„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Chişinău – Sophia Bellmann
Teodor Bordeianu
Sophia Bellmann ist DAAD-Lektorin in der Republik Moldau
„Viel Spielraum für kreative Projekte“: Sophia Bellmann arbeitet in der Republik Moldau, einem für viele gänzlich unbekannten Land. Dass es dort nicht nur sprachlich einiges zu entdecken gibt, zeigen die unterschiedlichen Tätigkeiten der DAAD-Lektorin.
„Das Land ist eine einzige Herausforderung“, sagt Sophia Bellmann, DAAD-Lektorin in der Republik Moldau, und lächelt. Während der Staat für viele ein weißer Fleck auf der Landkarte ist, ist der DAAD in Moldawien, so die geläufigere Bezeichnung, seit 1998 mit einem Regellektorat an der Pädagogischen Universität „Ion Creanga“ in Chişinău präsent, am einzigen Lehrstuhl für deutsche Philologie im Land.
Reisende Repräsentantin
Die Republik Moldau zählt zu den ärmsten Ländern Europas. Schätzungen gehen von rund 800.000 Auslandsmoldauern aus. Die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten machen etwa ein Drittel der Höhe des Bruttoinlandsprodukts aus; in Moldawien leben nur noch rund zweieinhalb Millionen Menschen. Der eingefrorene Transnistrien-Konflikt – 1990 hat sich Transnistrien im Zuge des Zerfalls der Sowjetrepublik Moldawien abgespalten und für unabhängig erklärt – hemmt die politische Entwicklung und hat durch den Konflikt in der benachbarten Ukraine zuletzt an Brisanz gewonnen. Dennoch schauen weite Teile der moldawischen Jugend nach vorne. Dabei unterstützt sie auch Sophia Bellmann, mit viel Elan, kreativen Projekten und gefragten Lehrangeboten.
Deutsch als berufliche Zusatzqualifikation
Offizielle Amtssprache ist Rumänisch, aber Russisch genießt historisch bedingt eine Sonderrolle und ist im Alltag und in der Wirtschaft sehr präsent. Beim Fremdsprachenerwerb in den Schulen konkurriert Deutsch nicht nur mit Englisch, sondern auch mit Französisch. „Ich unterrichte auf Deutsch und zwar Literaturgeschichte, deutsche Landeskunde, Einführung in die Germanistik, deutsche und europäische Geschichte – nicht nur im Bachelor-, sondern auch im Masterstudiengang“, erzählt Bellmann. „Außerdem bin ich TestDaF-Prüfungsbeauftragte. Da ich die einzige Repräsentantin des DAAD im Land bin, reise ich häufig zu anderen Universitäten, um dort über Germanistik und Studienmöglichkeiten in Deutschland zu informieren und arbeite dafür auch eng mit der Deutschen Botschaft zusammen.“
Sophia Bellmann hat Europawissenschaften an der Universität Leipzig studiert. Zu Osteuropa fühlt sie sich besonders hingezogen: „Ich bin in der Sowjetunion geboren und mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen.“ Obwohl sie bereits die vierte DAAD-Lektorin im Land ist, fühlt sie sich manchmal wie eine Pionierin. Als Wirtschaftsmacht habe Deutschland ein gutes Image bei den Studierenden; das Erlernen der deutschen Sprache wird als berufliche Zusatzqualifikation gesehen und geschieht nicht aus Liebe zur deutschen Klassik. Derzeit sind an der „Ion Creanga“ 150 Studierende für Germanistik eingeschrieben. „Der Lehrstuhlinhaber lässt mir viel Spielraum für kreative Projekte mit den Studierenden“, berichtet Bellmann. So ist 2013 zum 15-jährigen Bestehen des DAAD-Lektorats ein Reiseführer über die Republik Moldau mit dem Titel „Klein, aber fein! Der Kulturreiseführer aus erster Hand“ in deutscher Sprache erschienen; unter der Leitung Bellmanns haben ihn Studierende verfasst.
Hoffnung der jungen Generation
Der Kulturreiseführer ist einerseits beste Werbung für die Germanistik, zum anderen rückt er die Republik Moldau als attraktives Tourismusziel in den Fokus. Stolz ist Bellmann auch auf das von ihr betreute Magazin „Nouă – Stories from Moldova“, das erste unabhängige Magazin in Moldawien, erschienen im November 2014. „30 Leute haben innerhalb von 14 Tagen ein Magazin auf Rumänisch, Russisch und Englisch produziert. Die Interviews und Porträts stellen einen Querschnitt der Gesellschaft dar.“
Wie sich die Republik Moldau weiterentwickeln wird, ist auch für Sophia Bellmann schwer einzuschätzen. Einiges macht ihr Mut, wie die Parlamentswahlen im November 2014: „Ich war als Wahlbeobachterin dabei und habe den Eindruck, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen ist“, sagt sie. Die Hoffnungen des Landes ruhten auf der jungen Generation oder wie es im Magazin „Nouă“ heißt: „Moldawiens Zukunft liegt in der Kreativität seiner jungen Leute, die nationale Grenzen ebenso leicht überschreiten wie die bei Regen überfluteten Straßen Chişinăus.“ Ein Satz, in dem auch die Perspektive auf die Überwindung der Zerrissenheit zwischen Ost und West durchscheint – vielleicht sogar mit der Leichtigkeit, mit der schon heute junge Moldauer zwischen den verschiedenen Sprachen wechseln.
Claudia Wallendorf (12. August 2015)
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