ERASMUS und vieles mehr: Ein kleiner Oscar fürs Lebenswerk
DAAD
Siegbert Wuttig mit Androulla Vassiliou, EU-Bildungskommissarin von 2010 bis 2014
Seit 1987 fungiert der DAAD als Nationale Agentur für die europäischen Programme im Hochschulbereich. Fast von Beginn an war Dr. Siegbert Wuttig beim DAAD für die europäische Hochschulzusammenarbeit zuständig. Er hat die Integration der ehemaligen DDR-Hochschulen in die EU-Kooperationsnetze begleitet und den ASEM-Bildungsdialog zwischen Europa und Asien mitkoordiniert. Im vergangenen Jahr ist er in den Ruhestand gegangen. Nun zeichnet die European Association for International Education (EAIE) ihn mit dem Constance Meldrum Award für Vision und Leitung aus.
Herr Dr. Wuttig, 25 Jahre lang förderten Sie als Leiter der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit des DAAD die Mobilität von Studierenden und die akademische Zusammenarbeit. Nun ehrt Sie die European Association for International Education (EAIE) dafür mit dem Constance-Meldrum-Award. Wie fühlt sich das an?
Siegbert Wuttig: Ich habe die Nachricht am Tag vor meinen Geburtstag im Juni erhalten, ich saß gerade ganz entspannt in Wien im Café Landtmann bei einem Apfelstrudel. Das war eine wirklich schöne Überraschung. Nach so einer langen Zeit mit einer Aufgabe sieht man eine solche Auszeichnung vielleicht etwas pathetischer, wie einen kleinen Oscar fürs Lebenswerk. In der Bildung ist es nicht so häufig, dass es Preise gibt. Ich bin stolz darauf, dass ich auch in den Augen anderer offenbar Einiges richtig gemacht habe. Für mich war es immer das Wichtigste, mit Haut und Haaren dabei zu sein.
Das Auswahlkomitee der EAIE nennt Sie eine „inspirierende Führungspersönlichkeit“ und eine „herausragende Persönlichkeit im europäischen und internationalen Hochschulaustausch“. Wenn Sie sich zurückerinnern: Was war schwierig in Ihrer Zeit beim DAAD – und worauf sind Sie stolz?
Seit 1987 fungiert der DAAD als Nationale Agentur für die europäischen Programme im Hochschulbereich. Wir sind damit die älteste Agentur im EU-Bereich. Für mich ist wichtig, dass wir, das Team der nationalen Agentur im DAAD, es geschafft haben, dass der DAAD immer vorne dran war als Agentur. In der langen Zeit meiner Tätigkeit gab es immer wieder größere Herausforderungen. So zieht sich wie ein Leitmotiv durch all die Jahre der Kampf gegen die Bürokratie. Ganz gravierend merkten wir das Mitte der 1990er-Jahre bei der Umstellung von ERASMUS auf das SOKRATES-Programm. Bis dahin war der Studierendenaustausch in Projekte eingebettet, die jeder Professor beantragen konnte. Dann wurde die Organisation des Austausches umgestellt und die Hochschule erhielt nur noch einen einzigen institutionellen Vertrag. Der institutionelle Rahmen war durchaus sinnvoll, wenn man viele Studierende über die Grenzen bringen will. Allerdings brachte diese Umstellung zunächst auch mehr Bürokratie mit sich. Die Folge war ein riesiger Aufschrei der Hochschulen, der durch die Republik in Richtung Brüssel ging und schließlich die Rücknahme einiger Änderungen brachte. Das hat letztlich dazu beigetragen, dass das Programm in den folgenden Jahren zu dem Erfolg wurde, der es noch heute ist. Das heißt aber nicht, dass das jetzige Programm nicht noch einfacher werden könnte.
Wie haben Sie die oftmals gravierenden Perspektivenwechsel Ihrer internationalen Arbeit erlebt?
Besonders stolz bin ich auf die Integration der ehemaligen DDR-Hochschulen in die europäische Bildungszusammenarbeit. Wir sind schon 1990, noch vor der offiziellen Wiedervereinigung, in Ost-Berlin gewesen, um vorzustellen, was die Europäische Gemeinschaft und ihre Programme für die Hochschulen der neuen Bundesländer zu bieten hatten. So entstanden zahlreiche neue „Westpartnerschaften“ und neue Möglichkeiten für Studierende und Wissenschaftler aus der ehemaligen DDR, in Europa zu studieren oder zu lehren.
Mein Anliegen in meiner Arbeit innerhalb und außerhalb des DAAD war es immer, sich ständig neu zu erfinden, neue Projekte an Land zu ziehen. So als wir beispielsweise mit Unterstützung des BMBF das Projekt „Europa macht Schule“ starten konnten oder von 2009 bis 2013 das internationale ASEM-Sekretariat für die Zusammenarbeit der Bildungsminister in Europa und Asien werden konnten. Das hat meine Arbeit auf den asiatischen Raum erweitert. Wir wirkten in der ersten Reihe bei den Treffen der Bildungsminister in Berlin, Hanoi, Kopenhagen und Kuala Lumpur mit.
Sie haben den Start von ERASMUS einmal als „holprig“ beschrieben. Inzwischen hat sich das Programm etabliert: Mehr als drei Millionen Studierende und 300.000 Lehrende waren bereits über ERASMUS im Ausland. Warum ist ERASMUS so beliebt?
ERASMUS hat es geschafft, zu einer überall bekannten Marke zu werden, denken Sie nur an den Film „L'auberge espagnole“. Darin gibt es eine Szene: Zwei junge Leute treffen sich in Barcelona, der eine fragt: „Erasmus?“ Dann ist alles klar, das ist wie ein Codewort, man braucht nicht mehr viele Worte darüber zu verlieren. Auch bei Presse und Politik stand und steht das Programm immer im Fokus. ERASMUS ist zu einer richtigen Erfolgsstory geworden.
Mit dem neuen Erasmus+ haben sich die internationale Dimension und das Spektrum der Austausch- und Kooperationsmöglichkeiten noch einmal erweitert. Es geht jetzt auch darum, wie man Einrichtungen aus verschiedenen Bildungsbereichen, wie Hochschulen, Schulen und Wirtschaftsbetriebe, in Europa untereinander vernetzen kann. Das Programm bietet die Chance, einen Teil des Studiums im außereuropäischen Ausland zu absolvieren. Ich bin sicher, dass das Programm weiter wachsen wird.
Von 15. bis 18. September findet in Glasgow die Jahreskonferenz der EAIE in Glasgow statt, bei der auch die EAIE-Awards verliehen werden. Sie können leider nicht teilnehmen.
Nein, aus persönlichen Gründen leider nicht, aber ich habe eine Videobotschaft geschickt. Darin erzähle ich, dass ich die Namensgeberin meines Preises, die Britin Constance Meldrum, von bilateralen Erasmus-Gesprächen mit der EU seit Anfang der 1990er-Jahre gut kannte und hoch schätzte. Sie arbeitete für die Europäische Kommission und war in der Folge zuständig für die Förderprogramme mit den USA und Kanada. Das waren quasi die Vorläufer für den heutigen internationalen Austausch der EU. Leider verstarb Constance viel zu früh, eine sehr liebenswürdige und kompetente Frau. Ich freue mich, dass der Constance Meldrum Award von der EAIE verliehen wird, denn die EAIE ist die Plattform in Europa für internationalen Austausch und das richtige Forum für diese Preisverleihung. Der DAAD hat übrigens die EAIE schon lange als wichtiges Forum für das Hochschulmarketing erkannt und nutzt die Konferenz, um in der Begleitmesse gemeinsam mit deutschen Hochschulen Studien- und Fördermöglichkeiten in Deutschland dem internationalen Publikum zu präsentieren.
Interview: Sarah Kanning (16. September 2015)
Weiterführende Links
EAIE – European Association for International Education
Die Nationale Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD
ERASMUS+ Das neue Bildungsprogramm der EU
Die Vorteile von ERASMUS+ – Siegbert Wuttig im Interview
Stand: 08.12.2015