Gestiegenes Interesse von US-Studierenden: „Deutschland als Karriereoption“

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Nina Lemmens: "Die Art der Anfragen hat sich verändert"

Deutschland wird mehr und mehr zum reizvollen Ziel für US-Studierende. Laut dem aktuellen „Open Doors“-Bericht des Institute of International Education stieg zuletzt die Zahl der Amerikaner, die studienbezogen nach Deutschland kommen, um neun Prozent auf 10.377 im Jahr. Dr. Nina Lemmens, Leiterin der DAAD-Außenstelle New York, spricht im Interview über die Gründe für diesen Trend, seine Nachhaltigkeit und die Wirkung persönlicher Erfolgsgeschichten.

Frau Dr. Lemmens, warum steigt das Interesse amerikanischer Studierender an Deutschland?

Nina Lemmens: Eine wesentliche Rolle spielen die extrem hohen Studiengebühren in den USA. Laut dem „Almanac 2015-2016“ des „Chronicle of Higher Education“ liegen die Durchschnittskosten für vierjährige Studiengänge an öffentlichen Colleges bei 9.140 Dollar und für private Nonprofit-Colleges sogar bei 31.230 Dollar. Mittlerweile wird die Gesamtsumme der Studienkreditschulden höher als die Summe der Kreditkartenschulden der US-Haushalte geschätzt. Als Niedersachsen zum Wintersemester 2014/2015 als letztes Bundesland die Studiengebühren abschaffte, hat dies in den USA ein großes Echo hervorgerufen. So ist auch die Zahl der Anfragen an unsere New Yorker Außenstelle stark gestiegen; zudem hat sich die Art der Anfragen verändert.

Inwiefern?

Es wird immer häufiger nach einem Grundstudium in Deutschland und den dafür notwendigen Voraussetzungen gefragt. In der Regel ist es ja nicht ohne Weiteres möglich, mit einem Highschool-Abschluss direkt ein Studium in Deutschland zu beginnen. Aber gerade die Eltern erkundigen sich bei uns, was ihre Kinder tun müssen, um ein Bachelor-Studium in Deutschland aufnehmen zu können. In diesem Zusammenhang werden mittlerweile auch Deutschkurse nicht länger als unüberwindliche Hürde angesehen.

Die Sprachbarriere verliert an Bedeutung?

Ja, zumindest in Maßen. Natürlich auch, weil es in Deutschland eine Vielzahl an englischsprachigen Studiengängen gibt. Eine besonders interessante Entwicklung können wir bei der am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppe in den USA, den Hispanics und Latinos, beobachten. So war etwa vor Kurzem ein Kollege unserer Außenstelle auf einer Veranstaltung der Hispanic Association of Colleges and Universities (HACU). Das Interesse der Studierenden und deren Eltern an Deutschland war dort besonders groß; er konnte sich vor Anfragen fast nicht retten. Viele aus der Gruppe der Hispanics haben bereits früh Englisch als Fremdsprache gelernt und schrecken nun nicht vor Deutsch als weiterer Fremdsprache zurück.

Was spricht dafür, dass das Interesse amerikanischer Studierender an Deutschland weiter steigt?

Deutschland steht für traditionsreiche und qualitätvolle Wissenschaftseinrichtungen, für Willkommenskultur und für Offenheit gegenüber internationalen Studierenden weltweit. Es ist unsere Aufgabe als Vertreter der deutschen Hochschullandschaft, diese Willkommenskultur weiter zu pflegen. Und dazu zählt nicht zuletzt auch, deutlich zu machen, dass Deutschland attraktiv bleibt für Studierende aus einem Land wie den USA, das uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich ist, etwa im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich. Das gestiegene Interesse an Deutschland bietet die große Chance, diesen Trend weiter auszubauen und nicht nur für kurzfristige Studienaufenthalte in Deutschland zu werben. Wir haben aktuell besonders gute Möglichkeiten, das Studium in Deutschland als Karriereoption zu vermitteln. Schon jetzt gehen – für manche vielleicht überraschend – einige US-Studierende nach Deutschland um ihren Master of Business Administration (MBA) zu machen. Und „German Engineering“ genießt in den USA nach wie vor einen guten Ruf, gerade bei Wissenschaftlern der entsprechenden Fachrichtungen. Auch das ist ein Pluspunkt, mit dem wir weiterhin für den Studienstandort Deutschland werben können.

Wie gestalten Sie diese Werbung für den Studienstandort Deutschland?

Wir setzen zum einen auf eine sehr lebendige, persönliche Ansprache über Social Media, über Twitter, Facebook, Instagram. Natürlich ist für uns die Präsenz auf zahlreichen, landesweiten Messen nach wie vor ebenfalls wichtig, auch um Entscheider aus der US-Hochschullandschaft persönlich informieren zu können. Grundsätzlich ist es in den USA von großem Vorteil, wenn man sich in der Werbung auf individuelle Vorbilder beziehen kann. In unserem Bereich also zum Beispiel auf Alumni, die ein ganzes Studienjahr in Deutschland erfolgreich absolviert haben. Wie sie die Herausforderungen der Auslandserfahrung bewältigt haben und daran gewachsen sind – solche Erfolgsgeschichten beeindrucken besonders. Das ist auch ein Grund, warum unsere „DAAD Young Ambassadors“ und „DAAD Research Ambassadors“ mit ihren Deutschlanderfahrungen auf so großes Interesse stoßen. Die Werbung mit solchen Testimonials ist für uns sehr wichtig.

Interview: Johannes Göbel (15. Februar 2016)