Erasmus+ gestaltet die europäische Gesellschaft
DAAD/Paasch
"Employability" als Erasmus-Ziel? Auf dem Podium diskutierten in Berlin (v. l.): Mechthild Dreyer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Adam Tyson (Europäische Kommission), DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland, Dieter Leonhard (Hochschule Mannheim) und Sandro Philippi („freier zusammenschluss von studentInnenschaften e.V.“)
Die Erasmus+ Jahrestagung 2015 an der Humboldt-Universität zu Berlin richtete den Blick auf den politischen Rahmen des Programms. Zum Auftakt reflektierten die geladenen Vortragenden vor den über 500 angereisten Erasmus+ Hochschul- und Projektkoordinatoren auch noch einmal die grundlegenden Ziele des Bildungsprogramms für die europäische Gesellschaft, um daraufhin die Zukunftsaufgaben zu justieren.
Warum machen wir das eigentlich alles? Auch wenn die Zustimmung zum Erasmus+ Programm mit seinen Neuerungen und Erweiterungen groß ist – ganz leicht war die Umsetzung in den ersten anderthalb Jahren für die vielen engagierten Koordinatoren an den Hochschulen nicht. Die neue Programmgeneration brachte aber viel Positives mit sich, fasste DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland zusammen. „Darunter hat die mehrfache Mobilitätsförderung bis hin zu strategischen Partnerschaften eine sehr große Nachfrage erfahren“. Und so gab es viel zu lernen über die neuen Möglichkeiten, viele neue Regeln zu beachten und viele Detailfragen, über die man sich dann auch auf der Erasmus+ Jahrestagung in zahlreichen Workshops etwa über den neuen ECTS Users‘ Guide, Kooperationsmöglichkeiten, Personalmobilität oder Qualitätssicherung in gemeinsamen Studiengängen austauschen konnte.
Die Kraft der Hochschulbildung in Europa
Umso hilfreicher war es, zu Beginn der Tagung inne zu halten und Motive und Ziele des Programms im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess zu reflektieren. Denn das trägt dazu bei, sagte Adam Tyson, Leiter der Abteilung für Hochschulbildung und Erasmus+ in der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission in seiner Rede, „unseren Glauben an die Rolle der Hochschulbildung und ihre Bedeutung für die Entwicklung einer Gesellschaft im Ganzen zu stärken“.
Adam Tyson und auch Ministerialdirigent Peter Greisler, Leiter der Unterabteilung Hochschulen im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), erinnerten dazu an die achte Bologna-Ministerinnen- und Ministerkonferenz in Jerewan im Mai 2015. Beide Redner machten deutlich, dass die Anstrengungen für die Umsetzung der internationalen Reformziele, für eine moderne und inklusive Form der Hochschulbildung und für das Mobilitätsprogramm Erasmus+ letztlich der Gestaltung von europäischen Gesellschaften in den Bologna-Ländern dienten. Auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen gewinne Erasmus+ an politisch hoher Bedeutung, betonte Dorothea Rüland: „Ob Griechenlandkrise oder Flüchtlingsfrage: die Herausforderungen, vor denen Europa derzeit steht, zeigen mehr denn je, wie wichtig das Weben des Stoffes ist, der die Europäische Union als Wertegemeinschaft zusammenhält.“
Nicht nur „Employability“ fördern
Bologna-Prozess und Erasmus-Programm gehen Hand in Hand: „Die Mobilität der Studierenden, die mit dem Erasmus+ Programm in Europa unterwegs sind, fordert letztlich die Umsetzung der Bologna-Reformen ein“, erläuterte Dr. Hanns Sylvester von der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD (NA DAAD). „Das Einhalten des gemeinsamen Regelwerks ist essenziell, um Transparenz und Qualität und damit letztlich Vertrauen in die anderen Hochschulsysteme zu erreichen und so dann letztlich auch Mobilität und Kooperation zu stärken“, ergänzte in Berlin Peter Greisler.
Im Fokus bleibt der Bildungserfolg der über das europäische Mobilitätsprogramm Geförderten. Ein Bildungserfolg, der auf der Jahrestagung ebenfalls zur Debatte stand: Ist damit vor allem die viel beschworene „Employability“, eine Ausbildung zur Berufsbefähigung, gemeint oder doch mehr?
„Die letzte Programmgeneration von Erasmus wurde vor dem Hintergrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern entwickelt“, sagte Hanns Sylvester. Dass Jobbefähigung allein zu wenig des Bildungserfolgs wäre, darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Employability: Unwort oder Antwort?“ einig. Vielmehr gehe es im Kern um eine Ausbildung zum „forschenden Denken“, sagte Professor Mechthild Dreyer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dies fand Anklang in der Runde: Praxisorientierung dürfe nicht zu sehr auf Einzelfragen aus der Industrie zugeschnitten sein, meinte Sandro Philippi, von „freier zusammenschluss von studentInnenschaften e.V.“. Professor Dieter Leonhard von der Hochschule Mannheim führte aus, dass eine enge Konzentration auf die Vermittlung von Fachwissen nicht das Ziel sein könne. Vor dem Hintergrund eines sich ständig verändernden europäischen Arbeitsmarktes gehe es zudem darum, so Mechthild Dreyer, „Studierende so auszubilden, dass sie Orientierung finden und Verantwortung übernehmen können, Kompetenzen erhalten, um unterschiedlichen Berufungen gerecht zu werden und eine Haltung zu entwickeln, um auf die verschiedenen Herausforderungen eines Berufsleben antworten zu können“.
Geplante Aufstockung des Budgets
Die Kraftanstrengungen für Erasmus+ werden auch in Zukunft für die nationalen Agenturen und die europäischen Hochschulen weiter gehen, machte Adam Tyson deutlich. Aber er hatte für das Auditorium auch die Botschaft, dass die EU-Kommission in nächster Zeit nur noch vereinzelt Neuerungen im Programmdesign einführen wird und Stabilität erreichen will. Mit einer Aufstockung des Budgets für Erasmus+ können die Länder ab 2017 rechnen. Dranbleiben lautete Tysons Appell zum Schluss, denn, so der Brite mit einem deutschen Sprichwort: „Geduld bringt Rosen!“
Bettina Mittelstraß (6. Oktober 2015)
DAAD/Paasch
Hanns Sylvester (l.) und Ministerialdirigent Peter Greisler ehrten (v. l.) Andrea Blei (Ludwig-Maximilians-Universität München), Sigrid Rieuwerts (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und Almut Bareiß (Universität Passau)
Preiswürdiger Einsatz für Erasmus+
Der Förderpreis „Committed to Uniqueness 2015“ (COM2UNI), den die Nationale Agentur im DAAD jährlich vergibt, ging auf der Jahrestagung in Berlin an die Studiengänge Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Ausländisches Recht an der Universität Passau und an den Studiengang Englisch für Lehramt an Gymnasien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Den Erasmus+ Individualpreis 2015 verlieh die NA DAAD Klaus Düformantel von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg für dessen langjähriges Engagment als Leiter des EU-Büros.