GAIN-Jahrestagung: DAAD-Referatsleiter Holger Finken im Gespräch

GAIN

DAAD-Referatsleiter Dr. Holger Finken im Gespräch mit Postdoktoranden

Mehr als 300 Teilnehmer und 70 Aussteller: Die 15. Jahrestagung des Netzwerks deutscher Wissenschaftler in Nordamerika (GAIN) versammelte deutsche Spitzenforscher, Vertreter der Politik und führende Unternehmen aus Wissenschaft, Forschung und Industrie in San Francisco, um über Zukunftsperspektiven in Deutschland zu diskutieren. Da viele Wissenschaftler mit Stipendien des DAAD forschen, reiste Dr. Holger Finken zur Tagung in die Vereinigten Staaten. Er leitet beim DAAD das Referat Forschungsprogramme.

Herr Dr. Finken, Sie haben in diesem Jahr zum ersten Mal an einer GAIN-Jahrestagung teilgenommen. Was nehmen Sie mit aus den drei Tagen?

Holger Finken: Das hohe Niveau der jungen deutschen Forscherinnen und Forscher in Nordamerika und die konstruktive Atmosphäre haben mich sehr beeindruckt. Die Tagung zielte darauf ab, Wege zu finden, wie sich die Karrieren deutscher Nachwuchswissenschaftler in den USA am besten mit deutschen Interessen übereinbringen lassen. Es geht also darum, gute Möglichkeiten für die Forscher zu schaffen, später auch in Deutschland zu arbeiten.

Schwerpunkt der Tagung waren Karrierewege, die nicht in der Professur münden, also eher „Forschungs- und Wissenschaftsmanagement“. Welche Bedeutung hat das für junge deutsche Wissenschaftler?

Auf der Tagung wurde deutlich, dass ihnen neben der Universitätskarriere eine Fülle außeruniversitärer Einrichtungen offensteht, um ihre Karriere fortzusetzen – angefangen bei der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft über Fachhochschulen bis zu diversen Unternehmen in der Wirtschaft. Hinzu kommen Ministerien, die Ressortforschung, die deutschen Wissenschaftsorganisationen oder auch europäische Organisationen. Es gibt also viele gute Chancen, auch außerhalb der Universität als Wissenschaftler oder Wissenschaftsmanager zu arbeiten.

Wie war die Resonanz?

Die Wissenschaftler forschen in den USA zumeist dank Stipendien. Sie sind also hoch kompetitiv ausgewählt – die Crème de la Crème. Natürlich bleibt für sie die Professur an einer Universität ein interessantes Ziel, aber es rücken eben auch andere Optionen ins Blickfeld. Eine Karriere im Forschungs- und Wissenschaftsmanagement ist eine gute Möglichkeit, weil sie nicht ausschließt, dass sie nah an der Wissenschaft bleiben. Wer zum Beispiel Geschäftsführer an einem Forschungszentrum oder Leiter eines Projektes an einer Hochschule wird, kann weiterhin für die Wissenschaft arbeiten.

Das Interesse aus Deutschland an der Talent Fair war mit 70 Ausstellern bei der diesjährigen Tagung ungebrochen hoch. Was sind die Gründe?

Die GAIN-Community besteht aus sehr gut ausgebildeten jungen Leuten, die in den USA an Top-Universitäten forschen. Deutsche Hochschulen, außeruniversitäre Forschungsorganisa-tionen oder große Unternehmen wollen möglichst viele aus diesem Kreis für sich gewinnen und kommen daher zur Talent Fair in die USA.

Sie leiten beim DAAD das Referat Forschungsprogramme – konnten Sie bei der Jahrestagung des Netzwerks deutscher Wissenschaftler in Nordamerika neue Impulse gewinnen?

Die Ideen, die wir schon seit einer ganzen Weile verfolgen, haben wir dort bestätigen können. Viele Wissenschaftler treiben Fragen zu sozialer Absicherung wie beispielsweise Möglichkeiten einer Elternzeit um. Während sich solche Fragen im Kontext eines Stipendiums nicht einfach beantworten lassen, ist das bei sozialversicherungspflichtigen Jobs anders. Der DAAD fördert daher neben dem traditionellen Stipendienmodell auch befristete Stellen für Postdoktoranden, zum Beispiel in dem neuen Programm P.R.I.M.E. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht und denken darüber nach, das Programm fortzusetzen und auszubauen.

In Deutschland hat das Bundeskabinett im September einen Gesetzentwurf zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz verabschiedet, um den „Wildwuchs an Kurzzeitverträgen“, wie es dort heißt, einzudämmen. Was kommt davon bei der GAIN-Community in Nordamerika an?

Die Debatte wird hier sehr genau verfolgt, denn auch die Forscher, die nicht auf Anhieb eine Professur bekommen, wollen überwiegend in der Wissenschaft bleiben. Dafür sollten dann die Bedingungen natürlich so gut wie möglich sein. Die GAIN-Community hofft, dass Wissenschaftler sich nicht mehr von Kurzzeitstelle zu Kurzzeitstelle hangeln müssen, sondern länger befristete Stellen erhalten. Dass der Bund nun dauerhaft die gesamte Finanzierung des BAföG übernimmt, könnte es den Bundesländern ermöglichen, mehr unbefristete Stellen zu schaffen. Generell schauen die Forscher hoffnungsvoller nach Deutschland als noch vor einiger Zeit. Trotzdem ist es nicht so, dass alle Probleme gelöst sind. Immer noch fehlen unbefristete Jobs, Stellen sind oft nicht lang genug befristet und das Tenure-Track-Modell der Nachwuchsförderung, das an US-Hochschulen sehr verbreitet ist, hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt.

Sie leiteten zuvor die DAAD-Außenstelle in Tokio. Worin unterscheidet sich die Situation deutscher Wissenschaftler in Japan von der in USA?

Deutsche Wissenschaftler, die in Japan arbeiten, sind ebenfalls hoch-kompetitiv ausgewählt, japanische Top-Universitäten zählen zur weltweiten Spitze, Wissenschaftssprache ist Englisch – das ähnelt sich alles sehr. Allerdings unterscheidet sich die japanische Kultur viel mehr von der europäischen als die amerikanische. Zudem sollten die Wissenschaftler etwas Japanisch für den Alltag sprechen können. Das Umfeld ist also etwas schwieriger. Die Qualität der Wissenschaft ist aber ähnlich hoch wie in den USA.

Interview: Benjamin Haerdle (04. September 2015)

15. GAIN-Jahrestagung

Tagung in San Francisco

Es war ein Jubiläum: Schon zum 15. Mal kamen deutsche Nachwuchswissenschaftler, die in den USA und Kanada forschen und lehren, auf der GAIN-Jahrestagung mit hochkarätigen Vertretern aus Hochschule, Wirtschaft und der Politik aus Deutschland zusammen.

Schwerpunkt der diesjährigen Tagung, zu der der DAAD, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) von 28. bis 30. August nach San Francisco eingeladen hatten, war das Thema Forschungs- und Wissenschaftsmanagement. „Das Interesse an der GAIN-Tagung ist ungebrochen hoch“, sagte GAIN-Programmleiter Dr. Gerrit Rößler. Das habe man an der hohen Teilnehmerzahl für Workshops, Arbeitsgruppen und Vorträge gemerkt sowie daran, dass sich für die begleitende Talent Fair 70 Aussteller angemeldet hatten. Mit 315 Wissenschaftlern, die in Nordamerika arbeiten, sei die Teilnehmerzahl enorm hoch gewesen.

Ein Vorteil des diesjährigen Veranstaltungsorts an der Westküste ist laut Gerrit Rößler, dass San Francisco im Umkreis vieler hochkarätiger US-Eliteeinrichtungen wie den Universitäten Berkeley und Stanford sowie dem Hightech-Cluster Silicon Valley liegt. „Das ist sehr attraktiv. Für viele deutsche Hochschulen bietet die Tagung wichtige Synergieeffekte“, sagte Rößler. So organisierte etwa der Hochschulverband TU9, in dem Deutschlands führende Technische Universitäten versammelt sind, Besuchsreisen zu US-Hochschulen.

An der GAIN-Tagung nahmen Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Prof. Sabine Kunst, Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Mitglied der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, vier Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie ranghohe Vertreter des DAAD, der Hochschulrektorenkonferenz, der DFG und der AvH teil. Die Keynote der Tagung sprach der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. Jörg Hacker. Er thematisierte in seinem Vortrag die Karrierepotenziale in Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft.

Stand: 04.09.2015