Kompetenz und Kontinuität
G-RISC / Andrei Komolkin
Deutsch-russischer Austausch mit Zukunft: Teilnehmer der G-RISC International Student Conference "Science and Progress 2014"
Mit dem dritten Porträt der Serie zu den „Exzellenzzentren in Forschung und Lehre“ stellt DAAD Aktuell das German-Russian Interdisciplinary Science Center (G-RISC) in St. Petersburg vor. Das vom DAAD im Rahmen der Außenwissenschaftsinitiative aus Mitteln des Auswärtigen Amtes geförderte Zentrum wurde von der Freien Universität Berlin und der Staatlichen Universität St. Petersburg aufgebaut. Einen besonderen Fokus legt es auf die enge Zusammenarbeit von Nachwuchswissenschaftlern aus den Disziplinen Mathematik, Physik, Geophysik und Physikalische Chemie.
Wer den Klimawandel verstehen will, muss zunächst das Klima unseres Planeten verstehen – und hier stellen sich noch viele Fragen. So sind etwa die Erwärmungs- und Interaktionsprozesse zwischen Luftschichten noch nicht genau beschrieben. An diesem Kernproblem der Klimaforschung arbeiten derzeit Nachwuchswissenschaftler der Russischen Staatlichen Hydrometeorologischen Universität in St. Petersburg und der Universität Leipzig. Möglich wird das im German-Russian Interdisciplinary Science Center (G-RISC).
Grenzen überschreiten für bessere Ergebnisse
Das Klimaforschungsprojekt ist nur ein Beispiel für die anspruchsvolle interdisziplinäre Arbeit am G-RISC, die Partner mehrerer Universitäten miteinbezieht. Um möglichst aufschlussreiche Ergebnisse zu erzielen, überschreiten die jungen Forscher die Grenzen ihrer naturwissenschaftlichen Disziplinen. Im Austausch der Kompetenzen sieht auch Eckart Rühl einen Schlüssel zu neuen Erkenntnissen. Der Professor für Physikalische Chemie an der Freien Universität Berlin leitet das Exzellenzzentrum gemeinsam mit dem russischen Physikprofessor Alexander Shikin von der Staatlichen Universität St. Petersburg. Rühl ist überzeugt: „Es gibt kaum eine bedeutende wissenschaftliche Fragestellung, die sich grundsätzlich von einem Fach alleine angehen lässt.“ Aber Interdisziplinarität braucht gute disziplinäre Kompetenz und will geübt sein – eine Übung, die das G-RISC zwischen jungen russischen und deutschen Wissenschaftlern fördert. Eckart Rühl betont: „Die jungen Wissenschaftler sind die Zukunft.“
Unter russischen Studierenden und Doktoranden sei das G-RISC ausgesprochen populär, erzählt Mariia Rusinova, die Administrative Koordinatorin des G-RISC in St. Petersburg. „Das Exzellenzzentrum eröffnet den Studierenden beste Möglichkeiten, mit hochqualifizierten europäischen Wissenschaftlern zu arbeiten, modernstes Equipment zu nutzen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu erweitern.“ Die Physikerin Anna Makarova, die zur Zeit an der Technischen Universität Dresden als Assistentin am Institut für Festkörperphysik forscht, kann das nur bestätigen und fügt hinzu: „Als wichtigste Erfahrung betrachte ich außerdem die Unabhängigkeit, die man als Forscher gewinnt, wenn man entfernt von Heimatinstitut und gewohntem Umfeld in einer neuen Umgebung arbeitet.“
Beständiger Austausch
Mehr als 1.500 jungen Forscherinnen und Forschern zwischen Bachelor- und PhD-Abschluss wurde in den ersten fünf Förderjahren dieser Austausch ermöglicht – durch Konferenzen, Sommerschulen, Seminare und Forschungsaufenthalte an den jeweiligen Partneruniversitäten. Mehr als 350 Forschungsaufenthalte konnte das G-RISC unterstützen, aus denen zudem zahlreiche gemeinsame Publikationen hervorgingen. Für die Forschungsaufenthalte im Partnerland können alle sechs Monate Mittel neu beantragt werden, sagt Eckart Rühl. „Denn wir wollen mit dem offenen Konzept viele Institutionen fördern und immer wieder junge Menschen ermutigen, sich am Austausch zu beteiligen.“
Ein hohes Bildungsniveau und ein hoher Ausbildungsstand in den sogenannten harten Naturwissenschaften haben in der Russischen Föderation Tradition. „Deshalb ist Russland ein traditionell enger Partner für Naturwissenschaftler aus Deutschland“, hebt Eckart Rühl hervor. Bereits seit den 1960er-Jahren pflegt die Freie Universität Berlin die enge Zusammenarbeit mit der Staatlichen Universität St. Petersburg, damals noch Leningrad. „Darauf hatte einst auch der Kalte Krieg keinen Einfluss“, sagt Rühl. „Wissenschaft hat eine große Kontinuität.“
Inspiration und Gastfreundschaft
Auch Anna Makarova, die 2010 zum ersten Mal nach Dresden kam, hofft, dass die inspirierenden deutsch-russischen Projekte im G-RISC noch eine lange Zukunft haben – die Förderung des Exzellenzzentrums wurde vom DAAD vor Kurzem bis zum Jahresende 2016 verlängert, mit einer Option auf eine Ausweitung der Förderung bis Mitte 2019. Makarova freut das: „In diesen politisch sensiblen Zeiten ist es besonders wichtig, die fruchtbaren Ergebnisse deutsch-russischer Zusammenarbeit zu demonstrieren, ihre Vorteile zu zeigen und ihre Effektivität unter Beweis zu stellen.“ Sie genieße neben ihrer Forschungsarbeit derzeit vor allem auch die Gastfreundschaft in Deutschland.
Bettina Mittelstraß (25. März 2015)