Neue Wege
DAAD
Ahed O. Abu Tayyem studiert Ingenieurwesen in Jordanien
Das Drittland-Programm des DAAD macht es möglich: Palästinenser und Jemeniten, die an ihren heimischen Universitäten nur wenige Masterstudiengänge angeboten bekommen, können mit einem Drittlandstipendium in Jordanien ihren Master absolvieren - und damit später in Deutschland promovieren. Jemenitischen Medizinern steht auch der Weg nach Ägypten offen.
Ahed O. Abu Tayyem, Masterstudent des Wirtschaftsingenieurwesens, ist vom Potential seines Studiengangs überzeugt: „Wirtschaftsingenieure verfügen über große Ressourcen, den Entwicklungsprozess eines Landes zu unterstützen, gerade in unserer sich rasant verändernden Welt.“ Deshalb vertieft der Palästinenser nach einem Bachelor an der Islamic University of Gaza seine Kenntnisse mit einem Master an der University of Jordan. „Die Universität genießt einen bemerkenswerten Ruf unter den arabischen Hochschulen und bietet einen ausgezeichneten Masterstudiengang in Wirtschaftsingenieurwesen an“, sagt Tayyem. „An der Universität in Gaza ist dieser Bereich – wie in den gesamten palästinensischen Gebieten – noch relativ neu und damit weniger etabliert.“ Zudem bietet ihm der Kontakt mit jordanischen Studierenden und Wissenschaftlern den Austausch von Ideen in einer entspannten Atmosphäre. „Damit kann jeder über das relevante Wissen verfügen“, meint Tayyem.
Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit
Der akademische Austausch, die Weiterführung des Studiums – all das wird Ahed O. Abu Tayyem mithilfe des Drittland-Programms des DAAD ermöglicht. Und nicht nur für den Masterstudenten ist es ein Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit: „Der spezifische Wert des Programms liegt darin, das ,capacity building’ der arabischen Hochschulen zu unterstützen und auf eine solide Grundlage zu stellen“, sagt Heike Heinen vom DAAD-Referat Nordafrika, Nahost. Das Programm berücksichtige dabei die komplexen Gegebenheiten strukturschwacher Transformationsländer – nicht nur Individuen, auch Institutionen werden über Studiengebühren gefördert. Im Fokus stehe allerdings die Heranbildung einheimischer Nachwuchskräfte. „Palästinensische und jemenitische Studierende, die in ihrer Heimat einen Mastergrad nicht oder nur sehr eingeschränkt erwerben können, haben dazu in Jordanien die Möglichkeit“, sagt Heinen. „Der Master ist wiederum Vorausetzung für ein Promotions-Stipendium an einer deutschen Hochschule.“ Ein weiteres Plus des Programms: Es verstärkt die Förderung junger Frauen, denen ein langfristiger Aufenthalt in einem europäischen Land aus kulturellen Gründen nicht möglich ist. Unter den geförderten Palästinensern liegt der Frauenanteil bei rund 50 Prozent und damit deutlich über dem Durchschnitt anderer arabischer Länder.
"Fast ein neues Leben"
Auch die Jemenitin Ebtesam A. Rahman Abood profitiert von dem Programm. Seit 2011 studiert sie Klinische Pharmazie an der University of Jordan in der Hauptstadt Amman. „Dank des Stipendiums bin ich einen großen Schritt weitergekommen, es ist fast, als würde ich hier in Jordanien ein neues Leben führen“, sagt Rahman. So hatte sie auf einer Konferenz der „Jordanian Pharmacists Association“ die Gelegenheit, einen Vortrag zu präsentieren und sich mit Experten auszutauschen. Auch geraten immer wieder gesundheitspolitische Themen in das Blickfeld der DAAD-Stipendiatin: „Hinsichtlich des Gesundheitssystems gilt Jordanien in der arabischen Welt als sehr fortschrittlich“, so Rahman. Anders im Jemen: Dort seien den Pharmazeuten enge Grenzen gesetzt. „Viele sehen im Apotheker nur einen Verkäufer von Medikamenten“, sagt Rahman. „Aber meinem Verständnis nach bedeutet der Beruf weitaus mehr. Als Schnittstelle zwischen Arzt und Patient ist er mit viel Verantwortung verbunden und erfordert eine fundierte Ausbildung.“ Diese möchte sie nun in Jordanien mit dem Masterstudiengang der Klinischen Pharmazie vertiefen: „Klinische Pharmazeuten erstellen gemeinsam mit den Ärzten den Behandlungsplan und verfolgen die gesundheitliche Situation des Patienten, auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus.“
Rückkehr in den Jemen
Eine optimale Versorgung des Patienten ist auch das Ziel von Huda Al-Hayouti. Als Medizinstudentin aus dem Jemen standen ihr mit einem DAAD-Drittlandstipendium die Türen zu ägyptischen Universitäten offen. Die Augenärztin ist nach ihrer vierjährigen Fachausbildung an der Cairo University im vergangenen Jahr in den Jemen zurückgekehrt und arbeitet heute am Universitätsklinikum in Sanaa. „Meine Zeit in Ägypten war eine wundervolle Erfahrung“, so die DAAD-Alumna. „Mit meinen ägyptischen Freunden und Kollegen habe ich eine große Familie gewonnen.“ Nicht nur menschlich habe sie das Drittlandstipendium als große Bereicherung erlebt: „Das akademische Niveau ist fantastisch. Es war für mich nicht immer leicht, aber die Professoren wissen harte Arbeit zu schätzen.“ Auch die Strukturierung von medizinischen Trainingsprogrammen habe sie erlernt. „Die möchte ich nun im Jemen implementieren“, sagt Huda Al-Hayouti.
Ali Al Sakkaf geht in Ägypten neue Wege. Der jemenitische Mediziner absolviert an der Cairo University eine Fachausbildung zum Allgemeinchirurgen und spezialisiert sich zudem im Bereich onkoplastische Brustchirurgie. „Im Mittleren Osten ist Ägypten im medizinischen Bereich führend“, sagt Al Sakkaf. „Während meines Bachelorstudiums im Jemen wurde ich von Professoren unterrichtet, die selbst hier ausgebildet wurden.“ Al Sakkaf, der seit drei Jahren an der „Cairo University Breast Cancer Clinic“ arbeitet, beschäftigte sich auch in seiner Masterarbeit mit dem Thema Brustkrebs – und reiste dafür nach Deutschland. Im Rahmen seines DAAD-Stipendiums forschte er drei Monate am Marienhospital Düsseldorf an der Klinik für Senologie und Brustchirurgie. „Dort habe ich eine Menge über die Diagnose, den Umgang und die Nachsorge von Brusterkrankungen gelernt und ein umfassendes Bild vom deutschen Gesundheitssystem gewonnen“, sagt er. „All diese Erfahrungen sollen jemenitischen Patientinnen nach meiner Rückkehr zugute kommen.“
Christina Pfänder (30. April 2014)