Spürbares Interesse deutscher Hochschulen
DAAD/Ilona Krüger
Die Deutschabteilung der Yangon Universität mit Ilona Krüger (Mitte)
Nach fast 50-jähriger Militärherrschaft hat in Myanmar 2011 mit dem zivilen Präsidenten und früheren General Thein Sein ein gesellschaftspolitischer Wandel eingesetzt. Ilona Krüger, Leiterin des DAAD-Referats Südostasien, heißt in den kommenden Tagen die neue Bildungsministerin und DAAD-Alumna Professor Khin San Yee in Berlin willkommen - und erläutert im Interview, wie der DAAD Myanmar bei seinen Reformen unterstützt.
Frau Krüger, 2010 fanden nach über 20 Jahren die ersten Wahlen in Myanmar statt; Anfang 2011 trat – nach erster Einberufung des nationalen Parlaments – eine neue Verfassung in Kraft. Inwiefern hat sich das Land Ihrer Einschätzung nach seitdem verändert?
Nach den Wahlen hat sich das Land sukzessive geöffnet: Seit Oktober 2011 sind hunderte politische Gefangene entlassen worden, nach und nach wurden Websites im Land freigeschaltet, und auch die Pressezensur hat Präsident Thein Sein gelockert. Insgesamt hat ein Versöhnungsprozess eingesetzt, sodass Dissidenten nach Myanmar zurückkehren konnten. Auch besuchen mittlerweile ausländische Delegationen, Touristen und Investoren das Land – das wäre unter der Militärherrschaft nicht möglich gewesen. Myanmar befindet sich auf dem Weg zur Demokratie, ist aber leider erst am Anfang dieses Weges. Die Präsidentschaftswahlen 2015 werden zeigen, ob das Land die bereits eingeleiteten Demokratieprozesse weiterentwickeln kann.
Der Bildungssektor hat unter dem Militärregime besondere Einschränkungen hinnehmen müssen. Welche Aufgaben hat die neue Bildungsministerin und DAAD-Alumna Khin San Yee zu meistern, die in den kommenden Tagen Deutschland besuchen wird?
Grundsätzlich hat Bildung in der myanmarischen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Das Bildungssystem ist jedoch unterfinanziert und leidet an mangelnden internationalen Kontakten. Durch die Jahrzehnte der Isolation ist der Qualitätsstandard der myanmarischen Hochschulen stark abgefallen und kann im internationalen Vergleich nicht mehr mithalten.
Der Reformprozess in Myanmar hat jedoch zu einem spürbaren Interesse der deutschen Hochschulen an Kooperationsmöglichkeiten in Myanmar geführt. Die Zusammenarbeit wurde bisher allerdings durch die mangelnde Autonomie der myanmarischen Universitäten erschwert. Daran wird erfreulicherweise bereits von den Verantwortlichen gearbeitet. Die Ministerin hat insgesamt sehr umfassende Aufgaben im Schul- und Hochschulwesen vor sich.
Welche Rolle spielt der DAAD beim Wiederaufbau der Hochschulen?
Nach so vielen Jahren der Isolation fehlen Myanmar Fach- und Führungskräfte. Zur Aus- und Fortbildung benötigt das Land gute Dozenten und Hochschulabsolventen – dazu leistet der DAAD Hilfe. Im Vordergrund stehen die Vermittlung von Stipendien und die Unterstützung von Hochschulkooperationen. Der DAAD setzt damit bestehende Arbeit fort: Als einzige außerasiatische Organisation hat der DAAD in Myanmar Studierende und Wissenschaftler durchgängig mit Stipendien gefördert, auch zu Zeiten der Militärherrschaft. Im Rahmen seiner Sur-Place- und Drittlandprogramme bietet der DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auch Stipendien zur Weiterbildung an Exzellenzzentren in der Region Südostasien an.
Der DAAD ist zudem mit zwei Dozenten in Myanmar vertreten.
Ja, sowohl an der University of Yangon, Myanmars wichtigster Universität, im Fachgebiet Geographie, als auch an der University of Foreign Languages (YUFL), der national führenden Universität im Bereich Fremdsprachen. Die Präsenz dieser beiden Dozenten hat dem DAAD in den letzten Jahren eine direkte Beratung von Stipendien- und Studieninteressenten in Myanmar ermöglicht. Darüber hinaus haben deutsche Hochschulen somit Ansprechpartner, die Informationen bieten und Kontakte vermitteln können. 2013 organisierten die DAAD-Dozenten gemeinsam mit der deutschen Botschaft zum ersten Mal in Myanmar sogenannte „German Days“ an den Universitäten in Yangon und Mandalay, zu denen auch deutsche Hochschulvertreter anreisten und über den Studienstandort Deutschland informierten. Zudem studieren an der YUFL zurzeit erstmals auch zwei deutsche DAAD-Stipendiaten ein Jahr lang die Sprache ihres Gastlandes.
Inwiefern unterstützen DAAD-Alumni den Reformprozess ihres Landes?
Der DAAD konnte als einziger europäischer Stipendiengeber ein Netzwerk gut ausgebildeter Alumni in Myanmar heranbilden. Sie haben eine gute Verbindung zu Deutschland und stehen als künftige Partner für den Ausbau von akademischen, entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Kooperationen zur Verfügung. Sehr erfreulich ist, dass 2012 ehemalige Stipendiaten einen ersten DAAD-Alumniverein in Myanmar gegründet haben, der inzwischen offiziell genehmigt wurde. An den DAAD-Informationstagen außerhalb der Hochschulen wirkten die Alumni in diesem Jahr hilfreich mit. Eine erste konstruktive Diskussion über Entwicklungschancen für Myanmar mit DAAD-Stipendiaten und Alumni fand bereits im Juni 2011 im BMZ statt. Auch 2013 führte der vom DAAD veranstaltete „Roundtable“ zu einem regen Gedankenaustausch zwischen DAAD-Alumni, deutschen Hochschullehrern, Vertretern des Auswärtigen Amtes und Diplomaten der Botschaft von Myanmar in Deutschland.
Welche Perspektiven ergeben sich aus dem Besuch der DAAD-Alumna Khin San Yee?
Die Bildungsministerin, zuvor stellvertretende Planungsministerin Myanmars, ist seit Februar 2014 im Amt. Sie hat als Entwicklungsökonomin in Göttingen promoviert und wird bei ihrem Informationsaufenthalt von drei weiteren Verantwortlichen aus dem Bildungswesen des Landes begleitet, die alle auch DAAD-Alumni sind. Khin San Yee plant eine umfassende Erneuerung des Erziehungswesens in Myanmar. Ein Gesetzentwurf ist in Vorbereitung, der dazu beitragen soll, das Bildungswesen schrittweise auf ein höheres regionales und internationales Niveau anzuheben. Sie hat die Einladung der DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland zu einem Informationsaufenthalt in Deutschland auch angenommen, um Ideen und Anregungen für diese Neugestaltung zu gewinnen.
Christina Pfänder (18. Juli 2014)