Europäisch-Asiatischer Dialog in Islamabad und Lahore

DAAD/Mahel M. Akmal

Engagiert auf dem Podium waren unter anderen die Experten Dr. Andrea Fleschenberg dos Ramos Pinéu, Prof. Dr. Azam Chaudhary (beide Quaid-i-Azam University), Prof. Dr. Beatrice Knerr (Universität Kassel) und Noreen Naseer (University of Peshawar)

Im Januar 2014 finanzierte das Auswärtige Amt eine Studienreise für pakistanische Masterstudierende nach Marburg und Berlin, wo sie mit deutschen Kommilitonen, Wissenschaftlern, Politikern und Praktikern über "Good Governance" debattierten. Jetzt reisten deutsche Wissenschaftler zum Auftakt einer Serie von Fachkonferenzen über das "Gute Regieren" nach Islamabad und Lahore. Beide Veranstaltungsformate sind Teil des vom DAAD organisierten Sonderprogramms "Good Governance Pakistan".

Über den Auftakt zur Konferenzserie in Pakistan und den inspirierenden Austausch ein Interview mit Lars Gerold, Leiter des Referats für Pakistan und Afghanistan im DAAD.

Herr Gerold, in welcher Atmosphäre debattierten die Wissenschaftler aus Pakistan, Deutschland und Großbritannien?

Lars Gerold: Das große Interesse der demokratischen Kräfte Pakistans am internationalen Austausch mit Gastwissenschaftlern aus Europa über die Frage guter Regierungsführung hat alle Konferenzteilnehmer begeistert. Inspirierend war außerdem das gesellschaftlich sehr gemischte Auditorium. Junge Menschen aus ganz Pakistan – aus stärker religiös und traditionell geprägten ländlichen Gegenden ebenso wie aus weltoffenen urbanen Strukturen – studieren an der staatlichen Quaid-i-Azam-Universität. Auch aus Peschawar wurden Teilnehmer mit dem Bus in die Hauptstadt zur Konferenz gefahren, weil der internationale Austausch an der dortigen modernen und liberalen Universität derzeit aus Sicherheitsgründen nur sehr begrenzt möglich ist. Die Vielfalt der Herkünfte, Überzeugungen und Perspektiven schuf eine offene Atmosphäre, in der sich zum Beispiel auch junge Frauen in vollständig schwarzer Verschleierung, der Barqa, intensiv an den Diskussionen beteiligten.

Inhaltlich fokussierten die Konferenzen in Islamabad und Lahore viele Herausforderungen von Good Governance, die sich im politischen System Pakistans und auch in den Nachbarstaaten fortwährend stellen. Welche sind das?

Pakistan wie auch Indien und Bangladesch haben zum Beispiel große Probleme mit politischer Einflussnahme auf den öffentlichen Sektor. Der pakistanische Politikwissenschaftler, Professor Ilhan Niaz, erläuterte, wie die regionale Verwaltungskultur noch von der britischen Kolonialzeit geprägt ist. Die vorherrschende Personalpolitik sieht ein Rotationsprinzip für Beamte vor, das sie selbst nicht beeinflussen können – von der Idee her ein Schachzug gegen Korruption. Leider wird aber zuviel politischer Einfluss auf dieses Rotieren ausgeübt, sodass zentrale Funktionsträger ausgetauscht werden, noch bevor sie auf ihren Posten Wirkung entfalten können. Das blockiert die Verwaltung und verhindert staatliches Handeln – zum Beispiel eine dringend notwendige Reform der pakistanischen Steuergesetzgebung. Debattiert wurden Lösungsansätze für mehr Kontinuität.

Ein anderes Panel widmete sich Genderfragen im Zusammenhang mit politischer Beteiligung. Welche Bedeutung hat das Thema für Pakistan?

In allen Diskussionen zeigte sich, dass die Rolle und Beteiligung der Frauen in der pakistanischen Gesellschaft immer wieder entscheidend ist. Aasim Sajjad Akhtar, Professor für Politik an der Quaid-i-Azam-Universität, die UN-Beauftragte Hadia Nusrat und die Politikwissenschaftlerin Dr. Rubina Saigol haben aus verschiedenen Perspektiven deutlich gemacht, dass mehr politische Teilhabe von Frauen Probleme lösen könnte, etwa in der Gesundheitspolitik und bei der medizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten. Auch für die Armutsbekämpfung ist die Arbeit von Frauen ganz entscheidend, die politischen Diskurse darüber aber sind oft von Männern dominiert. Das erschwert nachhaltige Lösungen.

Ein anderes Entwicklungshindernis ist das enorme Bevölkerungswachstum in Pakistan und der Export von Arbeitskraft. Welche Effekte hat die Arbeitsmigration?

Die großen Wanderungsbewegungen pakistanischer Arbeiter haben volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die Kasseler Professorin Beatrice Knerr verwies im regionalen Vergleich auf viele Formen von Geldflüssen und deren Einfluss auf Ökonomie und Sozialsysteme. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, wie man solche Geldflüsse eigentlich berechnen kann, um die wirtschaftliche Potenz des Landes festzustellen. Denn das Geld wird oft informell in Plastiktüten wieder mit nach Hause gebracht. Nicht zuletzt möchte Pakistan die Finanzströme auch seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 stärker kontrollieren.

Welches Ziel verfolgten die beiden „Early Career Researcher Workshops“ im Rahmen der Konferenzen?

Doktoranden, Postdocs und junge Forscher konnten sich zum einen über DAAD-Programme und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland erkundigen. In den Workshops ging es aber auch um kritisches wissenschaftlichen Denken und Arbeiten. Unsere DAAD-Langzeitdozentin in Islamabad, Dr. Andrea Fleschenberg dos Ramos Pinéu, bietet immer wieder solche Methodenworkshops an, in denen Kritikfähigkeit trainiert wird – nicht im Sinne lautstarker Proteste, sondern als wichtiges Instrument in der Politikwissenschaft. Auch der informelle Austausch mit Dr. Jochen Hippler, einem prominenten Experten für Pakistan, der während der Konferenz zu einem Interview für das pakistanische Fernsehen gebeten wurde, war für die Nachwuchswissenschaftler ein Highlight.

Bettina Mittelstraß (2. April 2014)

Weitere Informationen

Im Juni 2014 werden über das Programm „Good Governance Pakistan“ erneut pakistanische Masterstudierende für eine Studienreise nach Deutschland kommen. 2015 wird der Austausch auch mit weiteren Konferenzen und Wokshops fortgesetzt.