Globaler Blick auf den internationalen Kunstbetrieb
EKiR
Jems Robert Koko Bi vor seinem Werk "Der Ball der Abgeordneten"
Im Jahr 2013 vertrat er die Elfenbeinküste auf der Biennale in Venedig, und auch auf der letzten Documenta in Kassel waren seine Arbeiten zu sehen: Jems Robert Koko Bi, dessen Masken aktuell in der Bundeskunsthalle Bonn ausgestellt sind, gehört nicht zuletzt dank der Förderung des DAAD zu den renommiertesten Künstlern Westafrikas.
Kunst mit der Kettensäge? Da ist Augenmaß und Sensibilität gefragt. Jems Robert Koko Bi verfügt über beides, wie seine Skulpturen aus Eichenholz belegen: Mund, Augen und Nasen seiner „Kinder von Gorée“ erzählen mit zarten Linien von der Geschichte der Sklaverei in der Heimat des Künstlers; mit seinen sechs erhabenen „Vorfahren“ erinnert er an die Werke seiner Ahnen. Holz dient Koko Bi – der 1966 in einem Waldgebiet in Sinfra an der Elfenbeinküste geboren wurde und auch heute viel Zeit in den Wäldern der Welt verbringt – bei seinem Schaffen nicht als bloßes Material. Mithilfe des Naturstoffs findet er zu seinem einzigartigen künstlerischen Ausdruck: „Menschen und Bäume sind dem Wirken der Zeit ausgesetzt und vereinen die Geschichten ihrer Umgebung in sich“, sagt er. „Wenn ich Holz schnitze, tausche ich mit dem Baum gewissermaßen meine und seine Geschichten aus.“
Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn
Zwei seiner Arbeiten – die „Vorfahren“ sowie „Diaspora II“ – stehen derzeit in der Bundeskunsthalle Bonn im Kontext von 200 Jahren westafrikanischer Kunst. Unter dem Titel „Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste“ präsentiert die Ausstellung bis zum 5. Oktober 2014 rund 200 Meisterwerke von etwa 40 Bildhauern, insbesondere Masken und Skulpturen. Mit seinen Werken entwickelt Koko Bi, der heute in Essen zuhause ist, die ivorische Tradition weiter, hin zu einer globalen Formsprache: „Ich sehe mich als internationaler Künstler“, sagt er. „Meine Arbeiten sind an jeden Menschen auf der Welt adressiert.“
In der zeitgenössischen internationalen Kunstszene genießt Jems Robert Koko Bi einen guten Ruf: Unter anderem in Brüssel, Toronto und Dakar präsentierte der bildende Künstler bisher seine Werke; auch mit Performances erregte er Aufmerksamkeit. Dabei war sein Berufswunsch zunächst ein ganz anderer: Koko Bi studierte spanische Geschichte an der Universität Abidjan und erhielt 1996 nach dem ersten und zweiten Staatsexamen den Befähigungsnachweis für das höhere Lehramt. Gleichzeitig absolvierte er aber auch eine künstlerische Ausbildung am Institut National Supérieur des Arts et de l'Action Culturelle (INSAAC) in Abidjan – und entschied sich im Jahr 1997 mit einem DAAD-Jahresstipendium in der Tasche für die künstlerische Laufbahn.
Vielfältige Erfahrungen
An der staatlichen Düsseldorfer Kunstakademie arbeitete er mit Professor Klaus Rinke, der ihn bereits nach drei Jahren zu seinem Meisterschüler ernannte – so begann seine Karriere in Deutschland. „Das alles habe ich Christiane Heinemann zu verdanken, die sich damals als mit Subsahara-Afrika befasste Sachbearbeiterin für mich eingesetzt hat“, sagt Koko Bi. „Das DAAD-Stipendium hat mir in den Jahren 1997 bis 1999 einen globalen Blick auf den internationalen Kunstbetrieb und den Kontakt zu anderen Kulturen und Denkweisen ermöglicht. Die Erfahrungen, die ich in dieser Zeit sammeln konnte, kommen mir noch heute zugute.“
Auch Christiane Heinemann, die seit dem Jahr 2002 im Ruhestand ist, erinnert sich gerne an „ihren“ Stipendiaten. „Es war ungewöhnlich, einen afrikanischen Künstler unter den Bewerbern zu finden“, erzählt sie. „Mit seinen Arbeiten hat er mein Interesse stark geweckt.“ Noch heute sei es ihr ein Anliegen, afrikanische Kunst zu mehr Popularität zu verhelfen. „Vielleicht gelingt das durch die Werke Koko Bis“, sagt Christiane Heinemann. Darüber hinaus machten die Arbeiten mit ihren dahinter stehenden Geschichten die afrikanische Mentalität erfahrbar: „Das hat mir für meine eigene Arbeit mit anderen afrikanischen DAAD-Stipendiaten sehr geholfen“, sagt Heinemann.
Dass die afrikanische und europäische Kultur zum gegenseitigen Austausch einlädt, machen auch die in der Bundeskunsthalle Bonn ausgestellten historischen Masken aus Westafrika deutlich: Insbesondere die europäischen Künstler des Kubismus und Expressionismus fanden in deren Formsprache ihre Inspiration. „Die traditionelle afrikanische Kunst war eher funktional auf bestimmte Riten ausgerichtet“, erklärt Koko Bi. In einer immer stärker global vernetzten Welt fällt es dem DAAD-Alumnus jedoch schwer, überhaupt noch von Traditionen zu sprechen: „In ihrem Blick auf die Welt nähern sich die Künstler immer weiter an – nur das jeweilige Gefühl bleibt individuell“, sagt er. „Moderne afrikanische Kunst ist äußerst vielfältig und oftmals das Produkt einer jeweils persönlichen Realität.“
Christina Pfänder (15. September 2014)