Vom Lektorat in eine internationale Zukunft
DAAD / Eric A. Lichtenscheidt
Beim Sommertreffen in Bonn kommen jährlich rund 230 Lektoren zusammen
Bis zu fünf Jahre verbringen die Lektoren des DAAD an einer Hochschule im Ausland. Dort organisieren sie Projekte für den interkulturellen Dialog, unterrichten und informieren über Stipendien. Und dann?
Seit 1953 entsendet der DAAD mit seinem Lektorenprogramm Botschafter der deutschen Sprache ins Ausland. Rund 500 Lektoren, gefördert aus Mitteln des Auswärtigen Amts, sind gegenwärtig an Hochschulen in über 110 Ländern für den DAAD tätig. Für viele ist diese Zeit im Ausland prägend; nicht alle von ihnen wollen nach Deutschland zurückkehren. Manche haben in ihrem Gastland eine Familie gegründet. Doch was werden sie beruflich machen, wenn das Lektorat zu Ende ist?
Eine bisher unveröffentlichte Statistik hat am Beispiel der Frankreich-Lektoren ihre Berufsperspektiven untersucht. Die Ergebnisse: Knapp 60 Prozent kehrten direkt im Anschluss an das Lektorat nach Deutschland zurück; vier Prozent gingen in ein drittes Land. Arbeitslos war zum Zeitpunkt der Befragung niemand. Mit 55 Prozent arbeitet die Mehrheit überwiegend im Bereich Wissenschaft und Forschung. Fast ein Fünftel konnte in den folgenden Jahren eine Professur ergattern – entweder in Deutschland oder in Frankreich selbst.
Internationale Konferenzen als Sprungbrett
Eine von ihnen ist Stephanie Schwerter. Die 41-Jährige war bereits fünf Jahre für den DAAD in Irland, ehe sie nach einem kurzen Gastspiel in Leipzig 2008 nach Paris zog. Ihr Studium der Anglistik und Komparatistik hatte sie sprachlich flexibel gemacht: Englisch, Französisch und Russisch beherrscht Schwerter. Bereits in Irland hatte sie ihre Doktorarbeit geschrieben; in Paris folgte die Habilitation. „Meistens nachts und am Abend, das ging irgendwie nebenbei“, sagt sie und empfiehlt jedem, die Zeit im Ausland für solche zusätzlichen Qualifikationen zu nutzen.
Der DAAD zahlt seinen Lektoren die Reisekosten, wenn sie auf Konferenzen Vorträge halten. Das war Schwerters großes Glück, denn dadurch konnte sie sich von den französischen Kollegen abheben. „Dafür werde ich ewig dankbar sein“, sagt sie. „Ich konnte mir ein internationales Netzwerk aufbauen. Bei meinen Bewerbungen waren alle erstaunt, wie viel ich gereist bin.“ In Frankreich werden alle Universitätsstellen im Mai vergeben. 2013 bewarb Schwerter sich noch vergebens. Seit dem 1. September 2014 ist sie nun Professorin für britische Literatur an der Universität Valenciennes.
Wer etwas Zeit braucht, um sich nach dem Lektorat eine neue Existenz aufzubauen, kann das Überbrückungsgeld des DAAD und, wer mehr als drei Jahre im Ausland war, ein Rückkehrstipendium beantragen. Bis zu zwölf Monate werden ehemalige Lektoren, die in Übersee waren, so weiterhin unterstützt, dürfen aber bereits für andere Institutionen arbeiten.
Chancen in vielen Branchen
Auch Petra Niefind, die fünf Jahre in der Elfenbeinküste tätig war, nutzt dieses Stipendium. Es gibt eine Kooperation ihrer ivorischen Universität mit der Romanistik der RWTH Aachen, über die sie mit den Zuständigen in Aachen in Kontakt kam. Nach ihrer Rückkehr im Juni fing sie dort an, die Kontakte nach Abidjan zu halten und auf andere Fachbereiche auszuweiten. „Der Job kam eigentlich von selbst zu mir“, erzählt Niefind. „Jetzt versuche ich, mich hier so fest zu verankern, dass ich in Aachen bleiben kann.“ Doch Niefind ist flexibel: Sie könnte sich neben der Pflege von Kooperationen auch eine Lehrtätigkeit vorstellen.
Eine Studie von 2011, die ehemalige Lektoren aller Länder berücksichtigte, zeigt die Notwendigkeit dieser Flexibilität. Auch wenn die meisten heute an Hochschulen tätig sind (54 Prozent), arbeiten einige in öffentlichen Schulen (18 Prozent), in der Privatwirtschaft (6 Prozent) und in den Medien (5 Prozent). Aber auch in internationalen Organisationen und der öffentlichen Verwaltung sind einige beschäftigt. Von den Ehemaligen, die im Ausland blieben, hatten 25 Prozent eine Professur inne – bei den Heimkehrern waren es 17 Prozent. Dabei blieben viele anfangs gar nicht aus beruflichen Gründen dort, sondern aus privaten. Mit 71 Prozent war das das meistgenannte Argument, im Gastland zu bleiben. Ein Hinweis darauf, dass die Lektoren dort nicht nur eine Anstellung finden – sondern oft auch eine neue Heimat.
Autorin: Julia Bähr (15. Dezember 2014)