Ladislao-Mittner-Preis 2014: „Deutschland ist mein erster Bezugspunkt“

DAAD

Laura Anna Macor (l.) mit der Ko-Preisträgerin Francesca Iannelli

Die Epoche der Aufklärung möchte Dr. Laura Anna Macor, Mittner-Preisträgerin 2014, in ihrem ganzen Spektrum ergründen. Im Interview mit  „DAAD Aktuell“ erzählt die habilitierte Philosophin von ihrer umfassenden Forschung, die sie im Dezember als DAAD-Stipendiatin für einen Monat nach Göttingen führt.

Frau Dr. Macor, Paris, London, Oxford – Sie haben bereits zahlreiche internationale Erfahrungen gesammelt. Welche Rolle spielt Deutschland für Ihre Forschung?

Laura Anna Macor: Deutschland ist für mich wie eine zweite Heimat. Schon als Kind habe ich jeden Sommer in Deutschland und Österreich verbracht: Meine Mutter, die in Südtirol aufgewachsen ist, legte viel Wert darauf, dass ich Deutsch spreche und die deutsche Kultur kennenlerne. Später bin ich als Studentin, Doktorandin und Postdoc für meine wissenschaftliche Arbeit nach Eichstätt in Bayern und Stuttgart gereist. Da ich mich bis heute mit Autoren und Philosophen wie Hölderlin, Schiller, Kant und Fichte beschäftige, ist Deutschland noch vor den angelsächsischen Ländern mein erster Bezugspunkt – wissenschaftlich und persönlich. Auf meinem Gebiet ist die deutsche Forschung weltweit führend. Für Tagungen und zur Recherche besuche ich deshalb regelmäßig deutsche Universitäten, Bibliotheken und Archive.

Die deutsche Aufklärung, die Philosophie Immanuel Kants und der deutsche Idealismus bilden den Schwerpunkt Ihrer Arbeit an der Universität Padua. Mit welchen Themen setzen Sie sich aktuell auseinander?

Im Grunde geht es mir immer um die gesamte Epoche der Aufklärung. Zuletzt habe ich mich in diesem Kontext intensiv mit der „Bestimmung des Menschen“ beschäftigt. Auch eher unbekannte Autoren, Philosophen und Theologen haben eine Antwort auf diese grundlegende Frage der menschlichen Existenz geliefert, die ich jeweils in die Chronologie der deutschen Aufklärung einordne. Zudem forsche ich zu dem Poeten und Philosophen Friedrich Schiller. Hier interessieren mich insbesondere seine anthropologischen und moralphilosophischen Arbeiten. Bislang wurden seine philosophischen Bemühungen nur als Reaktion auf die Philosophie Kants angesehen. Ich aber habe gezeigt, dass Schiller insbesondere in seiner Jugend – bevor er Kant rezipierte – eigenständige philosophische Thesen entwickelt hat.  

Immer wieder sprengen Sie mit Ihrer Arbeit die Grenzen Ihres Fachs – was reizt Sie daran?

Ich beschäftige mich gerne mit interdisziplinären Themen, da die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts einen wesentlichen Dialog mit der Theologie, Literatur und Sprachgeschichte geführt hat. Meiner Ansicht nach ist es schwierig, Kants Philosophie zu verstehen, ohne sich gleichzeitig beispielsweise mit Johann Joachim Spalding und Friedrich Schiller auseinanderzusetzen – und umgekehrt. Die Spezialisierung unserer heutigen Wissenschaft bringt natürlich viele Vorteile mit sich, aber ich rate dennoch jedem Forscher, die einzelnen Disziplinen nicht unabhängig voneinander zu betrachten.      

In diesem Jahr wurden Sie von der Agenzia Nazionale di Valutazione del Sistema Universitario e della Ricerca (ANVUR) zur Professorin in den Bereichen Moralphilosophie und Geschichte der Philosophie habilitiert. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Zunächst werde ich im Dezember meinen DAAD-Forschungsaufenthalt in Anspruch nehmen, der mit dem Mittner-Preis verbunden ist. Ich reise nach Göttingen und werde dort gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern an einem großen Projekt über Tugend und Moralphilosophie im 18. Jahrhundert arbeiten. Im Januar geht es gleich weiter nach England. Dort habe ich die Möglichkeit, als Marie-Curie-Stipendiatin der Europäischen Union für zwei Jahre an der University of Oxford zu lehren und zu forschen – meine Monografie über den jungen Schiller hat im angelsächsischen Raum viel Aufmerksamkeit erregt. In Großbritannien werde ich meine Arbeiten zu deutschen Themen fortsetzen und damit den deutsch-italienischen Dialog weiter unterstützen. Zudem möchte ich auch in Oxford für die Idee der Interdisziplinarität werben. 

Interview: Christina Pfänder (25. November 2014)

Weitere Informationen

Der Ladislao-Mittner-Preis

Im Jahr 2002 rief der DAAD einen Preis für italienische Deutschlandstudien ins Leben. Seitdem wird der Ladislao-Mittner-Preis jährlich in wechselnden Disziplinen an einen Wissenschaftler aus Italien vergeben, der mindestens ein herausragendes Werk mit Deutschlandbezug veröffentlicht hat. Im November 2014 wurde der Preis an zwei Wissenschaftlerinnen im Fach Philosophie verliehen. Er ist mit 5.000 Euro sowie einem Stipendium für einen einmonatigen Forschungsaufenthalt in Deutschland dotiert und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Dr. Francesca Iannelli, die zusammen mit Dr. Laura Anna Macor ausgezeichnet wurde, stellt „DAAD Aktuell“ demnächst mit einem weiteren Interview vor.

„Premio Ladislao Mittner“

Blog von Laura Anna Macor