„Dem DAAD wird international großes Vertrauen entgegengebracht“
Thilo Vogel
DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel ist kürzlich in den Iran, nach Saudi-Arabien und nach Jordanien gereist
Iran, Saudi-Arabien, Jordanien – alle drei Länder besuchte DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel vor Kurzem. Die Reise zeigte besonders deutlich, wie sehr der DAAD als Akteur der internationalen akademischen Zusammenarbeit gefragt ist. Im Interview spricht Margret Wintermantel über die Chancen der Wissenschaftsdiplomatie, Stipendienprogramme für Flüchtlinge und die Bedeutung des DAAD als Berater von Politik und Hochschulen.
Frau Professor Wintermantel, warum war es Ihnen wichtig, in den vergangenen Tagen in den Iran, nach Saudi-Arabien und Jordanien zu reisen?
Margret Wintermantel: Zum einen war es mir sehr wichtig, während meiner Reise in die Region Eindrücke zu gewinnen, was wir angesichts der Flüchtlingsthematik noch tun können, ergänzend zu den Programmen, die der DAAD bereits entwickelt hat. Darüber hinaus gibt es in allen drei Ländern großes Interesse, den akademischen Austausch zu intensivieren. Das Gleiche gilt für die deutsche Seite, den DAAD und die deutschen Hochschulen. Bereits 2014 konnte ich mit Rektoren und Präsidenten deutscher Hochschulen in den Iran reisen und Gespräche mit iranischen Offiziellen und Universitätsvertretern führen. Meine jüngste Reise bot nun die Gelegenheit, an diese Gespräche anzuschließen, auch vor dem Hintergrund der zuletzt erfolgreich abgeschlossenen Atomverhandlungen mit dem Iran und der damit verbundenen Entspannung in den politischen Beziehungen.
An der Universität Teheran haben Sie im Beisein von Bundesaußenminister Steinmeier das große DAAD-Alumni-Treffen eröffnet. Welche Eindrücke haben Sie durch das Treffen gewonnen?
Ich bin in Teheran erneut von zahlreichen Studierenden angesprochen worden, die sehr großes Interesse an einem Studienaufenthalt in Deutschland haben. Das Audimax der Universität war bei der Eröffnung unserer Konferenz bis auf den letzten Platz gefüllt. Aber auch auf offizieller Ebene habe ich das Interesse am akademischen Austausch als eindrucksvoll empfunden. So konnte ich etwa, wie schon 2014, weitere Gespräche mit Professor Ahmadabadi, dem Rektor der Universität Teheran, und seinen Prorektoren führen.
Während Ihrer Iran-Reise 2014 eröffneten Sie auch das DAAD-Informationszentrum Teheran; der DAAD ist seitdem als erste westliche Wissenschaftsinstitution wieder mit einer Repräsentanz im Iran vertreten. Hat der DAAD besondere Möglichkeiten, den Dialog auch in politisch schwierigen Zeiten zu suchen?
Ja, wir können hier durchaus von Wissenschaftsdiplomatie sprechen. Gerade in Zeiten, in denen es politisch schwierig ist, bietet der akademische Austausch die Chance, Kontakt zu halten. Im Feld der Wissenschaft steht der Erkenntnisgewinn im Vordergrund, dazu gehört grundlegend die Bereitschaft zur Kooperation, ebenso die Möglichkeit, offen Zweifel zu äußern. Dem DAAD wird international großes Vertrauen entgegengebracht. Das erlebe ich durch Begegnungen weltweit immer wieder. So war ich 2015 zum Beispiel in Vietnam und erst Mitte Oktober in Südkorea: In diesen Ländern sind durch Alumni sehr starke Beziehungen zu Deutschland, ja oft auch richtige Freundschaften entstanden.
Welche Ansatzpunkte gibt es für die Zusammenarbeit in Saudi-Arabien und Jordanien?
Mit Saudi-Arabien ist der DAAD unter anderem durch ein Regierungsstipendienprogramm verbunden. Dort ist das Interesse ebenfalls groß, den Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern weiter auszubauen. In Jordanien ist die vom DAAD geförderte German Jordanian University ein herausragendes Projekt der transnationalen Bildung. An der Universität fördert der DAAD auch bereits über ein aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziertes Stipendienprogramm syrische Flüchtlinge gemeinsam mit jordanischen Stipendiaten. Zudem sind wir in Gesprächen über einen neuen Studiengang „Soziale Arbeit“, der speziell zur Integration von Flüchtlingen beitragen soll. Auch die Frage, wie wir studierfähige Flüchtlinge an deutschen Hochschulen integrieren können, beschäftigt den DAAD sehr stark. Deshalb war es uns wichtig, das aus Mitteln des Auswärtigen Amts finanzierte Stipendienprogramm „Führungskräfte für Syrien“ zu entwickeln, mit dem wir das Potenzial von Flüchtlingen gezielt fördern.
Der DAAD hat das Programm „Führungskräfte für Syrien“ bereits vor einem Jahr ausgeschrieben; die Stipendiaten haben zum Wintersemester ihr Studium in Deutschland aufgenommen. Wie war es Ihnen möglich, so schnell auf die Flüchtlingskrise zu reagieren?
Weltweit hat der DAAD eine hohe Expertise über die verschiedenen Wissenschafts- und Hochschulsysteme. Wir wissen, dass unter den internationalen Flüchtlingen, etwa aus Syrien und Afghanistan, viele studierfähige junge Frauen und Männer sind. Es ist wichtig, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich weiterzuentwickeln und dass sie auch Anschluss an deutschen Hochschulen finden. Diese Integrationsleistung kann der DAAD durch seine vielfältigen interkulturellen Erfahrungen fördern. So haben wir auch die Stipendiaten des Programms „Führungskräfte für Syrien“ in einem außergewöhnlich aufwendigen Verfahren ausgewählt und dabei ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten ermittelt. Wir haben ihnen passgenau Studienprogramme in Deutschland vermittelt und beraten die Stipendiaten wie auch die Hochschulen nach wie vor. Allen Stipendiaten des „Führungskräfte für Syrien“-Programms haben wir einen intensiven, viermonatigen Deutschkurs ermöglicht. Wir tun viel dafür, dass sich die Flüchtlinge integrieren können und wollen diese Arbeit weiter intensivieren. Nur so kann es gelingen, dass sich die Stipendiaten zu gefragten Fachkräften entwickeln oder vielleicht sogar einmal zum Wiederaufbau ihrer Heimatländer beitragen können.
Wenn wir über die Zukunft sprechen: Werden die von Ihnen angesprochene interkulturelle Kompetenz und die weltweite Expertise des DAAD in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen?
Davon gehe ich aus. Wir verfügen über ein weltweites Netz aus 71 Außenstellen und Informationszentren. Und über herausragende Erfahrung: 2015 konnte der DAAD sein 90-jähriges Bestehen feiern. In der Beratung der Politik und der Hochschulen erfüllt der DAAD eine Funktion, die keine andere Institution auf diese Weise wahrnehmen kann. Das zeigen nicht zuletzt auch die zahlreichen Anfragen der Politik und der Hochschulen an uns. Wir wissen, wo es sich lohnt, in Kooperationen zu investieren, Projekte zu fördern und Talente in ihrer weiteren Entwicklung zu unterstützen. Im Zuge unserer Organisationsreform haben wir eine neue Abteilung geschaffen, die neben der strategischen Weiterentwicklung des DAAD auch für die Vermittlung von Expertenwissen in der internationalen Hochschulzusammenarbeit zuständig ist. Diese Aufgaben werden wir künftig noch stärker in den Blick nehmen.
Interview: Johannes Göbel (4. November 2015)
Weiterführende Links
„Führungskräfte für Syrien“: Stipendiatin Mounera Jbara im Porträt
Pressemitteilung zum Programm „Führungskräfte für Syrien“
Pressemitteilung „NRW unterstützt Programm des DAAD mit zusätzlichen 1,5 Millionen Euro“
Stand: 19.11.2015