Zum allerersten Mal
DAAD
Vor der Bonner DAAD-Zentrale: Ursula Toyka-Fuong (vorne, 3. v. l.) begrüßte die nordkoreanische Delegation um Su Chol Kim (vorne, 4. v. l.)
Zehn nordkoreanische Studierende der Germanistik von der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang reisten mit ihren Dozenten für eine vom DAAD organisierte Studienreise nach Berlin und Bonn. Es ist die erste Gruppe so junger, noch nicht graduierter Studierender, die ihr Heimatland verlassen durfte. Nicht zufällig ist Deutschland das Ziel dieser Besuchspremiere: Der DAAD engagiert sich in Nordkorea seit 2001.
„Mein Ziel ist es, eines Tages im Auswärtigen Dienst zu arbeiten“, erzählt der 23-jährige Hae Bom Ryang aus Nordkorea. Dafür studiert er derzeit im sechsten Studienjahr Germanistik an der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang. Er spricht fließend Deutsch und möchte sich in Zukunft für die Verbesserung der deutsch-nordkoreanischen Beziehungen einsetzen. „Das Problem ist, dass auch drei meiner Kommilitonen Außenminister werden wollen – da muss ich mich anstrengen“, fügt er scherzend hinzu.
Hae Bom Ryang gehört zu einer Gruppe junger nordkoreanischer Germanistik-Studierender, die im Juli 2014 zum ersten Mal mit zwei Dozenten ihrer Universität und einem Mitarbeiter des Staatskomitees für Wissenschaft und Technik das Land besuchen durften, das sie zuhause so intensiv studieren. „Es ist wunderbar, das Gelernte aus den Büchern mit eigenen Augen zu sehen und abgleichen zu können“, sagt Hae Bom Ryang, den der Besuch des Deutschen Historischen Museums in Berlin besonders beeindruckt hat. Auch seine 20 Jahre junge Kommilitonin Un Hui Hang ist begeistert: „Am meisten hat mich die Exkursion nach Potsdam und die Besichtigung der Schlösser beeindruckt. Der Anblick deutscher Kultur und Tradition hat sich mir tief eingeprägt.“
Keine Berührungsängste
Die Initiative zu dieser ersten Studienreise nordkoreanischer Germanisten nach Berlin und Bonn ging unter anderem von DAAD-Lektor Albert Brunoni aus, der seit 2011 an der Kim-Il-Sung-Universität Deutsch als Fremdsprache lehrt und an der Universität derzeit 43 Germanistik-Studierende unterrichtet. „Die jungen Menschen gehören zu einer Elite, die ihre beruflichen Ziele oft in der Diplomatie sehen, aber auch im Tourismus, im Wirtschaftsministerium oder als Dolmetscher und Übersetzer arbeiten wollen“, erläutert Brunoni.
Berührungsängste zeigte die 15-köpfige Gruppe während der Reise nicht – schon gar nicht mit deutschen Studierenden der Humboldt-Universität zu Berlin oder der Universität Bonn. Zum Programm der Studienreise zählte nämlich neben zahlreichen Vorlesungen zu deutscher Literatur und Linguistik sowie Führungen und Exkursionen – etwa zur Gedenkstätte Berliner Mauer – auch der Austausch zwischen deutschen und nordkoreanischen Germanisten. „Die Begegnungen waren von Anfang an von sehr lebendigen Gesprächen geprägt – das ist das Schöne an der Mentalität von Studierenden“, freute sich ihr Dozent Su Chol Kim, Leiter des Lehrstuhls Germanistik an der Kim-Il-Sung-Universität. „Wir hoffen, dass wir so eine Studienreise zukünftig mit weiteren Gruppen wiederholen können. Diese Chance motiviert unsere Studierenden sehr, sich im Studium anzustrengen.“ Die einhellige Meinung der nordkoreanischen Studierenden: Die Gespräche mit den deutschen Altersgenossen waren nicht nur wertvolles Sprachtraining, sondern so anregend, dass sie gerne noch länger hätten dauern dürfen. Erstaunt waren sie vor allem über die Neugier und vielen Fragen der Deutschen nach ihrer Heimat. „Da ist die Kommunikation von null auf hundert hochgeschnellt!“, betont Hae Bom Ryang.
„Ein Meilenstein“
Auch Albert Brunoni hofft, dass der erfolgreiche erste Austausch vielleicht eines Tages zur Regel werden kann – gefestigt im Idealfall zum Beispiel durch eine erste germanistische Partnerschaft zwischen dem Institut für Germanistik an der Kim-Il-Sung-Universität und einem deutschen Partnerinstitut, etwa an der Humboldt-Universität. Die Tradition der akademischen Zusammenarbeit reicht weit zurück. Seit 1960 gab es regelmäßigen Austausch über Lektoren zwischen Nordkorea und der DDR. Nach der deutschen Wiedervereinigung und Eröffnung der neuen deutschen Botschaft in Nordkorea im Jahr 2002 waren bisher bereits eine Lektorin und zwei Lektoren in dem sonst abgeschotteten Land.
„Die Möglichkeit dieser Reise war ein Meilenstein für Nordkorea und Deutschland“, sagt Dr. Ursula Toyka-Fuong, die im DAAD die Beziehungen nach Nordkorea seit Jahren betreut. Bislang verfuhr die nordkoreanische Regierung restriktiv mit jüngeren Stipendiaten, berichtet sie, denn man betrachtete die jungen Menschen als besonders „gefährdet“ gegenüber den Eindrücken im kapitalistischen Westen. „Die Genehmigung dieser Reise seitens Nordkoreas ist daher auch Zeichen einer in kleinen Schritten wachsenden Normalität im bilateralen akademischen Austausch.“
Bettina Mittelstraß (4. August 2014)