Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Marina Rodnina im Porträt
Irene Böttcher-Gajewski/Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Marina Rodnina: "In die Details dieser Chemie zu gehen, schien lange Zeit absolut unmöglich"
Für ihre wegweisende Forschung an den „Eiweißfabriken“ der Zelle, den Ribosomen, wird Professor Marina Rodnina mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2016 ausgezeichnet. Der internationale wissenschaftliche Austausch hat wesentlich dazu beigetragen, diese Forschung voranzubringen und damit neue Hoffnung im Kampf gegen Krankheiten zu schöpfen.
Womit die Zelle Proteine herstellt, kann man in der Schule lernen: mit den Ribosomen, die als runde oder ovale Körperchen unter dem Mikroskop erscheinen und als Eiweißfabriken gelten. Aber was geschieht in diesen Fabriken eigentlich genau? Wie stellen die Ribosomen Proteine her? Diese Biogenese will Professor Marina Rodnina, seit 2008 Direktorin am Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie mit ihrem Forscherteam immer besser verstehen: Wie und warum werden Proteine in der Zelle gemacht? Warum genau die, die notwendig sind, und keine anderen? Warum in der richtigen Menge? Und warum falten sich die gebauten Proteine ohne Fehler in die funktionsfähige Form? „Das sind Fragen, die uns beschäftigen“, sagt die Biochemikerin.
Das Ribosom ist nicht einfach zu knacken. „In die Details dieser Chemie zu gehen, schien lange Zeit absolut unmöglich“, erzählt Marina Rodnina. Aber dann gelangen ihr entscheidende Schritte – nicht zuletzt im Austausch mit US-amerikanischen Kollegen. Die gebürtige Ukrainerin war 1990 aus Kiew mit einem Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an die Universität Witten/Herdecke gekommen, wo sie 1997 zur Universitätsprofessorin berufen wurde. Als Professorin für Physikalische Biochemie widmete sie sich dort der Frage, wie das Ribosom eines Bakteriums seine zentrale Aufgabe erledigt: die Verknüpfung von benachbarten Aminosäuren.
Der internationale Austausch brachte den Durchbruch
„Es gab viele Forschergruppen, die damals in Konkurrenz zueinander standen – alle wollten diese chemische Reaktion bis zum letzten Baustein fundamental verstehen“, erinnert sich Rodnina. Zentral für ihren Ansatz war schließlich die internationale und interdisziplinäre Vernetzung. Eine DAAD-Förderung ermöglichte ihr 2004 die Reisen zwischen der USA und Deutschland für diesen Austausch. Mit ihren Doktoranden begann Rodnina die enge Zusammenarbeit mit der Gruppe um den Biochemiker Professor Scott A. Strobel von der Yale University. „Wir haben mehrere Arbeiten zusammen gemacht und einander inspiriert – jetzt gilt der Mechanismus als gelöst. Das war ein echter Durchbruch.“
Die gemeinsamen Experimente waren dabei nicht allein entscheidend, betont Marina Rodnina. „Der direkte Austausch auf einem hohen Diskussionsniveau, bei dem man die Vorgehensweise der anderen verstand, hat uns sehr weit gebracht.“ Vor allem für die Nachwuchswissenschaftler im Team war diese Erfahrung prägend. „Sie erfuhren die seltene Situation, dass wissenschaftliche Konkurrenz nicht daran hindert, offen miteinander zu diskutieren – das war eine besondere Zeit für mich und meine Mitarbeiter.“
Entwicklung von Antibiotika
Marina Rodninas Blick in die Eiweißfabriken der Zelle dient auf lange Sicht der Bekämpfung von seltenen Krankheiten, die auf Fehlern in diesen Bauprozessen basieren. Schon in näherer Zukunft nutzt die Arbeit der Forscherin der Entwicklung von Antibiotika, die in Bakterien genau diese Fabriken angreifen und damit den Bau von Eiweißen durch das Bakterium blockieren. Mit Aufnahme des Studiums hatte die Leibniz-Preisträgerin bereits die Bekämpfung von Krankheiten im Blick: Molekularbiologie und Genetik. „Damals war mein Ziel, einen Beitrag zum Verständnis von Erbkrankheiten zu leisten.“ Mit der Promotion kam es anders. Weil es auf dem Gebiet der Biochemie spannende wissenschaftliche Entwicklungen gab, tauchte sie in die präzise Entschlüsselung der Aufgaben und Arbeiten von Ribosomen ein. Eigentlich sollte das ein Ausflug werden, erzählt Rodnina lachend. „Aber dann war das Gebiet so spannend, dass ich es nicht mehr verlassen habe.“
Mit dem Leibniz-Preis will die Wissenschaftlerin nun die Proteinsynthese in menschlichen Zellen weiter erforschen – ein teures Unterfangen, bei dem ihr der mit 2,5 Millionen Euro dotierte Preis hilft. „Schließlich interessiert uns auch die Qualitätskontrolle der Zelle über den Zustand ihrer Proteine und die damit verbundene Interaktion.“
Bettina Mittelstraß (19. Februar 2016)