Neue Wege zwischen Deutschland und Italien

Sara Gambazza

Die Gruppe der DAAD-Alumni auf dem Dach des Deutschen Pavillons der Expo Milano 2015

25 Jahre nach der Wiedervereinigung präsentiert sich auf der EXPO in Mailand das moderne Deutschland. Dr. Francesca Zilio hat die Weltausstellung gemeinsam mit anderen DAAD-Alumni besucht. Vor allem aber hat sie einen besonderen Blick auf die deutsche Geschichte: Ihre Doktorarbeit zur „Deutschen Frage“ ist preisgekrönt.

Sich auf ein Thema einlassen, es gründlich durchdringen und dann eigene Ideen daraus entwickeln. Dass Francesca Zilio das kann, hat die DAAD-Alumna spätestens mit ihrer ausgezeichneten Doktorarbeit unter Beweis gestellt. Genauso würdigt die Politikwissenschaftlerin es aber, wenn andere sich um Antworten auf schwierige Fragen bemühen. Als sie im Mai 2015 auf Einladung des DAAD zusammen mit anderen Alumni die Weltausstellung EXPO in Mailand besuchte, waren es nicht die kulinarischen Spezialitäten oder die Sehenswürdigkeiten aus den Regionen, die sie im Deutschen Pavillon interessierten: „Am meisten hat mich beeindruckt, welche Ideen Wissenschaftler, aber auch Bürgerinitiativen in Deutschland haben, um das Problem der Welternährung zu lösen“, sagt Zilio.

DAAD-Alumna Dr. Francesca Zilio

privat

​Francesca Zilio: Pionierin der historischen Forschung

Ihr Thema ist die Geschichte der deutschen Außenpolitik. Damit hat sich die 33-jährige Italienerin seit ihrer Bachelor-Arbeit befasst. Bis sie es gefunden hatte, war sie viel in Europa unterwegs. „Mein Interesse an internationalen Beziehungen und an Fremdsprachen habe ich ursprünglich von den Reisen mitgebracht, die ich schon als Kind mit meinen Eltern im Wohnmobil nach Deutschland und in viele andere europäische Länder unternommen habe“, berichtet sie. Nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Vicenza ging sie deshalb nach Triest, um Internationale und diplomatische Beziehungen zu studieren. Als Fremdsprachen standen auf dem Lehrplan zunächst nur Englisch und Französisch. Doch das genügte ihr nicht. „Es sind zwar die Sprachen der Diplomatie“, sagt Zilio, „ich wollte aber unbedingt meine Deutschkenntnisse verbessern.“ Anfang der 2000er-Jahre studierte sie mit einem Erasmus-Stipendium an der Berliner Humboldt-Universität und stillte ihren Wissensdurst mit Lehrveranstaltungen auf den verschiedensten Gebieten, von den Sozialwissenschaften über Jura und die Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Europäischen Ethnologie. Ein Seminar über Entwicklungspolitik machte sie schließlich neugierig auf das Thema Geschichte der bundesdeutschen Außenpolitik – und es hat sie nicht mehr losgelassen.

Deutsch-italienische Doppelpromotion

Zurück in Italien folgten Bachelor- und Masterarbeit zur Diskussion um die deutsche und EG-Entwicklungspolitik und ihre Verbindungen mit der „Deutschen Frage“, dann die Promotion in Rom und Berlin zum Thema Grenzen und territoriale Ordnung Deutschlands. Der ehemalige italienische Botschafter in der Bundesrepublik und Professor an der Universität Triest Luigi Vittorio Ferraris muss das Talent der Studentin erkannt haben: „Ferraris bot mir als Erste an, sein Privatarchiv als Quelle für die Forschung zu nutzen“, erzählt Zilio. Ein Glücksfall. Ferraris war in den 60er- und 70er-Jahren als Diplomat in Rom für Italiens Beziehungen zu Osteuropa und danach für die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zuständig. „Ohne den Zugang zu seinem Archiv hätte ich meine Doktorarbeit über den Dialog zwischen Italien und der BRD zur Ostpolitik Willy Brandts und zur Entspannungspolitik gar nicht schreiben können“, sagt Francesca Zilio. Die Archive des italienischen Außenministeriums sind für diesen Zeitraum nicht zugänglich. Anders als das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes, wo Zilio 2009 mit Unterstützung des DAAD einige Monate forschen konnte. Zu ihrem Promotions-Glück fehlte nur noch jemand, der ihre Doktorarbeit auf diesem Spezialgebiet betreuen konnte. Weil es an der Universität La Sapienza, die sie als Promovendin ausgewählt hatte, niemanden gab, suchte sich Francesca Zilio mit dem Historiker und Italien-Experten Professor Oliver Janz an der Freien Universität Berlin einen Verbündeten – eine deutsch-italienische Doppelpromotion im Cotutelle-Verfahren. Für ihre Arbeit erhielt sie 2013 den Preis der Italienischen Gesellschaft für Internationale Geschichte für die beste Dissertation.

In den Jahren 2013 und 2014 forschte Francesca Zilio mit einem Postdoc-Stipendium des DAAD an der Freien Universität Berlin über das Italienbild westdeutscher Diplomaten. Anschließend ging sie an die Universität Bern als Assistentin am Historischen Institut. An die Zeit in Deutschland denkt sie gerne zurück: „Ohne die Hilfe des DAAD hätte ich meine Forschungsaufenthalte nicht finanzieren können“, sagt Zilio. Aber auch heute wirke die Unterstützung des DAAD fort. Über die Kontakte, die sie zu DAAD-Alumni hält, oder wenn sie auf Konferenzen der Italienischen Gesellschaft für die Neueste Geschichte des deutschen Sprachraums einen Vortrag hält. „Der DAAD unterstützt solche Tagungen, und für die meisten der Teilnehmer dort war er, genauso wie für mich, tatsächlich die erste und meist auch die einzige Möglichkeit, in Deutschland zu studieren oder zu forschen.“ Wohin sie die Reise durch Europa als nächstes führen wird, ist noch nicht ausgemacht. Eines weiß sie aber sicher: „Ich habe vor, in der Forschung zu bleiben.“

Kristina Vaillant (22. Juli 2015)