90 Jahre DAAD: Festabend in Berlin mit Bundesaußenminister Steinmeier
DAAD/Jacek Ruta
Guten Grund zum Feiern (v. l. n. r.): Andreas Görgen, Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, DAAD-Vizepräsident Joybrato Mukherjee, DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel, Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretär Friedrich Kitschelt und DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland
Herzlichkeit, Vitalität und viel Energie für das Kommende: All das darf man auch auf einem 90. Geburtstag erwarten. Erst recht, wenn der Jubilar noch viel vor hat. Und so zeigte der Festabend zum 90-jährigen Bestehen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes neben der großen Wertschätzung der zahlreichen Gratulanten auch, wie wichtig die Arbeit des DAAD für die Zukunft ist. „Verständigung durch Austausch, Verantwortung in der Krise, die Arbeit an einer gemeinsamen Ordnung – dies sind die Ziele unserer gemeinsamen Bemühungen“, hob Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier in seinem Festvortrag hervor und betonte die Rolle des DAAD als „unverzichtbarer“ Mitgestalter der deutschen Außenwissenschaftspolitik.
DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel machte in ihrer Begrüßungsrede deutlich, wie sehr sich Tradition und Innovation in der Arbeit des DAAD verbinden, ebenso gesellschaftliche und politische Zusammenhänge mit ganz persönlichen Prägungen. Der akademische Austausch biete den Stipendiaten die Möglichkeit, „sich zu echten Weltbürgern zu entwickeln“ und habe „unschätzbaren Wert“ für die Entwicklung des Einzelnen. Veranschaulicht wurde dies während des Festabends von aktuellen DAAD-Stipendiaten aus aller Welt, die in einer erzählten Chronik die 90-jährige Geschichte mit ihren persönlichen Erlebnissen spiegelten. Etwa die junge Tadschikin, die 2001 eingeschult wurde, im Gründungsjahr von „GATE-Germany“, dem Konsortium von DAAD und Hochschulrektorenkonferenz für das internationale Hochschulmarketing. Heute, so die junge Frau, sei der Ruf der deutschen Hochschulen in ihrem Heimatland hervorragend. Oder die rumänische Stipendiatin, die daran erinnerte wie der DAAD die Öffnung des Ostblocks begleitete und auch heute jungen Osteuropäern die Freiheit grenzenlosen Studierens ermöglicht.
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Internationale Stipendiaten erzählten eine kurzweilige Chronik des DAAD
Angesichts der zahlreichen Konflikte und Krisen im Jahr 2015 hob Margret Wintermantel „Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und wissenschaftliche Freiheit“ hervor, die internationale Studierende in Deutschland erleben könnten. Die Präsidentin betonte die Stärkung der Innovationskraft einer Gesellschaft durch den akademischen Austausch und seine Bedeutung als „Lebenselixier des wissenschaftlichen Fortschritts“.
Programmatische Rede von Bundesaußenminister Steinmeier
„Verständnis durch Dialog, Wissen und Erkenntnis durch Austausch“: Diese „Pfeiler“ der deutschen Außenwissenschaftspolitik stellte Außenminister Steinmeier als grundlegende Ziele des DAAD heraus – und verband sie mit den Idealen des Heidelberger Studenten Carl Joachim Friedrich, dessen Initiative zum deutsch-amerikanischen Studierendenaustausch den Weg für die Gründung des DAAD im Jahr 1925 bereitete. Wie auch Präsidentin Wintermantel sparte Steinmeier nicht die Irrwege des DAAD in der Zeit des Nationalsozialismus aus, als sich die Austauschorganisation der Gleichschaltung durch das Nazi-Regime willentlich fügte. Der Außenminister wies aber auch darauf hin, dass der DAAD mit seiner Neugründung im Jahr 1950 an die Ideale des Studenten und späteren Politikwissenschaftlers Friedrich anknüpfte und auch im Jahr 2015 dazu beitrage, „eine friedliche Ordnung in einer unfriedlichen Welt zu fördern“. Steinmeier würdigte unter anderem den Einsatz des DAAD für offene Gesprächskanäle im Austausch mit Russland und legte besonderes Augenmerk auf die Lage in Syrien: „Wir dürfen nicht zulassen, dass dort eine verlorene Generation heranwächst.“ Er verwies auf das vom Auswärtigen Amt und dem DAAD aufgelegte Stipendienprogramm „Führungskräfte für Syrien“, mit dem in den nächsten vier Jahren über 200 syrische Stipendiaten zum Studium nach Deutschland kommen sollen, um nach dem Ende des Kriegs ihr Heimatland wieder aufbauen zu können.
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Bundesaußenminister Steinmeier: "Durch die Arbeit des DAAD sind starke internationale Netzwerke entstanden"
Steinmeier ging auch auf die in den Koalitionsvertrag aufgenommenen Ziele des DAAD ein, die Zahl der ausländischen Studierenden in Deutschland weiter deutlich zu steigern und bis zum Jahr 2020 jedem zweiten deutschen Studierenden Auslandserfahrungen zu ermöglichen. „Zu schaffen ist das“, sagte Steinmeier, „denn durch die Arbeit des DAAD sind starke internationale Netzwerke entstanden.“
„Ein echter Global Player“
Die weltweite Vernetzung des DAAD und seine zukunftsfähigen Strukturen stellte auch Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in ihrer Rede heraus. Der DAAD sei ein „echter Global Player“ und leiste heute weit mehr als die Förderung individueller akademischer Mobilität – vom Einsatz für internationale Doppelabschlüsse über das weltweit verzweigte Förderprogramm „Strategische Partnerschaften und Thematische Netzwerke“ bis zum modernen Hochschulmarketing und herausragenden Projekten der Transnationalen Bildung wie der German University in Cairo und der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul.
An die „lange Tradition des entwicklungspolitischen Engagements“ des DAAD erinnerte Dr. Friedrich Kitschelt, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Er hob auch die langjährige weltweite Präsenz mit Außenstellen und Informationszentren hervor, die „Vertrauen und belastbare Arbeitsbeziehungen“ ermögliche. Als konkrete aktuelle Beispiele für die Arbeit des DAAD nannte Kitschelt dessen Beteiligung am Aufbau der Panafrikanischen Universität (PAU) und der Deutsch-Mongolischen Hochschule für Rohstoffe und Technologie (DMHT) sowie ein 1.000 neue Stipendien umfassendes Programm für Ernährungssicherheit und Konfliktprävention. Kitschelt betonte: „Jede Gesellschaft braucht transformative Akteure.“ Auch der Berliner Festabend zeigte anschaulich, wie sehr der DAAD Menschen prägt und sie darin bestärkt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
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Austausch, der berührt: Gesprächsrunde mit Moderatorin Luzia Braun, Alumna Amel Karboul, Alumnus Marek Prawda und Stipendiatin Salomé Bravo
Herzliches „Happy Birthday!“
Moderiert von der ZDF-Journalistin Luzia Braun, ihrerseits ehemalige DAAD-Lektorin in Italien, kamen drei beeindruckende Persönlichkeiten zu einer Gesprächsrunde zusammen: Dr. Amel Karboul, von Januar 2014 bis Februar 2015 Tourismusministerin der tunesischen Übergangsregierung, Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen bei der Europäischen Union, und Salomé Bravo, ecuadorianische Studentin der Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Magdeburg. Während Amel Karboul und Marek Prawda DAAD-Alumni sind, ist Salomé Bravo aktuelle Stipendiatin. Die junge Frau schilderte, wie ihr Studium und Auslandsaufenthalt bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung geholfen haben. Auch, wenn es darum geht, den vorher scheinbar so festgelegten „Plan A“ zu verwerfen: „Ich fühle mich jetzt immer bereit für den Wandel – und dafür, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Bravo in Berlin. Das verbindet sie mit Marek Prawda, der zuvor mit Blick auf sein Studium vom Ruf der Soziologen als notorische „Unruhestifter“ erzählt hatte. Und davon, wie er nach seiner Rückkehr von Hamburg nach Warschau vor einem Vierteljahrhundert bei der Gestaltung der demokratischen Wende in seinem Heimatland half.
„Wenn es mal schwer ist, dann muss auch jemand aufstehen und ‚Ja!‘ sagen.“ Mit diesen Worten beschrieb Amel Karboul ihre Motivation, trotz vieler Unwägbarkeiten das Amt der tunesischen Tourismusministerin anzutreten. Die nötige Kraft habe ihr ihre Zeit in Deutschland gegeben. Karboul war 1991 mit einem vom DAAD umgesetzten Regierungsstipendium nach Heidelberg gekommen, um Deutsch zu lernen. An der Universität Karlsruhe, dem heutigen KIT, studierte sie Maschinenbau und schloss 1996 als erste Frau als Jahrgangsbeste ab. In Berlin überbrachte Amel Karboul herzliche Grüße aus ihrem Heimatland – und den Wunsch, auch im Namen der tunesischen DAAD-Alumni ein Geburtstagsständchen anzustimmen. Das spontane wie fröhliche „Happy Birthday!“ der Festgesellschaft passte zu einem Abend, an dem die Freude über das Erreichte und die Energie für das Kommende gleichsam zu spüren waren.
Johannes Göbel (22. Juni 2015)