Die Herrin der Bilder
Stiftung Ruhr Museum
Stefanie Grebe: "Ich habe künstlerisches und wissenschaftliches Arbeiten nie als Gegensatz gesehen"
Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie von Stefanie Grebe. Seit Anfang Januar 2015 ist die DAAD-Alumna und gebürtige Düsseldorferin neue Leiterin der Fotografischen Sammlung des Ruhr Museums in Essen. „Das Fotoarchiv des Ruhr Museums ist schon etwas Besonderes“, sagt Grebe, „es ist so etwas wie das Bildgedächtnis des Ruhrgebiets.“
Das Ruhr Museum ist für Grebe vertrautes Terrain: Seit Mitte der 1990er-Jahre war sie am Ruhrlandmuseum, dem Vorläufer des Ruhr Museums, maßgeblich an Ausstellungsprojekten beteiligt. Zuletzt kuratierte sie die mit 40.000 Besuchern erfolgreichste Fotoausstellung des Ruhr Museums: „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“. Als Leiterin des Fotoarchivs ist sie neben dem Konzipieren von Ausstellungen mit dem Ausbau des Archivs befasst. Ihre eigene künstlerische Arbeit rückt da zwangsläufig in den Hintergrund: „Zum Fotografieren habe ich aktuell einfach keine Zeit mehr“, sagt Grebe. „Doch ich habe künstlerisches und wissenschaftliches Arbeiten nie als Gegensatz gesehen, sondern als Ergänzung. Schreiben und Fotografieren gehörten immer zu meinen Tätigkeiten.“
„Das Fotografieren hat schon in meiner Jugend angefangen“, erzählt Grebe „ Als Kind habe ich mit einer alten Voigtländer fotografiert.“ Das Studium der Geschichte, Philosophie und Soziologie, das sie von 1983 bis 1986 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf absolvierte, sei ein Kompromiss gewesen. Ihre Eltern hätten es ohnehin lieber gesehen, wenn sie Jura oder Medizin studiert hätte. Doch das Fotografieren sollte Grebe nicht loslassen: Sie nahm am Deutschen Jugendfotopreis teil und gewann zweimal (1985 und 1986). Nun folgte sie ihrer Berufung und studierte von 1987 bis 1994 Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt künstlerische Fotografie und Konzeption/Rezeption an der damaligen Universität Gesamthochschule Essen und der University of Art and Design Helsinki.
Wertvolle Erfahrungen in Finnland
Die Hochschule in Helsinki – inzwischen fusioniert in der Aalto-Universität – war die Partneruniversität der Universität Essen. „Dadurch hatte man die Möglichkeit, mit anderen Studierenden die Szene in Finnland kennenzulernen“, erklärt Stefanie Grebe. „Als Land an der Peripherie ist in Finnland eine eigene unabhängige Schule des Fotografierens entstanden. Dort gab es ein hervorragendes Umfeld zum Studieren“, lobt Grebe.
Sie beendete ihr Studium mit Auszeichnung. „Danach habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Essen gearbeitet“, erzählt sie. Forschen und Fotografieren, wissenschaftliches Arbeiten und das Ausstellen eigener Bilder hielten sich weiterhin die Waage. Mit einem Forschungsprojekt bewarb sich Stefanie Grebe dann für ein Postgraduierten-Stipendium des DAAD: „Bei meinem Thema ging es um ,Silicones in bodies and minds‘. Ich wollte herausfinden, wie Silikon uns einerseits durch die plastische Chirurgie und andererseits durch die Digitalisierung beeinflusst“, erklärt sie.
Umwege zum Ziel
Anschauungsmaterial für plastische Chirurgie gab es in der Film-Metropole Los Angeles zuhauf. „Ich habe Bücher und Interviews gelesen, Museen besucht, Filme angesehen“, erzählt Grebe. „Bei einem Forschungsaufenthalt in einem künstlerischen Fach ist man ziemlich frei. Man muss keinen bestimmten Professor angeben, bei dem man studieren will, sondern plausibel begründen, wo sich die wissenschaftlichen Studien am besten durchführen lassen.“ Um ihre Forschung noch stärker zu unterfüttern, ging sie ans renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Bald merkte ich jedoch, dass meine Ergebnisse in eine andere Richtung wiesen, als ich ursprünglich gedacht hatte.“ Dafür entdeckte sie einen neuen Schwerpunkt für ihre fotografischen Arbeiten: Gesichtsrepräsentationen im Porträt. „Es geht um Inszenierungen. Wie erzeugt man zum Beispiel das Gefühl des Authentischen im Porträt?“
Inspiriert durch den persönlichen Kontakt mit Schauspielern und das hautnahe Erleben von Inszenierungen ist das Porträt mit seinen ästhetischen und soziologischen Fragestellungen für die Fotografin Grebe zur wichtigsten Darstellungsform geworden. Darüber hinaus sieht sie in dem DAAD-Postgraduierten-Stipendium eine gute Möglichkeit, sich mit dem eigenen Werdegang auseinanderzusetzen: „Es ist inspirierend, wenn man mit einem Stipendium im Ausland studieren kann. Auch der Abschlussbericht, den man schreiben muss, bringt einen dazu, die eigene Position zu reflektieren.“ Quasi eine zweifache Form der Förderung: finanziell und intellektuell.
Vertiefung und Vielfalt
„Ich habe das Stipendium sehr ernst genommen und viel gearbeitet“, sagt Stefanie Grebe. Vertiefung und Vielfalt prägen ihre gesamte akademische Laufbahn. Heute könne sich wohl kein Studierender mehr ein so langes Studium erlauben, meint sie. Sie jedoch habe von allen Fächern profitiert und auch die Erkenntnisse aus ihrem Erststudium der Geschichte, Philosophie und Soziologie kämen ihr heute, wo der wissenschaftliche Aspekt ihres Berufs erneut dominiert, zugute.
Autorin: Claudia Wallendorf (14. April 2015)