Libyens Hochschulen suchen den Anschluss an die internationale Gemeinschaft
DAAD Tunis/Verena Michaeli
Besonderer Wert des Austauschs: Libysche Hochschulvertreter zu Gast beim DAAD in Tunesien
Während Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier am 16. April 2016 zu einem überraschenden Kurzbesuch in der libyschen Hauptstadt Tripolis war, fand zeitgleich in Sousse, Tunesien, ein vom DAAD Tunis organisiertes Seminar für libysche Hochschulen statt. Der DAAD hatte Leiter der internationalen Büros und weitere Vertreter der größten Universitäten Tripolis, Benghasi, Misurata, Sabrata, Sabha und Zawia zu einem Netzwerk- und Informationsseminar eingeladen.
Ein solches Treffen ist derzeit im vom Bürgerkrieg erschütterten Libyen nicht möglich, deshalb trafen sich acht libysche Hochschulvertreter im Nachbarland Tunesien, um gemeinsam mit dem DAAD über Kooperation, Austausch und Fördermöglichkeiten zu diskutieren. Sie nahmen lange und gefährliche Wege in Kauf, um ihre Hochschulen zu präsentieren, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Nicht nur der Kontakt zum DAAD, sondern auch das Treffen libyscher Hochschulpartner untereinander auf „neutralem Boden“ wurde positiv erwähnt. Am Ende des Seminars konnten konkrete Vorschläge zu Follow-up-Maßnahmen gefasst werden: die libyschen Multiplikatoren informieren an ihren Hochschulen zu „Studieren und Forschen in Deutschland“ und wünschen sich ein Trainingsseminar zu „Hochschulmanagement in Krisen- und Konfliktländern“.
DAAD Tunis/Verena Michaeli
Chance genutzt: Offenheit und Freude am Diskurs prägten die Gespräche
Wiederaufbau des Landes
Das nordafrikanische Libyen ist gespalten und fragmentiert, das Land befindet sich seit Jahren im Bürgerkrieg, in dem rivalisierende Milizen und auch Kräfte des sogenannten IS herrschen. Terror, Anschläge und Entführungen sind an der Tagesordnung – und dennoch laufen Alltag, Schulen und Hochschulbetrieb weiter. Libysche Hochschulvertreter richteten einen Appell an den DAAD und internationale Organisationen: „Vergesst uns nicht, wir brauchen den Anschluss an die internationale Gemeinschaft und die Qualifizierung unserer Jugend, um das Land wiederaufzubauen.“
Hochschulen spielen eine wichtige Rolle bei diesem Wiederaufbau, davon sind alle überzeugt. Über politische Hindernisse und Meinungsverschiedenheiten hinweg sind sich die libyschen Hochschulen einig, dass sie gemeinsam in die Ausbildung der jungen Generation investieren wollen und für den bildungspolitischen Auftrag die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft brauchen. Offenheit und Diskursfreudigkeit der libyschen Partner überraschen und machen Hoffnung.
Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft mit Libyen
Das DAAD-Seminar kam genau zum rechten Zeitpunkt: Libyen ist Partnerland im Programm der Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft – wie auch Tunesien. Mit DAAD-Förderung können Austausch, Hochschulprojekte sowie kurzfristige Maßnahmen in bi- und multilateralen Kooperationen mit deutschen Partnern unterstützt werden. So war es kein Zufall, dass das jährliche Netzwerktreffen tunesischer Projektkoordinatoren deutsch-arabischer Transformationspartnerschaften parallel an dem Wochenende in Sousse stattfand. Anhand von Posterpräsentationen der Hochschul- und Forschungspartnerschaften kamen so auch tunesische und libysche Partner ins Gespräch. In Netzwerke bestehender deutsch-tunesischer Kooperationen sollen künftig libysche Partner und Studierende integriert werden. Beide Seiten stellten fest, dass es viele Gemeinsamkeiten, Probleme und regionale Herausforderungen im Hochschulbereich gibt und verabredeten eine engere Zusammenarbeit.
DAAD Tunis/Anis Bouattour
Deutsch-Arabische Transformationspartnerschaft: Die Projektpräsentationen vertieften den deutsch-libysch-tunesischen Austausch
Das Seminar bot für alle Seiten eine Win-win-Erfahrung: Der DAAD erhält Einblick und Verständnis in die Situation libyscher Hochschulen sowie persönliche Kontakte und Partner in einem schwierigen Land. Die libyschen Partner gehen als Multiplikatoren mit Informationen zu „Studieren und Forschen in Deutschland“ und Best-practice-Beispielen zu den Transformationsprogrammen an ihre Heimathochschulen zurück. Und die tunesischen Partner bringen neue Impulse und Partner in ihre regionalen Netzwerke ein. „Ich möchte dem DAAD herzlich für die Einladung zum Treffen in Sousse danken. Es hat uns die Augen für eine neue Art der Zusammenarbeit geöffnet“, so der Direktor des International Cooperation Office (ICO) der Universität Tripolis – und ein tunesischer Projektverantwortlicher bat unmittelbar nach dem Seminar um ein Beratungsgespräch mit seinem deutschen Partner aus der Hochschule Kehl zur Einbeziehung libyscher Partner in Maßnahmen zum Verwaltungsaufbau und zur Hochschuladministration.
Beate Schindler-Kovats, Leiterin DAAD-Büro Tunis (22. April 2016)