Eine Eintrittskarte für Russland

DAAD

Teilnehmende des Programms in Moskau

Die Karrieremöglichkeiten im größten Flächenland der Welt erschließen sich bereits dem dritten Jahrgang des DAAD-Praktikumsprogramms "Russland in der Praxis". Von der Wirtschaft wird das Programm dankbar angenommen und trotz politischer Krise nun sogar ausgeweitet.

Kurz vor ihrem Abflug nach Russland, erinnert sich die 21-jährige Katharina, habe ihr Vater dann doch begonnen, sich Sorgen zu machen; schließlich steht es um das politische Verhältnis zwischen Russland und Deutschland derzeit nicht zum Besten. Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt machte sich die Studentin des „Internationalen Hotelmanagements“ auf den Weg nach Osten, um die russische Berufswelt im Rahmen des DAAD-Programms „Russland in der Praxis“ zu erkunden. Vielleicht aber war der Zeitpunkt für den Praktikumsbeginn im Oktober 2014 sogar ideal gewählt. Davon zeigt sich jedenfalls Natalia Guseva überzeugt. Die Professorin an der renommierten Moskauer Hochschule „Higher School of Economics“ (HSE) sieht die Krise auch als Chance, die Konkurrenz beim Neueinstieg sei geringer: „Wir nennen das die Eintrittskarte für den russischen Markt. Die war in guten Jahren lange nicht so günstig wie heute.“ Das gelte auch für nach wie vor hoch gefragte internationale Fachkräfte: „Die Russen schätzen es sehr, wenn in schwierigen Zeiten junge Studenten zu ihnen ins Land kommen und sich nicht abschrecken lassen.“

Einführungswoche in Moskau

Auf was ansonsten noch in der russischen Arbeitswelt Wert gelegt wird, das vermittelte Guseva den 36 Teilnehmern des diesjährigen Praktikumsjahrgangs für das Wintersemester in einer Einführungswoche in Moskau. Auftretende Probleme in der interkulturellen Kommunikation, das wird in der Gruppenarbeit deutlich, lassen sich sehr häufig auf unterschiedliche Wertvorstellungen zurückführen. Wer das berücksichtigt, kann kreative Lösungen finden.

Gleich nach der Einführungswoche beginnt für die Praktikanten das Eintauchen in die russische Arbeitswelt. Praktikumsgeber sind größtenteils deutsche Firmen in Russland, aber auch andere Mitglieder der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK). Entstanden ist das Programm vor zwei Jahren aus einem Bedarf der Wirtschaft heraus, erklärt Ljuba Konjuschenko, Koordinatorin für den DAAD. Es fehlten einfach Fachkräfte mit Russland-Erfahrung. Sowohl Unternehmen als auch Praktikanten äußerten sich hoch zufrieden mit den ersten beiden Durchläufen von „Russland in der Praxis“. Fünf ehemalige Praktikanten konnten bereits Arbeitsverträge bei ihren Unternehmen unterzeichnen – sowohl in Russland als auch in Deutschland. Und so wird das Programm, das neben AHK, HSE und DAAD von der Deutschen Botschaft in Moskau unterstützt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird, im dritten Jahr seines Bestehens ausgeweitet: Bewerbungen sind nun sowohl für das Winter- als auch für das Sommersemester möglich.

Auch Zuschüsse für Sprachkurs

Ein monatliches Stipendium von 900 Euro erhalten die Praktikanten während des Programms, dazu einen Reisekostenzuschuss und notwendige Versicherungen. Auch Zuschüsse für einen Sprachkurs sind möglich. Viele der Teilnehmer allerdings kommen nach Moskau bereits mit Vorerfahrungen im Russischen, für einige ist es die zweite Muttersprache.

Zu ihnen zählt der 26-jährige Victor, Bachelorstudent der Soziologie und Psychologie aus Jena. Geboren wurde Victor noch zu sowjetischen Zeiten in Almaty, der größten Stadt des heute unabhängigen Staates Kasachstan. Er wuchs in einem deutschstämmigen, aber russischsprachigen Elternhaus auf und siedelte mit seiner Familie schon als Kind nach Deutschland über, wo er schnell Deutsch lernte. Heute hat Victor das Gefühl, sein Russisch habe „in letzter Zeit sehr gelitten“. Das Praktikum in Russland ist für den Studenten eine Gelegenheit, die Sprachkenntnisse aufzufrischen und gleichzeitig die russische Kultur besser kennenzulernen, die ihm zu Beginn seines Aufenthalts noch manchmal paradox erscheinen will: „Einerseits lernen wir ja hier im Seminar, dass man in Russland viele Probleme im persönlichen Gespräch lösen kann. Andererseits scheint mir hier alles viel bürokratischer als in Deutschland. Das kann ich mir nicht erklären.“ Mit einer mehrköpfigen Praktikantengruppe tritt Victor nach Abschluss der Einführungswoche eine Reise ins südlich von Moskau gelegene Kaluga an, wo die OOO Volkswagen Group Rus eine Produktionsstätte aufgebaut hat. Der Student der Sozialwissenschaften wird dort im Personalwesen tätig sein – für ihn ein Schritt, „um meinen Horizont zu erweitern, damit ich vielleicht in naher Zukunft weltweit arbeiten kann“.

Dienstreisen durch ganz Russland

Im Gegensatz zu Victor bleibt der 28-jährige Johannes auch nach der Einführungswoche in der Millionenmetropole Moskau. Sein Traumpraktikum hat der Student der Wirtschaftsingenieurwissenschaften bei einem Beratungsunternehmen ergattert. Die Tätigkeit bringt Dienstreisen durch ganz Russland mit sich. Johannes freut sich, das ihm bisher vollkommen unbekannte Land kennenzulernen: „Schon zwei Wochen nach Praktikumsbeginn soll es in die westsibirische Stadt Tjumen gehen.“ Der erste Eindruck von Russland ist für Johannes besser als erwartet: „Wir hatten Geschichten von Wohnheimen mit Kakerlaken gehört. Das ist aber überhaupt nicht so, das Wohnheim ist supersauber und auch Moskau ist sauberer und schöner als ich dachte.“ Und auch die angehende Hotelmanagerin Katharina konnte ihren besorgten Vater nach ihrer Ankunft schnell beruhigen: „Wir sind ständig in Kontakt über Telefon, über Skype, und ich habe meinen Eltern die ersten Sorgen genommen weil ich mich wirklich gut eingefunden habe.“

Robert Kalimullin (13. Oktober 2014)

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"Russland in der Praxis"