Herausragendes Forum für den deutsch-koreanischen Austausch
ADeKo/Yun Hee Jeon
Begegnung in Seoul (v. l.): Botschafter Rolf Mafael im Gespräch mit Bundespräsident Gauck, Wissenschaftsminister Choi und dem ADeKo-Vorstandsvorsitzenden Kim
Bundespräsident Gauck sprach zur Eröffnung – und auch darüber hinaus war es eine außergewöhnliche Veranstaltung: In Seoul fand Mitte Oktober bereits zum siebten Mal die deutsch-koreanische Wissenschaftskonferenz statt, diesmal unter der Überschrift „Science and Innovation“. Die unter anderen von der Deutschen Botschaft und dem Alumninetzwerk ADeKo organisierte Konferenz wurde auch vom DAAD gefördert.
Bereits eine Stunde vor Konferenzbeginn standen die Besucher an den Registrierungsschaltern Schlange und Reporterteams waren zu Dutzenden im Grand Hyatt in Seoul eingetroffen. Der Andrang auf den bald restlos gefüllten Ballsaal war vor allem auch dem überaus hochkarätigen Redner-Programm der siebten deutsch-koreanischen Wissenschaftskonferenz geschuldet: So wurde unter anderen der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck an diesem sonnigen Oktobermorgen erwartet, ebenso der Vorstandsvorsitzende der größten Telekommunikationsfirma Südkoreas, KT, Dr. Chang-Gyu Hwang, und mit der Biologin Professor Christiane Nüsslein-Volhard auch eine Nobelpreisträgerin.
Veranstaltet wurde die Konferenz vom Alumninetzwerk Deutschland-Korea (ADeKo) gemeinsam mit der Deutschen Botschaft Seoul und weiteren deutschen und koreanischen Organisationen, etwa der Korean Academy of Science and Technology und der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Vorstandsvorsitzender von ADeKo ist kein Geringerer als Hwang-sik Kim, DAAD-Alumnus und von 2010 bis 2013 Premierminister Südkoreas.
ADeKo/Yun Hee Jeon
Gastgeber: Eröffnungsrede des ADeKo-Vorstandsvorsitzenden Hwang-sik Kim
Wissenschaft im Fokus der Alumni
ADeKo setzt sich in außergewöhnlichem Maße für die deutsch-koreanische Zusammenarbeit ein. „Die Idee hinter der Gründung 2008 bestand darin, die bereits existierenden 60 Alumni-Organisationen in einem Dachverband zu bündeln“, erklärt Christoph Pollmann, der das Informations- und Beratungszentrum des DAAD in Seoul leitet und zudem als stellvertretender Generalsekretär von ADeKo fungiert. Der DAAD fördert ADeKo seit Anbeginn; mittlerweile zählt der Verband über siebentausend Mitglieder und ist das weltweit größte Netzwerk koreanischer Deutschland-Alumni. Bei ADeKo steht die Wissenschaft im Fokus: So wird jeden Herbst eine große naturwissenschaftliche Konferenz veranstaltet, im Frühling eine geisteswissenschaftliche und dazwischen regelmäßige Wissenschaftszirkel, die möglichst jede Fachdisziplin abdecken sollen.
ADeKo/Yun Hee Jeon
Auch DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel (1. Reihe, 1. v. l.) zählte zu den Persönlichkeiten, die zur ADeKo-Konferenz gekommen waren
Tiefe Verbindung zwischen Korea und Deutschland
„Dieses Jahr ist für unsere beiden Länder von ganz besonderer Bedeutung“, rief Hwang-sik Kim während der Konferenzeröffnung in Erinnerung: „2015 markiert sowohl den 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung als auch den 70. Jahrestag der Befreiung Koreas von seiner japanischen Besatzung“. Wie so viele seiner Landsleute, die beim Wandel Südkoreas vom einst bitterarmen Agrarland zur hochentwickelten Industrienation geholfen haben, erfuhr auch Hwang-sik Kim seine akademische Bildung in Deutschland – in seinem Fall ein Jurastudium an der Universität Marburg während der späten Siebzigerjahre. Die koreanische Judikative baut zu großen Teilen auf der deutschen Rechtsordnung auf.
„Über viele Jahrzehnte sind extrem viele Koreaner nach Deutschland gegangen, vor allem um Musik oder Kunst zu studieren“, weiß Christoph Pollmann: „Seit drei Jahren jedoch bemühen wir uns verstärkt, die Verteilung der Studenten zu diversifizieren – und mehr Studenten aus dem klassischen MINT-Bereich anzusprechen.“ Aus koreanischer Sicht sei Deutschland nicht zuletzt durch seinen florierenden Mittelstand interessant.
Wechselseitige Inspiration
Die beeindruckende Entwicklung Südkoreas in den vergangenen Jahrzehnten stellte während der Konferenz wiederum Bundespräsident Gauck heraus: „Staunend erlebte die Welt, wie sich Korea in nur zwei Generationen vom kriegszerstörten und durch Teilung versehrten Agrarland zu einem modernen und demokratischen Industriestaat entwickelt hat“.
Inspiration für den wohl rasantesten Wirtschaftsaufschwung des 20. Jahrhunderts kam nicht zuletzt aus Deutschland, wie der südkoreanische Wissenschaftsminister Yanghee Choi betonte. Während der letzten 70 Jahre sei Deutschland immer ein verlässlicher Partner an Südkoreas Seite gewesen. „In Korea ist Innovation zum Teil der nationalen Identität geworden“, hob DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel in ihrer Begrüßungsansprache hervor.
ADeKo/Yun Hee Jeon
Eröffneten die vielschichtige Session zum Themenfeld „Data Science“: Professor Sang-Kyun Cha, Direktor des Seoul National University Big Data Institute, und Professor Joachim Hornegger, Informatiker und Präsident der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Risikomanagement und „Data Science“
Wie vielfältig Innovationen im deutsch-koreanischen Zusammenspiel vorangetrieben werden können, wurde während der verschiedenen Themensessions der Wissenschaftskonferenz deutlich. Zahlreiche Experten aus der forschenden Industrie und der akademischen Welt tauschten sich aus; die thematische Bandbreite reichte vom Themenfeld „Industrie 4.0“ bis zur Bedeutung eines modernen Risikomanagements, von innovativen Verfahren im Bereich „Bioimaging“ bis zum Themenfeld „Data Science“. Dessen Bedeutung für das Gesundheitswesen wurde etwa von Experten des Seoul National University Bundang Hospital und der Berliner Charité unterstrichen.
Dass der Nutzen für den Menschen im Zentrum stehen sollte, hatte Wissenschaftsminister Choi zum Abschluss seiner Rede betont: „Ich bin überzeugt, dass die wahre Bedeutung von Innovation nicht in kommerziellen oder wirtschaftlichen Erfolgen liegt, sondern im Schaffen von Werten, die der gesamten Menschheit dienen“, sagte er. Und fügte als Beispiel die Arbeitslosenversicherung an, die Deutschland bereits im frühen 20. Jahrhundert einführte – und die mittlerweile längst in weiten Teilen der Welt übernommen wurde.
Fabian Kretschmer (19. Oktober 2015)