Pionier der persischen Klaviermusik
Gilley Soubeyrand
Pooyan Azadeh: „Die Vermittlung von Musik ist für eine Kultur unbedingt notwendig“
Mit seiner Promotion an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat er die Musikpädagogik um eine neue Perspektive erweitert: Dr. Pooyan Azadeh, deutsch-iranischer Pianist, hat als Erster eine Doktorurkunde für eine Arbeit zu persischer Klaviermusik erhalten. Nun möchte der DAAD-Alumnus seinen Forschungsschwerpunkt auch in seinem Heimatland Iran etablieren.
Herr Dr. Azadeh, Sie haben an der Universität der Künste Teheran europäische Klaviermusik studiert und im Iran, Deutschland und den USA als Konzertpianist gearbeitet. Was hat Sie dazu bewogen, sich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wissenschaftlich mit Musik zu beschäftigen?
Dr. Pooyan Azadeh: Mein Interesse gilt der Musikpädagogik, denn aus meiner Sicht ist die Vermittlung von Musik für eine Kultur unbedingt notwendig. Im Iran ist es bislang allerdings nicht möglich, dieses Fach zu studieren. Deutschland hingegen gilt als Vorreiter, hier hat die Musikpädagogik eine lange Tradition. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele verschiedene Methoden und didaktische Ansätze entwickelt, auch die Quantität und Qualität der musikpädagogischen Publikationen sind bemerkenswert. Doch ohne die Hilfe des DAAD wäre meine Forschung nicht möglich gewesen: Seit meiner Ankunft in Deutschland im Jahr 2007 hat der DAAD mich mit einem Promotionsstipendium gefördert und mir zudem einen Deutschkurs ermöglicht. Das DAAD-Stipendium ist für mich gleichermaßen Auszeichnung wie Geschenk: Mittlerweile habe ich als Hochqualifizierter die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.
Mit Ihrer Dissertation betreten Sie neues Terrain. Wieso haben Sie sich gerade für die persische Klaviermusik entschieden?
Die Wurzeln des Klaviers liegen in Persien. Dort wurde die „Santur“ kreiert, die in Deutschland als „Hackbrett“ bekannt ist. Die Europäer entwickelten das Saiteninstrument zum modernen Piano weiter, das wiederum in den Iran exportiert wurde. Dennoch gingen die europäische und iranische Musiktradition ganz unterschiedliche Wege: mit spezifischen Techniken und Notationen, zudem klingt das persische Klavier bei verschiedenen Tönen um einen Viertelton höher oder tiefer versetzt. Federführend war hier Mortezā Mahjoobi, dessen Notation ich 2013 als iranisches Kulturerbe bei der Organisation für Kulturerbe der UNESCO in Teheran habe registrieren lassen. All diese Aspekte machen die persische Klaviermusik für mich zu einem spannenden Thema. Neben den traditionellen Werken Mortezā Mahjoobis fasziniert mich auch die Musik meines Lehrers, des bedeutenden persischen Pianisten Javād Maroofi, der im Jahr 1993 verstorben ist. Ihm habe ich meine Dissertation gewidmet. Er hat die persische Klaviermusik mit westlichen Elementen kombiniert.
Wieso fand vorher keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema statt?
Die musikalischen Hochschulen im Iran stehen ganz im Zeichen der europäischen Klaviermusik – die persische Tradition wird dort nicht vermittelt. Das mag damit zu tun haben, dass persische Klaviermusik erst um das Jahr 1900 an gesellschaftlichem Renommee gewonnen hat. Aufgrund meiner Ausbildung bei Javād Maroofi bin ich jedoch mit diesen Stil vertraut: Ich spiele diese Werke während meiner Konzerte, kenne die Technik, die Notation und den spezifischen Klang. Deshalb war es mir möglich, mich auch wissenschaftlich mit persischer Klaviermusik zu beschäftigen. Mit meiner Forschung bin ich auf großes internationales Interesse gestoßen: Unter anderem habe ich darüber auf Konferenzen in Norwegen und China berichtet.
Was sind Ihre weiteren Pläne?
Aktuell bin ich in Deutschland auf Konzertreise und arbeite als Musiklehrer an einer Waldorfschule. Hier habe ich die Möglichkeit, mich praktisch mit dem Thema Musikpädagogik auseinanderzusetzen und den anthroposophischen Hintergrund der Pädagogik Rudolf Steiners näher kennenzulernen. In naher Zukunft werde ich allerdings in meine Heimat zurückkehren: Die Universität der Künste Teheran hat mir ihre erste ordentliche Professur für Klavier angeboten. Damit habe ich die erste Klavierprofessur mit einem Doktorgrad im Iran inne. Mein Ziel ist es, dort neben der allgemeinen Musikpädagogik auch die persische Klaviermusik als Fach zu etablieren.
Interview: Christina Pfänder (3. August 2015)