"Großes Interesse am wissenschaftlichen Austausch"

DAAD

Elegante Außenansicht: Das IC in Kasan ist der Föderalen Universität angegliedert

Vor kurzem eröffnete der DAAD mit dem neuen Informationszentrum (IC) an der Föderalen Universität in Kasan seine vierte Präsenz in Russland. Leiter Thilo Zinecker spricht im Interview über das große Interesse an Deutschland und die gemeinsamen Pläne für eine deutsch-russische Universität.

Herr Zinecker, der DAAD hat jetzt an der Kasaner Föderalen Universität ein Informationszentrum. Warum ausgerechnet dort?

Der Studienstandort Kasan ist exzellent: Das IC ist an der Universität Kasan angesiedelt – eine föderale Universität, von denen es in ganz Russland nur neun gibt. Zudem verzeichnet Kasan mit der Technischen Forschungsuniversität und der Technologischen Forschungsuniversität zwei nationale Forschungsuniversitäten. Das bedeutet eine sehr hohe Konzentration an Eliteuniversitäten, die mit denen der deutschen Exzellenzinitiative zu vergleichen sind. Folglich ist das Interesse am internationalen wissenschaftlichen Austausch und an Stipendienprogrammen des DAAD sehr hoch. Hinzu kommt, dass diese drei Hochschulen über exorbitante Finanzmittel verfügen und eine sehr hohe Verantwortung für die mittlere und untere Wolga-Region tragen. Sie sind Flaggschiffe der Region. Deswegen passt das IC bestens hierher.

Was sind die wesentlichen Aufgaben?

Das IC soll dazu beitragen, dass die Universitäten in Kasan gemeinsam mit deutschen Hochschulen die Internationalisierung vorantreiben können. Es informiert russische Studenten und Wissenschaftler über Fördermöglichkeiten, wie sie sich einen Aufenthalt in Deutschland finanzieren können. Zudem organisieren wir Tagungen und Konferenzen und helfen, interdisziplinäre Studiengänge auf die Beine zu stellen. Derzeit ist zum Beispiel das Interesse an Doppel-Diplom-Studiengängen mit Deutschland sehr groß, da beraten wir bei Fragen der Finanzierung.

Die Kasaner Nationale Technische Forschungsuniversität startet gemeinsam mit der TU Illmenau ein deutsch-russisches Institut für Advanced Technologies; es gibt Pläne für eine deutsch-russische Universität in Kasan. Woher rührt das große Interesse?

Das Interesse ist zum einen historisch begründet, da deutsche Professoren maßgeblich an der Gründung der Universität Kasan im Jahr 1804 beteiligt waren. Die Beziehungen sind seit Jahrzehnten gewachsen. So hat die Universität zum Beispiel seit 25 Jahren einen sehr guten Austausch mit der Universität Gießen. Erst vor wenigen Jahren hat sie eine Kooperation mit der Universität Regensburg abgeschlossen. Zudem genießt Deutschlands Universitätsausbildung hohes Ansehen. Erst jüngst erklärte der Rektor der Kasaner Technischen Forschungsuniversität, die deutsche Ingenieurkunst sei immer noch weltweit führend, und seine Hochschule möchte davon profitieren.

Ist Deutschland wichtigster Kooperationspartner für Kasan?

Ja, mit Abstand. Die Republik Tatarstan schickt jedes Jahr gemeinsam mit dem DAAD bis zu 30 Graduierte mit Regierungsstipendien über das Nikolai-Lobatschewski-Programm zum Masterstudium nach Deutschland. Das gab es früher analog auch mit Italien und den USA, es wurde aber zugunsten Deutschlands eingestellt. Der DAAD schickt darüber hinaus jedes Jahr bis zu 40 junge Wissenschaftler und Doktoranden für Kurzaufenthalte an deutsche Hochschulen. Auch dieses Programm wird sehr gut angenommen.

Das Informationszentrum in Kasan ist bereits das dritte des DAAD in Russland; zudem gibt es die Außenstelle in Moskau. Warum ist das Interesse russischer Studenten an den deutschen Hochschulen so groß?

Die Universitätsausbildung und damit die Qualität der Wissenschaft in Deutschland genießen in Russland einen sehr guten Ruf. Das lockt viele an deutsche Hochschulen. Außerdem ist das Studium in Russland zum Teil deutlich teurer als in Deutschland, weil Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten in manchen Städten sehr hoch sind.

Aber sind die Studierenden ausreichend der deutschen Sprache mächtig, um ein Masterstudium in Deutschland zu schaffen?

Die deutsche Sprache wird an sehr vielen Schulen unterrichtet, sie spielt trotz sinkender Lernerzahlen immer noch eine sehr wichtige Rolle als Fremdsprache. Deutschlands Hochschulen bieten ferner immer häufiger englischsprachige Studiengänge an. Das ist ein weiterer wichtiger Vorteil.

Welche Disziplinen sind bei Russlands Studierenden bei der Studienwahl in Deutschland besonders beliebt?

Sehr begehrt ist das Studienfach Medizin. Auch Geisteswissenschaften oder Deutsch als Fremdsprache sind beliebt. Das gilt natürlich auch für die Ingenieurwissenschaften. Russland leidet auch unter einem Fachkräftemangel bei den Ingenieuren. Der Staat ist deshalb sehr daran interessiert, die Leute zur Ausbildung nach Deutschland zu schicken. An der Föderalen Kasaner Universität sind die Naturwissenschaften wie etwa Biologie und Chemie sehr stark, deshalb ist der Austausch in dieser Disziplin hoch.

Befürchten Sie, dass das aktuelle politische Geschehen in der Ukraine die deutsch-russischen Beziehungen beschädigen könnte?

Das ist sehr schwer zu sagen, bei dem Konflikt spielen viele Nuancen eine Rolle. Durch den wissenschaftlichen Austausch sind Deutschland und Russland seit vielen Jahren eng miteinander verflochten. Deshalb glaube ich, dass wir diese Krise überstehen und dass sich an der guten Kooperation nicht allzuviel ändern wird. Wir sind Wissenschaftler, wir suchen den Austausch: Deutschland sucht den Austausch mit Russland und umgekehrt.

Benjamin Haerdle (18. März 2014)