Musikalische Feldforschung in Franken: „Eine neue Dimension“
Takis Diamantopoulos
Georgia Charalampopoulou: "Manche Musikinstrumente gelten immer noch als unweiblich oder unmännlich"
Jahrelang galt sie als Männerdomäne: Die Konzertina, ein Harmonikainstrument, das zum festen Repertoire der fränkischen Volksmusik gehört. Doch die griechische DAAD-Alumna Georgia Charalampopoulou zeigt: Es tut der Musik nur gut, wenn starre Rollenbilder und Klischees überwunden werden.
Frau Charalampopoulou, im Rahmen Ihrer Masterarbeit in den Bereichen Musikwissenschaft und Ethnomusikologie an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg haben Sie zu den „Konzertina-Spielerinnen in Franken“ geforscht. Wieso hat die Konzertina, ein Volksmusikinstrument Frankens, Ihr Interesse geweckt?
Georgia Charalampopoulou: Mit der Konzertina und der fränkischen Volksmusik bin ich erstmals während meines Praktikums bei der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim in Kontakt gekommen, das ich im Rahmen meines Masterstudiums absolvierte. Dort digitalisierte und archivierte ich über 200 Tonbänder von renommierten Feldforschern der ersten Hälfte der 1980er-Jahre – und lernte dabei die faszinierende musikalische Welt Frankens kennen. Die deutsche Konzertina ist ein Musikinstrument, auf das sich ein großer Teil der reichen volksmusikalischen Geschichte Frankens bezieht, insbesondere in Oberfranken stellt sie eine regionale Besonderheit dar. Traditionell befindet sie sich allerdings scheinbar ausschließlich in männlichen Händen. Ich fragte mich, ob es auch Konzertina-Spielerinnen in Franken gibt und falls ja, welche Rolle sie im Wandel der Zeit in den volksmusikalischen Ensembles sowie als Solistinnen spielen.
Was sind die Ergebnisse Ihrer Feldforschung in Franken?
In meiner Masterarbeit zeige ich, dass sich während der letzten hundert Jahre mindestens 44 Frauen in Franken mit der Konzertina beschäftigt haben oder derzeit noch beschäftigen. Damit habe ich die Musikszene überrascht, denn zuvor war nicht bekannt, dass auch Frauen in Franken die Konzertina spielen. Bemerkenswert ist außerdem, dass einige der Konzertina-Spielerinnen das Instrument erstmals offiziell als didaktisches Medium nutzen und es für Kinder erfahrbar machen: Sie untermalen mit der Konzertina Märchen aus allen Ländern der Welt. Das verleiht der Konzertina eine neue Dimension, denn das Instrument ist üblicherweise nur unter älteren Leuten beliebt und bekannt. Andere Konzertina-Spielerinnen unternehmen den Versuch, die Konzertina zum ersten Mal innerhalb eines interkulturellen Rahmens zu entfalten: Gemeinsam mit anderen Musikern präsentieren sie internationale Lieder; neben der Konzertina sind in dem vierköpfigen Ensemble eine bolivianische Gitarre, ein Kontrabass und eine Querflöte zu hören.
Eine historische Konzertina (Foto: Georgia Charalampopoulou)
Die modernen Konzertina-Spielerinnen erweitern also den kulturellen Rahmen – und wirken damit gängigen Stereotypen entgegen?
Ja, denn die Musik ist ein Medium kultureller Repräsentation, mit dem auch Geschlecht und Geschlechtsidentitäten hergestellt und verhandelt werden. Die Konzertina galt beispielsweise als Musikinstrument für Wirtshäuser und damit als ungeeignet für Frauen. Solche Stereotype sind jedoch nicht nur den volksmusikalischen Kulturen vorbehalten: Auch im klassischen westlichen Orchester war es lange Zeit für Frauen schwierig, eine herausragende Rolle als Musikerin oder Solistin einzunehmen und die Posaune oder andere Blechblasinstrumente zu spielen. Im volksmusikalischen Umfeld bestehen diese Hindernisse und Klischees weiter, manche Musikinstrumente gelten immer noch als unweiblich oder unmännlich. Deshalb signalisiert die aktive Teilnahme der musizierenden Frau als Solistin eines „männlichen“ Volksmusikinstruments eine positive soziale Entwicklung. Zudem kann der Abbau solcher Vorurteile zur Bewahrung eines Volksmusikinstruments beitragen: Ob als Zuhörerinnen, Spielerinnen oder Lehrerinnen – die Menschen öffnen sich der Konzertina und entwickeln ein Interesse für dieses Instrument.
Welche Rolle spielt die DAAD-Förderung für Ihr Forschungsprojekt?
Eine entscheidende. Ohne die Unterstützung des DAAD hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, in Deutschland mein Masterstudium zu beginnen. Es war immer ein Traum von mir, im Land berühmter Denker und Musikwissenschaftler wie E. T. A. Hoffmann, Athanasius Kircher und Carl Stumpf zu studieren, in den Bibliotheken deren Originalwerke zu lesen. Es ist damit vergleichbar, dass viele Archäologen von einer Ausgrabung in meiner Heimat Griechenland träumen. Das Studium am Institut für Musikforschung der JMU Würzburg, wo unter anderem der weltberühmte ethnomusikologische Feldforscher Professor Dr. Max Peter Baumann unterrichtet, hat meinen wissenschaftlichen Horizont erweitert und mein musikologisches Denken bereichert. Dafür möchte ich gegenüber dem DAAD und meinen Professoren meine tiefe Dankbarkeit äußern.
Im Juli 2014 haben Sie Ihr Studium an der JMU Würzburg beendet. Womit beschäftigen Sie sich aktuell?
Seit September 2014 bin ich mich wieder in meinem Heimatland und arbeite an einer öffentlichen Grundschule. Gleichzeitig bereite ich mich als ausgebildete Pianistin auf ein Konzert mit zeitgenössischer Kammermusik vor. Zudem habe ich die Übersetzung einiger musikwissenschaftlicher Artikel ins Griechische übernommen, die mir das Orff-Institut der Mozarteum-Universität Salzburg für eine Veröffentlichung in Zypern und in Griechenland anvertraut hat. Für die Zukunft plane ich eine Promotion im Bereich Ethnomusikologie sowie weitere ethnomusikologische Feldforschungen innerhalb und außerhalb Griechenlands.
Interview: Christina Pfänder (14. Januar 2015)