Deutsch-Französischer Forscherdialog: Austausch für die Lehrer von morgen
DAAD/Mathias Nofze
Veranstaltungsort des jüngsten Deutsch-Französischen Forscherdialogs: die "École supérieure du professorat et de l’éducation (ESPE)" an der Universität Nizza
Die Internationalisierung der Lehrerausbildung gewinnt an Bedeutung: Zunehmend wird erkannt, welche zentrale Rolle den Pädagogen als wichtige Multiplikatoren im Werben für den akademischen Austausch zukommt. Wie sich international über den Lehrerberuf diskutieren lässt, zeigte Ende September eine Veranstaltung des vom DAAD Paris initiierten „Deutsch-Französischen Forscherdialogs“ in Nizza.
„Was macht einen guten Lehrer aus?“ Da fragt man am besten die „Nutzer“, also die Schüler. „Lieb“ soll er sein, wahlweise auch „witzig“, nicht so streng und gut erklären können. Das erfuhr man aus Videos, die auf einem deutsch-französischen Studientag in Nizza präsentiert wurden. Zwei Lehramtsanwärter für Deutsch bzw. Französisch hatten die Kurzfilme an einer deutschen und an einer französischen Schule gedreht. Bei aller Verschiedenheit der Schulsysteme in beiden Ländern schienen sich die Schüler, zwischen acht und 13 Jahre alt, in diesem Punkt einig zu sein. Formuliert man die Aussagen im Jargon der Fachdidaktiker, so hat man zwei wesentliche Eigenschaften eines guten Lehrers bereits beisammen: Empathie und Vermittlungskompetenz. Was noch fehlt, das erfuhren die Teilnehmer während der ganztägigen Veranstaltung, die Experten aus Verwaltung, Schule und Hochschule zusammenführte, daneben aber auch Lehramtsanwärter selbst zu Wort kommen ließ. „Es war uns wichtig, Theorie und Praxis zusammenzubringen“, so Dr. Christine Schmider, die als DAAD-Lektorin nach Frankreich kam, heute an der Universität Nizza Germanistik lehrt und zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Jean-Marc Bobillon die Veranstaltung organisiert hat. Gefördert wurde der Studientag im Rahmen des „Deutsch-Französischen Forscherdialogs“, den die Pariser Außenstelle des DAAD im vergangenen Jahr angestoßen hatte. „Es wird in diesem Jahr insgesamt neun dieser Dialoge geben“, so Christiane Schmeken, Leiterin des DAAD Paris. „Unsere Alumni in Frankreich erhalten so die Möglichkeit, sich mit deutschen Partnern zu fachübergreifenden Themen und globalen Fragen auszutauschen. Für den DAAD ist ein willkommener Nebeneffekt, dass er an Hochschulen und in Fachbereichen sichtbar wird, die nicht schon traditionell eng mit ihm verbunden sind.“
DAAD/Mathias Nofze
Gesprächspartner in Nizza: Jean-Marc Bobillon, Christine Schmider, Christiane Schmeken und die aktuelle DAAD-Lektorin in Nizza, Katharina Weiss
Blick auf verschiedene Wissenssphären
Dr. Shona Whyte, Fachdidaktikerin für Englisch an der Universität Nizza, fasste das Anforderungsprofil für einen guten Lehrer so zusammen: Kommunikation und Interaktion, Distanz zur eigenen Rolle, Austausch mit Kollegen und ständige Fortbildung. Fertige Rezepte sind das alles nicht, weshalb Whyte abschließend mit „Folge deinem eigenen Weg“ wieder die Lehrerpersönlichkeit und deren kreatives Potenzial herausstellte.
Professor Rudolf Denk, ehemaliger Rektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg, umschrieb die Aufgabe des Lehrers mit Blick auf verschiedene Wissenssphären. Ins Zentrum stellte er die Fachdidaktik, um die sich Fachwissenschaft, pädagogisch-psychologisches und interkulturelles Wissen sowie die reflektierte Schulpraxis gruppieren. Da die gleichmäßige Berücksichtigung all dieser Elemente nahezu unmöglich sei, werde in Deutschland wie in Frankreich die Lehrerbildung ständig reformiert.
Professor Sylvie Méron-Minuth, Fachdidaktikerin der romanischen Sprachen an der Universität Regensburg, hob hervor, dass der Lehrerbildung seit einiger Zeit erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werde. Greifbarer Ausdruck dafür seien die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern wie auch die „Berliner Erklärung zur Lehrerbildung“ von Deutsche Telekom Stiftung, Stifterverband und Hochschulrektorenkonferenz. Auf französischer Seite rief Agnès Levicky, Inspekteurin für Deutsch, die Deutschlehrer dazu auf, trotz oder gerade wegen der jüngsten Schulreform in Frankreich ihren Einsatz für den Erhalt des Deutschen noch zu steigern. Klassenfahrten, Austauschprogramme und Praxisprojekte seien nötig, um Deutsch bei den französischen Schülern attraktiv zu machen.
Etablierter bilingualer Studiengang
Vor dem Hintergrund der komplexen Schulverwaltungsstrukturen in beiden Ländern ist es nicht einfach, einen integrierten, bilingualen deutsch-französischen Studiengang einzurichten. Christine Schmider ist es dennoch gelungen. Sie etablierte einen Lehramtsmaster für Deutsch und Französisch an den Universitäten Nizza und Regensburg. Absolventen werden als Französischlehrer in Deutschland oder Deutschlehrer in Frankreich arbeiten können. Besonders attraktiv an dem Doppeldiplomstudiengang: Der berüchtigte französische CAPES ist in den Lehrplan integriert. Dieses „Certificat d’aptitude au professorat de l’enseignement du second degré“ ist in Frankreich unabdingbar, um als Lehrer arbeiten zu können. 15 Studierende aus beiden Ländern büffeln derzeit und lernen bei Studienaufenthalten nebenbei den Flair des bayerischen Barock wie den Zauber der Côte d’Azur schätzen. Einer von ihnen ist Victor Hoffmann von Waldau, französischer Student mit weit zurückliegenden deutschen Wurzeln. „Mir hat das Konzept des Studiengangs gefallen“, sagt er, und das Regensburger Gymnasium, in dem er ein Praktikum absolvierte, sei „super“ gewesen.
Der Germanistikabteilung in Nizza, über deren Schließung schon gemunkelt wurde, hat dieser Studiengang spürbaren Aufwind verliehen. Den will der DAAD unterstützen, wie Christiane Schmeken hervorhebt: „Ab September 2016 soll ein DAAD-Lektorat für Fachdidaktik in Nizza eingerichtet werden.“ Stärkung des Deutschen in der Region ist auch von anderer Stelle zu erwarten: Anfang 2016 nimmt in Nizza das deutsch-französische Kulturinstitut „Richard von Weizsäcker“ seinen Betrieb auf.
Mathias Nofze (29. September 2015)