Voneinander lernen
DAAD
Wirtschaftsinformatiker werden in Kamerun und Namibia dringend gebraucht
Afrika gilt mittlerweile vielen als „Kontinent der Chancen“. Tatsächlich zeigt sich Afrika innovationsfreudig, insbesondere bei neuen Technologien und Studiengängen. Mit seinen neuen "IKT für Afrika"-Maßnahmen fördert der DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Studiengänge, die drängenden Probleme im Umwelt- und Gesundheitsmanagement sowie im Transportwesen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) angehen. Die drei aktuell für das Förderprogramm ausgewählten Studiengänge stellt das DAAD-Online-Magazin in einer Serie vor. In Teil 1: Studieren in Flensburg, Kamerun und Namibia – ein Postgraduierten-Studiengang in Wirtschaftsinformatik ermöglicht seit einem Jahr einen regen Austausch, der zahlreiche Fachkräfte und stabile Netzwerke hervorbringen soll.
Wenn die deutschen Studierenden der Wirtschaftsinformatik an der FH Flensburg von ihren ersten Computern erzählen, geht es meist nur um eines: Wie groß und sperrig die waren, damals, bevor es Notebooks gab. Die Kommilitonen aus Kamerun dagegen greifen in die Hosentasche und zeigen einfach ihr Smartphone. Computer spielen eine große Rolle in dem afrikanischen Staat – aber die Technik spielt sich wie in vielen Schwellenländern meist auf den Mobiltelefonen ab.
„Da können wir von den Afrikanern viel lernen“, sagt Professor Thomas Schmidt, der an der FH Flensburg für das Kooperationsprojekt zuständig ist. Bereits seit 2005 steht die Zusammenarbeit mit Namibia; seit dem vergangenen Jahr bereichert Kamerun das Programm. Schmidt ist begeistert davon, wie vielfältig die Smartphones dort heute bereits eingesetzt werden. Auch das Bezahlen via Handy ist bei seinen afrikanischen Studierenden schon gang und gäbe: „Bei uns sind mit 'mobile banking' noch Überweisungen am Computer gemeint, während in Afrika schon das Guthaben vom einen Handy aufs andere überwiesen wird.“
Auch sein Kollege Emmanuel Chimi vom Institut für Technologie und Management in Kameruns größter Stadt Douala empfindet die Zusammenarbeit als enorme Bereicherung – und jene geht weit über Informatik hinaus. „Wir brauchen einen funktionierenden Staat mit einem glaubwürdigen Rechtssystem und modernen Institutionen, die die Entfaltung der zahlreichen menschlichen und regionalen Potenziale des Landes ermöglichen“, sagt er. „In diesem Zusammenhang ist meiner Meinung nach das föderale Prinzip Deutschlands ein Vorbild für uns.“ Chimi lobt den „Unternehmensgeist und den Fleiß“ der Deutschen, erkennt aber auch scharfsinnig, was ihnen fehlt: „Es sind vor allem Optimismus und Durchhaltevermögen, die Kameruner mit Deutschen teilen können. Trotz der eher materialistischen Entwicklung in Kamerun bleibt das Land überwiegend eine Hoffnungsgesellschaft.“ Eine Gesellschaft, deren Hoffnungen unter anderem im technischen Fortschritt liegen.
Kein „brain drain“
Wirtschaftsinformatiker erschaffen Systeme, die betriebswirtschaftliches Arbeiten steuern. Sie werden häufig in den Bereichen Logistik und Bilanzen eingesetzt. Dort entwickeln und konfigurieren sie unter anderem Systeme, in denen ein Unternehmen nützliche Informationen auswertet: Parameter wie bisherige Nachfrage, Marktsituation und Konkurrenzbeobachtung verdichten sich zu Prognosen, wie viel die Firma in nächster Zeit produzieren sollte.
Aber ein Unternehmen muss nicht groß sein, um die Arbeit eines Wirtschaftsinformatikers in Anspruch zu nehmen. „Selbst ein kleiner Kiosk hat heute ein Kassensystem“, erklärt Schmidt. „Der stellt natürlich keinen eigenen Wirtschaftsinformatiker an, aber er beauftragt einen.“ Deshalb haben die Studierenden gute Chancen, mit dieser Ausbildung in ihrer Heimat Jobs zu finden. „Solche Leute werden dringend gebraucht“, sagt Schmidt. Der Begriff des „brain drain“, also der Abwanderung von Fachkräften in die Industrieländer, erscheint ihm veraltet. Wenn er heute beispielsweise mit Kenianern spräche, sagten ihm die: „Warum sollen wir nach Deutschland kommen? Hier sind wir am Puls der Zeit.“
Emmanuel Chimi sieht seine Studierenden als Aufbauhelfer eines modernen Kamerun. „Das Land wird in den nächsten Jahren sehr viele Informatiker und andere IT-Spezialisten brauchen. Die große Modernisierung und die großen strukturellen Reformen, die die Informations- und Kommunikationstechnologien in anderen Ländern herbeigeführt haben, stehen hierzulande noch aus“, analysiert er. „Dieser Umstand bedeutet schöne Aussichten auf qualifizierte und anspruchsvolle Jobs für unsere Studierenden.“ Umgekehrt ist der afrikanische Markt für Deutschland hochinteressant. „Die Chinesen sind da schon viel weiter als wir. Die Deutschen wollen immer nur nach New York, weil das schicker und sauberer ist als Daressalam“, mutmaßt Thomas Schmidt. Dabei lässt sich in Afrika lernen, wie man mit Kleinstbeträgen Geschäfte macht. „Wir kennen hier fast nur Hochpreisiges. Aber wie verdiene ich Geld mit Leuten, die zwei Dollar am Tag haben und dasselbe wollen wie der durchschnittliche Deutsche? So sind nun einmal in etwa die Einkünfte des Kameruner Mittelstandes.“
Antwort auf die Globalisierung
Emmanuel Chimi sieht seine Studierenden als Aufbauhelfer eines modernen Kamerun. „Das Land wird in den nächsten Jahren sehr viele Informatiker und andere IT-Spezialisten brauchen. Die große Modernisierung und die großen strukturellen Reformen, die die Informations- und Kommunikationstechnologien in anderen Ländern herbeigeführt haben, stehen hierzulande noch aus“, analysiert er. „Dieser Umstand bedeutet schöne Aussichten auf qualifizierte und anspruchsvolle Jobs für unsere Studierenden.“ Umgekehrt ist der afrikanische Markt für Deutschland hochinteressant. „Die Chinesen sind da schon viel weiter als wir. Die Deutschen wollen immer nur nach New York, weil das schicker und sauberer ist als Daressalam“, mutmaßt Thomas Schmidt. Dabei lässt sich in Afrika lernen, wie man mit Kleinstbeträgen Geschäfte macht. „Wir kennen hier fast nur Hochpreisiges. Aber wie verdiene ich Geld mit Leuten, die zwei Dollar am Tag haben und dasselbe wollen wie der durchschnittliche Deutsche? So sind nun einmal in etwa die Einkünfte des Kameruner Mittelstandes.“
Damit der Wechsel flexibel möglich ist, bauen sich die Lehrpläne fast identisch auf. Gleichzeitig gibt es Raum für länderspezifische Besonderheiten: In Deutschland sind die Seminare etwas praxisbezogener, in Kamerun gibt es Brückenkurse für bis dato reine Informatiker, und in Namibia nimmt die polytechnische Universität Rücksicht darauf, dass die meisten der Studierenden tagsüber schon arbeiten und erst am Abend Zeit zur Weiterbildung haben. Die Erkenntnisse, die Thomas Schmidt aus der Zusammenarbeit gezogen hat, beziehen sich auf die Wirtschaftsinformatik, grenzen jedoch an Philosophie. „Unsere Systeme sind so stark durchgetaktet, alles klappt just in time, es gibt kaum Lagerbestände“, sagt er. „Ein solches System gerät beim kleinsten Problem außer Takt. In Afrika programmieren sie viel robustere und fehlertolerantere Systeme.“
Durch die gemeinsamen Studienstrukturen und den dadurch ermöglichten Austausch lernen somit nicht nur kamerunische und namibische Studierende deutsche Technologien kennen. Ebenso erhalten auch Deutsche die Gelegenheit, die Anwendbarkeit ihres erlernten Wissens in neuen Zusammenhängen zu testen.
Julia Bähr (20. Januar 2014)