Chance digitale Hochschulbildung
Hochschulforum Digitalisierung
Konferenzteilnehmer in Berlin: klassisches Forum, virtuell ausgreifender Austausch
Der „Digital Turn“ erreicht die Hochschulen. Mehr als 70 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik debattieren seit eineinhalb Jahren miteinander im „Hochschulforum Digitalisierung“. In sechs Themengruppen aufgeteilt untersuchen sie die Auswirkungen der Digitalisierung für Lehre und Forschung und arbeiten an Handlungsoptionen. Auch der DAAD ist in den lösungsorientierten Austausch involviert. Auf der Halbzeitkonferenz in Berlin präsentierten die Beteiligten erste Ergebnisse in Form von Thesen.
Ganz konkret und gar nicht virtuell ist das Atrium im Allianz Forum nahe des Brandenburger Tors mit fast 300 Gästen gefüllt. Sie finden sich zur Halbzeitkonferenz des „Hochschulforums Digitalisierung“ ein. In diesem Projekt, das vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) organisiert wird, tauschen sich hochrangige Experten noch bis Ende 2016 über die Herausforderungen der Digitalisierung für die Hochschulen aus. 20 erste Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung standen nun auf der Konferenz erstmals zur Diskussion. Eine Woche lang setzten sich mehr als 1.000 Interessierte damit auseinander.
Strategie- und Profilbildung mit Hilfe der virtuellen Medien
„Mit Blick auf die Lehre an Hochschulen geht es nicht darum, analoge Lerninhalte einfach nur in Online-Formate zu übertragen, sondern um didaktische Konzepte“, sagte Dr. Volker Meyer-Guckel in seiner Begrüßungsansprache. Der Generalsekretär des Stifterverbands fasste die Aufgabe zusammen, die letztlich alle Arbeitsgruppen als zentral erkannten: „Jenseits von technischen Fragen der Digitalisierung bedeutet sie für Hochschulen in jedem Fall Prozesse der Strategie- und Profilbildung und viele Chancen zur Kollaboration.“
Hochschulforum Digitalisierung
Vom Abstrakten zum Konkreten: Am Prozess der Digitalisierung kann sich jeder beteiligen
Die Debatten aus den Themengruppen – etwa zu Digitalisierung und Lern- und Prüfungsszenarien, Hochschulmanagement und Organisationsentwicklung oder dem Design von Lehrplänen und der Qualitätsentwicklung – werden im Internet ständig aktualisiert. Das Hochschulforum Digitalisierung will einen offenen Prozess, an dem sich jeder beteiligen kann – auch jenseits der Expertenrunden.
Digitalisierung für Internationalisierung
Auch die Internationalisierung der Hochschulen im digitalen Zeitalter steht im Fokus. Diese Expertengruppe repräsentierte DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland. Die inzwischen weltweit als notwendig und wichtig erkannte globale Vernetzung der Hochschulen, ihre Kooperation in Forschung und Lehre, sowie ihre erfolgreiche Sichtbarkeit auf dem internationalen Bildungsmarkt seien ohne eine Digitalisierungsstrategie in Zukunft kaum noch denkbar, erläuterte Rüland. „Im Bereich der Digitalisierung liegt noch viel Potenzial, das wir bisher nicht genutzt haben.“
Im Hochschulmarketing zum Beispiel: Virtuelle Hochschulmessen könnten neue Bildungsmärkte erschließen. „Man kann so in Ländern präsent sein, in denen die Sicherheitslage kritisch ist“, sagte Rüland. Auch im Zusammenhang mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte könne Digitalisierung an den Hochschulen dabei helfen, geflüchtete junge Menschen in die Hochschulen zu integrieren. „Ich denke dabei an Studienvorbereitung, Studieneingangsphasen, die Begleitung des Studiums oder auch die Nachbereitung – da kann man viel über das digitale Netz machen.“ Wie gut das gehen kann, zeigen Erfahrungen des DAAD in der transnationalen Bildung. Die virtuelle Begleitung von Flying Faculties etwa oder von trinationalen Studiengängen wird bereits über den Einsatz digitaler Medien mit wenigen Präsenzphasen realisiert.
Hochschulforum Digitalisierung
Dialog für die Zukunft: Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen, DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland und Volker Meyer-Guckel,stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes
Die Welle nimmt Schwung auf
Noch ist viel zu tun, aber die Welle der Digitalisierung nimmt an den Hochschulen Schwung auf. „Es bedarf noch einer breiteren Bewusstseinsbildung über die Bedeutung und die Möglichkeiten des Themas“, betonte Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Mehr Geld für die Erforschung dieser Möglichkeiten steht bereit, auch die Themenwoche zur Digitalisierung, „The Digital Turn – Hochschulen im Transformationsprozess“, wird vom BMBF gefördert.
In der regen Debatte um besseres Hochschulmarketing dank der Digitalisierung wurde jedoch auch kritisch angemerkt, dass Studierende in sozialen Netzwerken eine neue Art von Marketing betrieben, auf die Hochschulleitungen wenig Einfluss hätten. Auch solche Herausforderungen stellen sich. Und Dr. Michael Lehmann, Abteilungsleiter für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt und Mitglied der Kultusministerkonferenz gab zu bedenken: „Wir müssen Digitalisierung dem Instrumentellen zuordnen – das Denken ersetzt sie nicht.“
Bettina Mittelstraß (21. September 2015)