Leibniz-Preise für DAAD-Alumni: Professor Christoph Möllers im Porträt

DFG/Ausserhofer

Christoph Möllers: "Das Jahr in den USA war die beste akademische Erfahrung, die ich als Student gemacht habe"

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis geht 2016 unter anderen an vier DAAD-Alumni; für alle vier war die DAAD-Förderung ein Meilenstein auf ihrem beruflichen Weg. Professor Christoph Möllers, dessen rechtswissenschaftliche Expertise international und weit über die Grenzen seines Fachs hinaus geschätzt wird, ist einer der Preisträger.

Mit 19 Jahren machte sich Christoph Möllers ein paar Notizen über seine Zukunft. Er interessierte sich für rechtliche Fragen in einem politischen und theoretischen Kontext. Was tun? Philosophie studieren? Das schien ihm zu wenig operativ. „Ich vermutete und notierte mir damals, ich würde wohl eines Tages beim Öffentlichen Recht landen – und so war es dann auch“, erinnert sich Möllers. Seit 2009 ist er Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und erhält in diesem Jahr für herausragende Arbeiten insbesondere zum Verfassungsrecht einen der begehrten Leibniz-Preise.

Eine Theorie für ein Sammelsurium von Rechtsordnungen 

Christoph Möllers vergleicht verschiedene Rechtsordnungen, denn das Verfassungsrecht ist selbst in liberalen westlichen Demokratien sehr unterschiedlich. „Diese vergleichende Arbeit bleibt aber ohne eine theoretische Grundlage ein Sammelsurium“, sagt Möllers. Er arbeitet an einer weitreichenden Verfassungstheorie – nicht zuletzt, um die Aufgaben staatlicher Institutionen länderübergreifend in den Blick zu nehmen. So findet man in verschiedenen westlichen Staaten beispielsweise unterschiedliche Formen von Gewaltenteilung. „Wir können aber nicht die eine zum Maßstab der anderen machen, sondern brauchen ein theoretisches Modell, das die verschiedenen Formen legitimiert.“

Befreiender Perspektivwechsel

Dass in demokratischen Verfassungsstaaten die eine Rechtsordnung keineswegs wie die andere sein muss, hat der Leibniz-Preisträger zum ersten Mal als Student an der University of Chicago Law School erfahren. Gefördert vom DAAD absolvierte er dort von 1994 bis 1995 seinen Master of Laws. Für Möllers relativierten sich damals die deutschen Studieninhalte – und das wiederum gab ihm einen Impuls für seine spätere, vergleichende Forschung. „Ich hatte in Deutschland eine Rechtsordnung vermittelt bekommen, konnte mir daraufhin eine andere kaum vorstellen und erfuhr dann in den USA, dass alles auch ganz anders sein kann – das war sehr befreiend für mich.“ Heute ist der Rechtswissenschaftler überzeugt, dass man einen solchen Wechsel der Perspektive besonders braucht, wenn man jung, aufnahmefähig und noch offen und flexibel im Denken ist. „Dieses Jahr war die beste akademische Erfahrung, die ich als Student gemacht habe.“

„Öffentlicher Intellektueller“

Die prägende Erfahrung, dass ein Wechsel von Standort und Perspektive das eigene Denken inspiriert, zeigt sich auch darin, dass Christoph Möllers gerne die Grenzen seiner Disziplin überschreitet und philosophische, politik- oder literaturwissenschaftliche und auch historische Erkenntnisse in seine Forschung einbezieht. Die Beschäftigung mit Demokratietheorie etwa sei unerlässlich für die Arbeit am theoretischen Hintergrund für den Verfassungsvergleich, so der international renommierte Verfassungsrechtler. Der interdisziplinäre Zugang hilft ihm auch in einem weiteren Bereich, über den er aktuell forscht: „Wir kommunizieren in ganz verschiedenen Bereichen mit Normen, wie etwa in sozialen Beziehungen, aber auch in Kunst oder Religion – es gibt aber für soziale Normen bisher keinen gemeinsamen Beschreibungsrahmen.“ Es bedarf einer „Theorie sozialer Normen“, meint Möllers und fragt sich, wie man solche Normen stabilisieren oder von der Praxis lösen und theoretisch darstellen kann. Für die Antwort auf solche Fragen schaut er sich zum Beispiel auch in der Sozialtheorie oder Moralphilosophie um.

Interdisziplinär und transnational ist auch der vom Journalisten Maximilian Steinbeis gestartete „Verfassungsblog“, an dem Christoph Möllers seit fast fünf Jahren mitwirkt. Der Verfassungsblog möchte den akademischen Diskurs mit der politischen Öffentlichkeit verbinden – ein zentrales Anliegen des „public intellectual“ Christoph Möllers. Die Einschätzungen des Leibniz-Preisträgers finden nicht nur in den Medien großen Anklang, auch politische Entscheidungsträger vertrauen auf seine Expertise. Für den Bundesrat hat Möllers zuletzt etwa gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Christian Waldhoff den Verbotsantrag gegen die rechtsextremistische Partei NPD formuliert.

Quantitative Forschung im Verfassungsrecht?

Wenn sich Christoph Möllers heute Notizen macht, dann vielleicht über die Forschung, die er mit dem mit 2,5 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis angehen will. Sie könnte in einem Projekt bestehen, in dem der Verfassungsvergleich systematisch durchgeführt wird. „Ich denke zum Beispiel schon länger darüber nach, ob es so etwas wie quantitative Forschung im Verfassungsrecht geben und was Empirie für den Verfassungsvergleich bedeuten kann.“ Dieser Frage nachzugehen würde ihn faszinieren, sagt Möllers. Festlegen möchte er sich noch nicht: „Ich könnte auch versuchen, zwei Bücher zu schreiben.“

Bettina Mittelstraß (26. Februar 2016)