Exzellenz braucht Austausch

DAAD

Auch die zentrale Podiumsdiskussion widmete sich dem Tagungsmotto "Exzellenz durch Vernetzung"

Auf Einladung des DAAD und der Justus-Liebig-Universität kamen in Gießen Vertreter von vier internationalen „Exzellenzzentren in Forschung und Lehre“ sowie von sieben afrikanischen Fachzentren zu einer zweitägigen Tagung zusammen. Die DAAD-Förderung der Fachzentren begann 2008 im Rahmen der „Aktion Afrika“ des Auswärtigen Amts; die Förderung der Exzellenzzentren aus Mitteln des Auswärtigen Amts startete der DAAD 2009 im Zuge der Außenwissenschaftsinitiative. Dass alle Zentren herausragende Arbeit mit nicht zuletzt gesellschaftlicher Relevanz leisten, wurde in Gießen schnell deutlich.

Sie suchen Antworten auf den Klimawandel in den Ozeanen, finden Lösungen für Finanzierungsfragen in der Demokratischen Republik Kongo oder diskutieren verfassungsrechtliche Themen in Südostasien: Die Mitarbeiter der DAAD-geförderten Exzellenz- und Fachzentren treiben die Forschung international voran. So faszinierend die thematische Bandbreite der weltweit wirkenden Zentren ist, so beeindruckend war es, während der zweitägigen Fachtagung an der Justus-Liebig-Universität (JLU) sämtliche Zentren durch den Austausch mit ihren Protagonisten kennenlernen zu können. Dabei war sowohl Aufbruchstimmung zu spüren, als auch das Bewusstsein für den Wert nachhaltig geförderter Wissenschaftsstrukturen.

Tagung der Exzellenzzentren in Forschung und Lehre und der afrikanischen Fachzentren (April 2015)
DAAD

Joybrato Mukherjee, Präsident der Justus-Liebig-Universität und Vizepräsident des DAAD, begrüßte die Tagungsteilnehmer

Professor Joybrato Mukherjee, Präsident der Justus-Liebig-Universität und Vizepräsident des DAAD, machte deutlich, dass die „sehr erfolgreiche“ Entwicklung der vergleichsweise jungen Exzellenz- und Fachzentren in den vergangenen Jahren „in aller Regel auf Grundlage vorheriger, langjähriger Zusammenarbeit“ erfolgen konnte. Ein herausragendes Beispiel ist das von der JLU federführend vorangetriebene Exzellenzzentrum CEMarin im kolumbianischen Santa Marta: Seit über 50 Jahren wird zwischen Gießen und Kolumbien gemeinschaftlich Meeresforschung betrieben. Mukherjee hob hervor, dass der DAAD nicht zuletzt von der Politik als Berater und Gesprächspartner geschätzt und „als Taktgeber der Internationalisierung der deutschen Hochschulen“ wahrgenommen werde. Wie dieser Takt in herausragenden internationalen Kooperationsprojekten nachhallt, wurde während der Gießener Fachtagung auch durch eine Podiumsdiskussion mit Vertretern einzelner Zentren veranschaulicht.    

Austausch von Aachen bis Wladiwostok

„In Thailand haben wir gutes Vertrauen in die deutsche Wissenschaft“, sagte auf dem Podium etwa Kittisak Prokati, Professor an der Thammasat University in Bangkok und Mitglied im Supervisory Board des German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance (CPG). Das CPG konzentriert sich in seiner Arbeit unter anderem auf verfassungsrechtliche Fragen und setzt sich für Menschenrechte ein. Es ist ein Engagement mit Ausstrahlung weit über die thailändischen Landesgrenzen hinaus, doch bekommt es in Bangkok aktuell eine besondere Bedeutung: Vor einem Jahr kam in Thailand das Militär durch einen Putsch an die Macht; Wahlen wurden noch nicht in Aussicht gestellt. Kittisak Prokati betonte in Gießen seine Hoffnung auf eine Demokratie, die „friedlich, frei und offen“ ist.

Tagung der Exzellenzzentren in Forschung und Lehre und der afrikanischen Fachzentren (April 2015)
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Diskutierten auf dem Podium (v. l. n. r.): Stephan Geifes (DAAD), Lovell Fernandez (South African-German Centre for Transnational Criminal Justice), Sergey Tunik (German-Russian Interdisciplinary Science Center), Moderator Jan-Martin Wiarda, Kittisak Prokati (German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance) und Thomas Wilke (Center of Excellence in Marine Sciences, CEMarin)

Wie wichtig es angesichts politischer Spannungen ist, den Austausch aufrecht zu erhalten, unterstrich auch Professor Sergey Tunik vom German-Russian Interdisciplinary Science Center (G-RISC). Zentral für die Arbeit des G-RISC ist die seit den 1960er-Jahren erfolgreiche Partnerschaft zwischen der Freien Universität Berlin und der Staatlichen Universität St. Petersburg, an deren Fakultät für Chemie Tunik tätig ist. Das G-RISC ermöglicht interdisziplinäre Kooperationen zwischen Aachen und Wladiwostok, mit Fokus auf den Naturwissenschaften, und pflegt somit ein engmaschiges Netz der deutsch-russischen Zusammenarbeit. „Wir vertrauen einander“, betonte Sergey Tunik. Ein nicht zu unterschätzendes Kapital angesichts der derzeit durch die Ukraine-Krise belasteten deutsch-russischen Beziehungen. Die Basis des über das G-RISC geförderten wissenschaftlichen Austauschs ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: Mehr als 350 Forschungsaufenthalte konnte das G-RISC bereits unterstützen; 17 internationale Konferenzen, Workshops und Sommerschulen brachten insgesamt rund 1.500 Wissenschaftler zusammen.

Tagung der Exzellenzzentren in Forschung und Lehre und der afrikanischen Fachzentren (April 2015)
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Sergey Tunik wies darauf hin, wie wichtig Vertrauen und Kooperationsbereitschaft gerade in Krisenzeiten sind

Ziel des sich selbsttragenden Zentrums

Wie treffend der für die Tagung gewählte Titel „Exzellenz durch Vernetzung“ war, unterstrich auf dem Podium Professor Lovell Fernandez vom Südafrikanisch-Deutschen Fachzentrum für transnationale Strafjustiz. Wie die deutsch-südafrikanische Zusammenarbeit noch weitere Länder miteinbeziehen kann, ist für Fernandez eine wesentliche Frage. Und auch das war eine der Kernbotschaften der Gießener Tagung: Exzellenz kann nur erreicht werden, wenn die wissenschaftlichen Partner in Bewegung bleiben und immer wieder neue Anstrengungen unternehmen. Dementsprechend ermöglichte die Tagung den intensiven Austausch in vier Workshops, die etwa Online-Angebote in der Nachwuchsförderung thematisierten oder eine „Ausdifferenzierung des Exzellenzbegriffs“ behandelten. Dass Vernetzung und „gute internationale Praxis“ Werte an sich sind, die den Vergleich mit Veröffentlichungszahlen und herausragenden Forschungsergebnissen nicht scheuen müssen, war in Gießen Konsens. Kontroverser wurde da schon über die idealen Förderzeiträume diskutiert: Können etwa die Exzellenzzentren nach der Verlängerung der Förderung durch den DAAD bis 2016 (mit Option auf eine weitere Verlängerung bis 2019) definitiv langfristig bestehen? Oder ist gerade das Ende der Förderphase das eigentliche Ziel – das sich selbsttragende Zentrum als Höhepunkt des angestrebten „joint capacity-building“? Hier wurden bereits Erfolge erzielt und größere Drittmittel und Forschungsprojekte eingeworben. Zudem werden im Bereich der Masterstudiengänge erste Studiengebühren zur Förderung der Zentren erhoben.

Beeindruckend war während der Fachtagung jedenfalls, welche Erfolge die Exzellenz- und Fachzentren bereits vorweisen können. Von dem enorm nachgefragten Masterstudiengang in Internationalem Recht des deutsch-chilenischen Heidelberg Center Lateinamerika, neben dem CEMarin das zweite „Exzellenzzentrum in Forschung und Lehre“ in Südamerika, bis zu den Berufsaussichten der Absolventen des Kongolesisch-Deutschen Fachzentrums für Mikrofinanz. Über 80 Prozent der Absolventen haben schon vor der Graduierung Arbeitsplätze im Mikrofinanzbereich sicher – und können auf diesem Weg zur Armutsbekämpfung beitragen. Zugleich zeigt das Kongolesisch-Deutsche Fachzentrum exemplarisch,  wie neue, nachhaltige Studienstrukturen geschaffen werden. Der Leiter des Zentrums, Professor Patrick Bakengela Shamba, schilderte, wie die bisherige Curriculum-Entwicklung in der Demokratischen Republik Kongo zwar durch den Austausch angeregt wurde, aber vor allem gezielt regionale Besonderheiten und Anforderungen berücksichtigt: „Das war kein Copy-und-Paste-Verfahren.“

Tagung der Exzellenzzentren in Forschung und Lehre und der afrikanischen Fachzentren (April 2015)
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Konzentrierter Austausch: Felix Asante, Professor an der University of Ghana, vertrat in Gießen eines der sieben afrikanischen Fachzentren: das Ghanaian-German Centre for Development Studies

Steigerung der Reputation

Ein Erfolg aller afrikanischen Fachzentren ist ihre fortgeschrittene, gemeinsame Netzwerkarbeit. „Die Fachzentren kommen jährlich zu einem Treffen zusammen – diesen Austausch möchten wir auch für die Exzellenzzentren in Forschung und Lehre verstetigen“, hob Dr. Stephan Geifes, der beim DAAD den Bereich „Transnationale Bildung und Kooperationsprogramme“ verantwortet, hervor und zog zugleich eine positive Bilanz der Gießener Tagung: „Wir sehen, dass die Zentren auf einem guten Weg sind.“ Nicht zuletzt beim Ausbau der Forschungsstärke der Zentren setzt der DAAD auf die Nachwuchsförderung: „Wir schaffen mit den Zentren sehr gute wissenschaftliche Strukturen, in denen sich junge, herausragende Forscher fortbilden können – und das steigert wiederum die Reputation der beteiligten Institutionen.“   

Johannes Göbel (6. Mai 2015)

Website der afrikanischen Fachzentren

Centres of Excellence for Promoting Future Leaders in Africa