Für ein religiöses Miteinander der Offenheit und Toleranz
IIT Osnabrück
Ibrahim Salama (Mitte) mit Kollegen und Studierenden vor dem Felsendom in Jerusalem
Wie gehen Gesellschaften, die mehrheitlich einer Religion angehören, mit dem "religiös Anderen" um? Im Kooperationsprojekt "Theologie der Pluralität und Toleranz" der Universität Osnabrück und der Al al-Bayt Universität in Jordanien tauschen sich junge islamische Theologen über den Umgang mit religiösen Minderheiten aus. Gefördert wird der vielversprechende Gedankenaustausch im Rahmen des DAAD-Programms "Hochschuldialog mit der islamischen Welt".
Von Niedersachsen nach Israel und wieder zurück: Der islamische Theologe Dr. Ibrahim Salama ist begeistert und inspiriert aus Jerusalem an das Institut für Islamische Theologie (IIT) an der Universität Osnabrück zurückgekehrt. „Es ist eine Bereicherung, die drei Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum vor Ort im Umgang miteinander zu erleben“, sagt der gebürtige Ägypter. „Der ständige Perspektivwechsel ist eine wichtige Chance für unser deutsch-jordanisches Projekt ‚Theologie der Pluralität und Toleranz’.“
Dialog über Grenzen hinweg
Das von Professor Bülent Uçar, dem Direktor des ITT, geleitete Dialogprojekt zwischen Osnabrück und der jordanischen Al al-Bayt Universität in Al-Mafraq geht mit wissenschaftlichem Blick an die Grenzen, die nicht nur zwischen den Weltreligionen sondern auch zwischen einzelnen Gruppen innerhalb der Religionen in verschiedenen Gesellschaften bestehen.
Die Al al-Bayt Universität ist für die Osnabrücker Theologen ein wertvoller wissenschaftlicher Partner, der sich schon lange im interreligiösen Dialog engagiert. Inka Löck, beim DAAD zuständig für das Programm Hochschuldialog mit der islamischen Welt, ist überzeugt: „Über den Hochschuldialog zwischen den in Deutschland neu gegründeten Zentren für Islamische Theologie wie dem IIT lassen sich wertvolle Brücken in die arabische Welt bauen.“ Die Universität Osnabrück bildet gemeinsam mit der Universität Münster eines der vier Zentren für islamische Theologie, die von der Bundesregierung gefördert werden; weitere Zentren sind an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Tübingen sowie in Kooperation der Universitäten Frankfurt und Gießen entstanden.
"Theologische Fundierung des toleranten Umgangs"
Die Vielschichtigkeit des Islams prägt die Arbeit des Osnabrücker IIT grundlegend. So formuliert das Institut einen Anspruch, gemäß dem „die unterschiedlichen Strömungen des Islams in Deutschland mit ihrer Lebenswirklichkeit angemessen vertreten und in einen Austausch gebracht werden sollen“. Diese Offenheit für religiöse Vielfalt spiegelt sich auch in der konkreten Kooperation mit der Al al-Bayt Universität: „Die wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema Toleranz ist in unserem Projekt beiden Partnern wichtig“, betont Dr. Kathrin Klausing, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IIT. „Es geht nicht nur um die gegenseitige Bekräftigung des guten Willens, sondern auch um eine theologische Fundierung des toleranten Umgangs mit dem jeweils religiös Anderen“.
Jordanien mit seiner mehrheitlich muslimischen Gesellschaft hat eine lange Geschichte religiöser Vielfalt. „Die Al al-Bayt Universität bindet erstmals auch Vertreter der christlichen Minderheitsreligion als Lehrende in die Curricula für islamische Theologen mit ein“, berichtet Kathrin Klausing – ein wichtiger Ansatz für den objektiven Zugang zu den anderen im Land vertretenen Religionsgemeinschaften. „Wissenschaftliche Objektivität im Zusammenhang mit der Vielfalt von Religionen kann nur entstehen, wenn man die Anderen zu Wort kommen lässt“, ergänzt Ibrahim Salama. Beide Wissenschaftler koordinieren im DAAD-geförderten Kooperationsprojekt den Austausch von Studierenden und organisieren auch gemeinsame Workshops. Vier Wochen besuchen deutsche Studierende ihre Kollegen in Jordanien und umgekehrt. Ein umfangreiches Besuchsprogramm bei Vertretern und Institutionen anderer Religionsgemeinschaften ergänzt die Auseinandersetzung um Toleranz im Kontext der islamischen Theologie. Dabei geht es auch um Genderfragen, um die generelle Anerkennung von Minderheiten, um Gleichberechtigung und rechtliche Gleichstellung.
„Während dieses Kulturaustauschs lernen wir sehr viel mehr voneinander als zuvor vermutet“, meint Ibrahim Salama und betont die Chancen des offenen Gesprächs. In Deutschland gelingt beispielsweise auch der Dialog der jordanischen Kollegen mit Vertretern der jüdischen Religion in der Osnabrücker Synagoge einfach und unkompliziert. „Das Projekt bietet dort Chancen zu einem offenen toleranten Miteinander, die sich im arabischen Raum durch die angespannte politische Situation weniger leicht ergeben können“, sagt Salama. Umgekehrt erfahren die deutschen Studierenden in Jordanien eine muslimische Mehrheitsgesellschaft, die im Umgang mit religiösen Minderheiten mehr Erfahrungen hat als die mehrheitlich christliche deutsche Gesellschaft im Umgang mit Muslimen. „So schaffen wir gerade für die deutsche Gesellschaft einen fruchtbaren Austausch, der die verschiedenen Erfahrungswerte zusammenbringt“, sagt Inka Löck.
Aus- und Weiterbildung von Imamen
Ein weiterer zentraler Punkt des Austauschs ist die gemeinsame Aus- und Weiterbildung von Imamen. „Die Aufgabenfelder sind für Imame in Deutschland und Jordanien völlig andere“, erklärt Kathrin Klausing. In der jordanischen Gesellschaft steht ihre Aufgabe als Vorbeter und damit eine auf rein theologische Inhalte ausgerichtete Ausbildung viel stärker im Vordergrund. In Deutschland treten Gemeindemitglieder außerdem mit allen praktischen und seelischen Sorgen an Imame heran, so Klausing. „Wie wir diesem Aufgabenfeld mit einer passenden Weiterbildung an einer deutschen Universität begegnen können, lernen wir auch durch den Dialog mit den jordanischen Kollegen.“ Ein Dialog, der in mehrfacher Hinsicht weitergehen soll: Das deutsch-jordanische Kooperationsprojekt will seine internationalen Kontakte und das Netzwerk im Nahen Osten ausbauen und strebt eine Zusammenarbeit mit der palästinensischen Al-Quds-Universität in Ost-Jerusalem an. Ein „Memorandum of Understanding“ hat Ibrahim Salama schon unterzeichnet.
Bettina Mittelstraß (20. Oktober 2014)
Weiterführende Links
Weitere Artikel der Serie "Chancengerechtigkeit in Bildung und Wissenschaft"
- ''Jeder muss Zugang zu Bildung haben''
- Neue Wege
- Wege zur inklusiven Gesellschaft
- Für ein selbstbestimmtes Leben
- Mit Rechtsmedizin gegen die Dunkelziffer
- ''Ich fühle mich in meiner Mission bestärkt''
- Kultur der Ermutigung
- Neue Chancen und Rechte für Frauen und Kinder
- Stadtplanung aus sozialwissenschaftlicher Sicht