Zwischen nationalen Strukturen und globaler Verantwortung
DAAD
Im Gespräch (v.l.n.r.): Dr. Sybille Hinze (Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung), Prof. Dr. Christine Musselin (Sciences Po), Dr. Ulrike Albrecht (Alexander von Humboldt-Stiftung), Botschafterin Dr. Susanne Wasum-Rainer, Prof. Dr. Bernhard Eitel (Universität Heidelberg) und Prof. Dr. Patrice Neau (Deutsch-Französische Hochschule)
Raus aus den nationalen Grenzen, rein in den grenzüberschreitenden Austausch: Ein von der DAAD-Außenstelle Paris erstmals ausgerichteter deutsch-französischer Forscherdialog brachte prägende Persönlichkeiten beider Wissenschaftsszenen zusammen. Das führte zu anspruchsvollem fachlichen Austausch und einer differenzierten Diskussion über die Chancen der Internationalisierung.
Global denken, lokal handeln – dieser Grundsatz gilt auch für Wissenschaftler. Wissensproduktion kennt keine nationalen Grenzen. Doch geerdet sind Forscher überwiegend in nationalen Strukturen, die ihnen den Rahmen setzen. Zugleich wird von der Wissenschaft erwartet, dass sie auch organisatorisch diese nationalen Grenzen überwindet – durch Kooperationen, „Lab-Sharing“ oder internationale Projekte. Ein deutsch-französischer Forscherdialog, veranstaltet von der DAAD-Außenstelle Paris, widmete sich dieser Thematik unter der Überschrift „Wissenschaft zwischen nationalen Strukturen und globaler Verantwortung“. „Die Originalität der Veranstaltung liegt darin,“ unterstrich Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des DAAD, „dass sie in Paris tätige deutsche und französische Forscher zu einem interdisziplinären Dialog zusammenführt. Dies ist nur in einigen wenigen Weltstädten möglich, die zahlreiche deutsche Forscher für temporäre oder dauerhafte Aufenthalte anziehen.“
Rechtsvergleiche und Annäherungsprozesse
Im Mittelpunkt der Tagung, die in den Räumen der Deutschen Botschaft stattfand, standen Forschungspanels, die Beispiele für fruchtbare deutsch-französische Wissenschaftskooperationen mit internationalen Bezügen lieferten. Vorgestellt wurde unter anderem ein von der Deutsch-Französischen Hochschule gefördertes Doktorandenkolleg, das die Universitäten Paris 1 Panthéon-Sorbonne und die Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer zum Thema „Rechtsvergleich“ eingerichtet haben. Denn, so Professor Karl-Peter Sommermann, der Rechtsvergleich „wird heute eine Notwendigkeit im Alltag“. Vor allem, weil EU-Gesetzgebung zunehmend nationales Recht ablöst, etwa im Wirtschafts-, Umwelt- oder Sozialrecht. Doch widmet man sich in dem Kolleg – an dem sich mittlerweile auch die Universitäten in Straßburg und Freiburg beteiligen – auch grundlegenden Fragen. Scheinbar allgemeingültige Begriffe wie „Rechtsstaatlichkeit“ oder „Demokratie“ zum Beispiel bedeuten in Deutschland und Frankreich nicht dasselbe. Im Kolleg macht man sich daher die Mühe, die national bedingten Konnotationen dieser Begriffe zu beschreiben.
In einem weiteren Panel stellten Dr. Corine Defrance, Forscherin am „Centre national de la recherche scientifique“, und Kollegen aus den Universitäten Mainz und Grenoble ein multinationales Projekt zum Thema „Zivilgesellschaften und der Prozess der Annäherung in Europa“ vor. Ins Blickfeld rückten dabei eine beispielhaft bewältigte Annäherung – zwischen Deutschland und Frankreich – und eine, die noch große Hürden zu überwinden hat, die zwischen Griechenland und der Türkei nämlich.
„Jede Einrichtung hat ihr eigenes Profil“
Zwei hochkarätig besetzte Gesprächsrunden umrahmten diese Einblicke in konkrete Forschungsarbeit. Zentrale Themen dabei: Forschung im Geflecht nationaler, europäischer und globaler Strukturen sowie Chancen und Risiken international mobiler Forscherkarrieren. Vor einer allzu programmatischen Internationalisierung von Forschung warnte Professor Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg. Wissenschaft sei „per se international“, sonst sei sie gar nicht „konkurrenzfähig“. Die Internationalisierung von Forschungseinrichtungen hingegen müsse mit konkreten Zielen verknüpft werden: „Jede Einrichtung hat ihr eigenes Profil.“ Professor Michael Werner, Direktor des Deutschlandzentrums CIERA, zeigte sich skeptisch gegenüber dem Postulat von globaler Verantwortung der Wissenschaft. Der einzelne Wissenschaftler sei vor allem „für die Einhaltung des Prinzips der Wahrheitsfindung verantwortlich“. Professor Barthélemy Jobert, Präsident der Universität Paris-Sorbonne, appellierte an die Verantwortlichen in den Hochschulen, die gesellschaftliche Relevanz ihrer Arbeit besser deutlich zu machen. So sollten Universitäten stärker mit den Medien zusammenarbeiten, um eine größere Resonanz in der Öffentlichkeit zu erzielen.
Der Forscherdialog wurde von allen Seiten als zukunftsweisend begrüßt. Christiane Schmeken, Leiterin der DAAD-Außenstelle Paris, bilanziert zufrieden: „Der ,deutsch-französische Forscherdialog‘ soll fortgesetzt werden. Ziel ist es, gemeinsam das Entwicklungspotenzial bilateraler Forschung auszuloten. Was die Formate angeht, möchte ich noch stärker auf Interaktion aller Beteiligten setzen.“
Mathias Nofze (4. Dezember 2014)