Willkommen in Deutschland
DAAD/Andreas Paasch
Andrang: Die internationalen Stipendiaten tauschten sich aus – und folgten einer anregenden Podiumsdiskussion
Im Wintersemester 2015/16 studieren und forschen über 800 vom DAAD geförderte ausländische Stipendiatinnen und Stipendiaten an Berliner und Potsdamer Einrichtungen. Etwa 500 von ihnen waren am 4. November zur Begrüßungsfeier des DAAD in den Konzertsaal der Universität der Künste gekommen. Im Mittelpunkt der Feier stand das Thema Willkommenskultur, das in Deutschland durch die ankommenden Flüchtlinge und Migranten in diesen Wochen und Monaten noch einmal einen besonderen Stellenwert erhält.
Mit über 300.000 internationalen Studierenden steht Deutschland nach den USA und Großbritannien mittlerweile auf Platz drei der weltweit beliebtesten Gastländer. Der stark angestiegene internationale Austausch bringe den Hochschulen Chancen, stelle sie aber auch vor große Herausforderungen, sagte Professor Martin Rennert, Präsident der Universität der Künste Berlin, bei seiner Begrüßung. DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland betonte den großen Stellenwert der Willkommenskultur an den Hochschulen – gerade angesichts der aktuellen Lage in Deutschland. Sie rief die Stipendiaten dazu auf, „ihre Zeit zu genießen und Brücken zwischen Deutschland und ihren Heimatländern zu bauen“. Doch sie wies auch darauf hin, dass sich viele der internationalen Studierenden nicht gut integriert fühlten, vor allem, weil ihnen der Kontakt zu deutschen Kommilitonen fehle. Der DAAD unterstütze auch vor diesem Hintergrund die Hochschulen und gestalte über Förderprogramme die fachliche und soziale Betreuung der internationalen Studierenden mit.
Viel erreicht, viel zu tun
Doch was tun die Hochschulen, um ihren Studierenden aus dem Ausland den Start zu erleichtern? Wie können deutsche Studierende in diesen Prozess eingebunden werden? Welche Defizite gibt es? Haben auch die Dozenten und Professoren Nachholbedarf bei der Willkommenskultur? Diesen Fragen widmete sich die von Dr. Michael Harms, Leiter der Abteilung Kommunikation des DAAD, moderierte Podiumsdiskussion zum Thema „Willkommen in Deutschland!? Integration ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen“. Einstimmig betonten alle Mitdiskutanten, dass die deutschen Hochschulen als Gastgeber internationaler Studierender und Forscher viele Fortschritte gemacht hätten, die Willkommenskultur sich aber immer noch sehr unterschiedlich gestalte.
DAAD/Andreas Paasch
Auf dem Podium (v. l. n. r.): DAAD-Alumnus Mikheil Sarjveladze, die Bremer Konrektorin Yasemin Karakaşoğlu, Staatsministerin Maria Böhmer, Moderator Michael Harms und die Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf und Özcan Mutlu
DAAD-Alumnus Mikheil Sarjveladze aus Georgien, der heute an der Universität Köln promoviert, berichtete eindrücklich von eigenen Erfahrungen als junger Bachelorstudent. „Es fehlte das Zusammenspiel der Akteure, es fehlten die Informationen“, sagte Sarjveladze, der sich zu Studienbeginn vor elf Jahren in Gießen regelrecht verloren auf dem Campus vorkam. Hochschulen hätten durch ihre Welcome Center und Begrüßungsveranstaltungen, aber auch die Unterstützung von internationalen Communities zwar viel erreicht, erklärte Professorin Yasemin Karakaşoğlu, Konrektorin für Internationalität und Diversität an der Universität Bremen und von 2016 an auch Vorstandsmitglied des DAAD. „Aber jetzt muss der Funke auf die Fachbereiche überspringen“. Sie empfiehlt interkulturelle Sensibilisierungstrainings, damit Professoren und Dozenten sich mit ihren eigenen Vorstellungen von Fremdheit auseinandersetzen und Vorurteile überwinden.
Diversität als Normalfall
„Wir brauchen eine Öffnung für internationale Klassenzimmer, in der Diversität der Normalfall ist“, sagte Yasemin Karakaşoğlu. Mit Blick auf die Integration von Flüchtlingen, von denen auch viele in den nächsten Jahren als Studierende an den Universitäten und Fachhochschulen erwartet werden, machte die CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf in der Diskussion deutlich, dass auch die Lehrer und Erzieher „Diversität noch zu wenig im Blick haben“. Schon im Kindergarten und in der Schule müsse gelehrt werden, wie man mit vielfältigen Biografien im positiven Sinn umgeht. „Willkommen“ müsse es aber auch für Bildungsinländer mit Migrationshintergrund heißen, die sich an den Hochschulen in Deutschland längst noch nicht alle gut aufgenommen fühlten, wie Özcan Mutlu, Bundestagsabgeordneter der Grünen erklärte: „Es ist wichtig, dass alle ihre Potenziale entfalten können und keine Gruppe gegen die andere ausgespielt wird“.
Dass die Internationalisierung der Hochschulen kein Selbstzweck ist, hob Professorin Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, hervor. Die Bildung internationaler Netzwerke in Wissenschaft und Forschung, aber auch die Gewinnung von Fachkräften sei für Deutschland unverzichtbar. „Wir haben Interesse daran, dass Sie nicht nur während Ihrer Studienzeit da bleiben, sondern Ja zu Deutschland sagen“, sagte die Staatsministerin an die Stipendiaten gerichtet. Sie betonte, wie wichtig das Erlernen der deutschen Sprache sei – zumal an den Hochschulen. „Deutsch muss nicht nur als Alltagssprache, sondern auch als Fach- und akademische Sprache gelernt werden.“ Und Yasemin Karakaşoğlu ergänzte, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen in die Curricula aufgenommen werden müsse.
Bezogen auf die Integration von Flüchtlingen komme dem DAAD eine besondere Bedeutung zu, sagte Staatsministerin Böhmer. Sie betonte, wie wichtig es sei, ausländische Dozenten zu gewinnen: „Je internationaler eine Fakultät ist, desto offener ist sie für Studierende aus dem Ausland. Das wird auch bei der Integration von Flüchtlingen an den Hochschulen eine wichtige Rolle spielen“.
Verantwortung für Stipendiaten
Entscheidend ist es auch – darin waren sich die Diskutierenden einig – Studierende in die Willkommenskultur miteinzubinden: Auch sie müssten Verantwortung übernehmen. So hatte es DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland in ihren Begrüßungsworten formuliert: „Sie kommen zu ungewöhnlichen Zeiten nach Deutschland“, sagte sie zu den Stipendiaten im Saal und bat diese gleichzeitig, mit ihren internationalen Erfahrungen Flüchtlinge an den Hochschulen willkommen zu heißen und sie zu unterstützen.
Kerstin Schneider (12. November 2015)