Mitbürger auf Zeit, Botschafter für die Zukunft

DAAD

Im Gespräch: Hanan Badr, Oleksandra Petrova, Ulrich Grothus, Michelle Müntefering und Andreas Görgen (v.l.n.r.)

Bei einem feierlichen und fröhlichen Begrüßungstreffen wurden 500 internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten des DAAD in der Berliner Humboldt-Universität willkommen geheißen. Persönliche Fortentwicklung durch Bildung, aber auch die gesellschaftliche Verantwortung der Geförderten für ihr Heimatland standen im Mittelpunkt des Treffens.

„Wir wollen junge, kluge Menschen nach Deutschland holen, um die Netzwerke der Zukunft zu bauen, denn die globalen Themen können nur in internationaler Zusammenarbeit gelöst werden“, betonte DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland in ihrer Begrüßungsansprache im Audimax der Universität. Man merkte ihr – wie auch allen anderen Rednerinnen und Rednern – die Begeisterung für den Elan und die Energie des jungen internationalen Publikums im Saal an. Die Generalsekretärin appellierte an die Stipendiaten ausdauernd zu lernen, aber auch Freundschaften zu schließen und Deutschland und seine Nachbarländer auf Reisen zu entdecken.

800 internationale DAAD-Stipendiatinnen- und Stipendiaten studieren derzeit an den Berliner und Brandenburger Hochschulen; 600 haben im Wintersemester 2014/15 neu begonnen. Allein 150 Stipendiaten absolvieren an der Berliner Humboldt-Universität ein Master- oder Promotionsstudium. Die meisten kommen aus Mexiko, der Russischen Föderation, den USA, Ägypten und Brasilien. Alle trügen stark zur Internationalisierung der Universität bei und machten den Austausch auf internationaler Ebene erst möglich, sagte der Präsident der Humboldt-Universität, Professor Jan-Hendrik Olbertz, bei der Begrüßung. Er hob die Rolle des DAAD als „einmalige Mittlerorganisation“ hervor.

Politischer und gesellschaftlicher Wandel

Wie groß das Spannungsfeld zwischen der persönlichen Weiterentwicklung und dem gesellschaftlichen Anspruch an die Teilnehmer des Stipendienprogramms ist, wurde bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Träger des Wandels – Wandel durch Austausch. Junge Akademiker und ihre Rolle in der Gesellschaft“ deutlich. Der stellvertretende Generalsekretär Ulrich Grothus betonte in seiner Moderation, dass viele der vom DAAD geförderten Stipendiaten aus Ländern stammen, die vom politischen und gesellschaftlichen Wandel besonders stark betroffen sind. Viele stoßen später positive Veränderungen in ihren Heimatländern an. Wie aber profitieren sie ganz konkret von den Erfahrungen in Deutschland?

Eindrucksvoll berichtete Dr. Hanan Badr aus Ägypten, die an der Universität Erfurt mit einem DAAD-Stipendium promoviert hat, von ihren Erfahrungen. Sie lehrt heute Kommunikationswissenschaften an der Universität Kairo. Das Wichtigste war für sie, als Sozialwissenschaftlerin in Deutschland die Freiheit in der Wissenschaft kennengelernt zu haben. Heute sieht sie sich in ihrer Rolle als Kommunikationswissenschaftlerin als Vorbild. Durch den Dialog mit ihren Studierenden will Hanan Badr demokratische Rechte vermitteln – auch wenn das aufgrund der schwierigen Situation im Land immer wieder ein Spagat ist. Sie hat beobachtet, wie stark der Wandel in Ägypten auch ihre Journalistikstudierenden prägt. „Sie haben heute mehr Erwartungen an ihre Dozenten, fordern ihre Rechte ein und wollen gehört werden“, sagt sie.

Dass man beim Studium in Deutschland kritische Positionen einbringen kann, schätzt auch die 20-jährige Ukrainerin Oleksandra Petrova. Sie studiert im dritten Semester Politikwissenschaften am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin – versehen mit einem Stipendium für die besten Absolventen Deutscher Auslandsschulen. Eine engagierte deutsche Lehrerin an ihrer Schule habe sie dazu gebracht, sich für Politik und politische Systeme zu interessieren. Später will sie in ihrem Heimatland ihre Erfahrungen aus Deutschland als politische Journalistin und auch als Politikerin einbringen. Dabei ist es für sie wichtig, dass die "Ukraine ihren eigenen Weg entwickelt".

"Botschafter Deutschlands"

Den Wert eines Auslandsstudiums brachte in der Diskussion die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, Mitglied im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, auf den Punkt: "Man lernt viel über sich selbst, wenn man in einem Land Bürger auf Zeit ist." Sehr lebendig berichtete sie zudem von ihren Erfahrungen als junge Politikerin der Jusos im nordrhein-westfälischen Herne: Um die Welt zu verbessern, müsse man vor der eigenen Haustür anfangen. Dr. Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, betonte die wichtige Rolle der Stipendiaten. Viele von ihnen würden zu „Botschaftern Deutschlands“ werden. Er gab ihnen mit auf den Weg, das Beste aus ihrem Aufenthalt für sich und ihr Land zu machen.

Die ägyptische Kommunikationswissenschaftlerin Hanan Badr weiß sehr genau, welche Verantwortung sie trägt, wenn sie den Wandel in ihrem Heimatland mitgestalten will: "Ich habe mich durch meine Zeit in Deutschland sehr verändert. Aber auch mein Land ist nicht mehr dasselbe."

Kerstin Schneider (11. November 2014)