Frauen ein. All das funktioniert allerdings nicht gegen den Willen der Männer und ist dementsprechend schwer.
Wie haben Sie und Ihre Kolleginnen bisher versucht, die Frauen dennoch zu stärken?
Da die Familie die kleinste Einheit der Gesellschaft ist, muss der Wandel von dort ausgehen. Frauen sollen an familiären Entscheidungen teilhaben und zum Einkommen beitragen können. Deshalb haben wir Frauen und Männern in Workshops deutlich gemacht: Gebildete Frauen sorgen für das Wohlergehen der Familie und sind damit für alle von Vorteil. Um Frauen ökonomisch zu stärken, haben wir zudem Programme zur Einkommensgenerierung angeboten. Wichtig ist, dass die Frauen selbst von ihrem Tun überzeugt sind, sonst führen die Anstrengungen nicht zum Erfolg. Deshalb habe ich so oft wie möglich das Gespräch mit Frauen gesucht – in meinem persönlichen Umfeld, auf der Straße oder im Bus.
Was bildet die Basis Ihres Engagements?
Ich sehe es als soziale Verantwortung, mein Wissen mit anderen zu teilen. Ich selbst habe Glück und werde in meinen Zielen von meinen Eltern, insbesondere meiner Mutter unterstützt. Sie ist eine starke Frau, die sich immer für mich und meine Rechte einsetzt. Andere Eltern sind leider weniger aufgeschlossen – deshalb möchte ich den betroffenen Mädchen helfen.
Momentan studieren Sie als DAAD-Stipendiatin an der Willy Brandt School of Public Policy in Erfurt. Inwiefern profitieren Sie vom interkulturellen Austausch?
Die Zeit hier in Thüringen hat mich verändert: persönlich und intellektuell. Ich bin weitaus unabhängiger und souveräner als zwei Jahre zuvor, die deutsche Kultur und der Austausch mit anderen internationalen Studenten haben mein Leben sehr bereichert. Ich habe nicht nur andere Standpunkte kennengelernt, sondern auch verschiedene Methoden, um meine Ziele zu erreichen. Auch wissenschaftlich habe ich mich weiterentwickelt. Ich bin nun auf den Bereich des Konfliktmanagements spezialisiert und schreibe gerade an meiner Masterarbeit, die sich mit weiblichen Flüchtlingen aus Syrien beschäftigt.
Werden Sie sich nach Ihrer Rückkehr weiter für die Rechte der jemenitischen Frauen einsetzen?
Ja, auf jeden Fall. Durch mein Studium und die Erfahrungen in Deutschland fühle ich mich in meiner Mission bestärkt: Ich kann nicht tolerieren, wenn Mädchen der Zugang zu Bildung vorenthalten wird. Meine Vision ist deshalb ein spezielles Fortbildungszentrum für Mädchen. Dort würde ich den Kindern gerne Fremdsprachen beibringen, denn Sprachen öffnen uns die Türen zu fremden Kulturen und Lebensweisen. Und die können eine Motivationsquelle für das eigene Leben sein.
Christina Pfänder (15. Juli 2014)