„Going Global“ in Kapstadt: Forum der akademischen Welt
British Council
Einladung zum Austausch: der Dichter Lemn Sissay, Kanzler der Universität Manchester, bei der Eröffnung der Going Global 2016
Der Name ist Programm: Auf der „Going Global“-Konferenz des British Council haben sich internationale Fachleute drei Tage lang mit globalen Strategien im höheren Bildungswesen befasst. Der DAAD war vielfach präsent und sorgte auch mit einer neuen Studie zur Doktorandenausbildung in Afrika für Aufsehen.
„Hier bekommt man doch richtig Lust auf ,Going Global‘!“ Mit diesen Worten sprach der stellvertretende ASEAN-Generalsekretär Vongthep Arthakaivalvatee vielen Teilnehmern der diesjährigen „Going Global“-Konferenz aus dem Herzen. Im südafrikanischen Kapstadt, einen Steinwurf vom Hafen mit der berühmten Waterfront entfernt, ließ es sich besonders gut über die Internationalisierung des höheren Bildungswesens debattieren. Mit 800 Teilnehmern aus 80 Herkunftsländern von Afghanistan bis Zimbabwe machte die hochkarätig besetzte Veranstaltung ihrem Namen alle Ehre. Erstmals fand die Konferenz des British Council auf dem afrikanischen Kontinent statt, sodass mehr als ein Drittel der Bildungsfachleute aus Afrika stammte.
Vernetzung der Weltregionen
Wie können Universitäten über Landesgrenzen hinweg enger kooperieren? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich durch internationale Netzwerke? Können auch ärmere Länder profitieren, für welche die Vereinten Nationen bisher vor allem die Bedeutung der Primärbildung betont haben? Diese und viele andere Fragen wurden in den Besprechungsräumen und auf den Korridoren des modernen Kapstädter Konferenzzentrums angeregt diskutiert. Als Vorbild diente immer wieder der Bologna-Prozess in der Europäischen Union, der auf eine Harmonisierung von Studiengängen und Studienabschlüssen in der EU abzielt. Von den Erfahrungen wollen nun auch andere Weltregionen profitieren.
British Council
Für interregionalen und internationalen Austausch (v. l.): Susan Milner (British Council), der stellvertretende ASEAN-Generalsekretär Vongthep Arthakaivalvatee, Jawaher Al-Mudhahki (National Authority for Qualifications and Quality Assurance of Education and Training, Bahrain), DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland, Karen Imam (BINUS University, Jakarta) und Christophe Larose (Europäische Union)
„Kein Studiensystem auf der Welt kann heute noch isoliert betrachtet werden“, sagte die für Südostasien zuständige British-Council-Direktorin Susan Milner auf einem Expertenpanel zu Fragen der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Regionen. Nicht nur der Austausch von Studierenden sei mittlerweile gang und gäbe, so Milner. Die höhere Bildungspolitik sei auch unverzichtbarer Bestandteil der internationalen Beziehungen zwischen Nationen. Als aktuelles Beispiel stellte DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland die 2015 gestartete EU-Initiative SHARE in Südostasien vor (European Union Support for Higher Education in ASEAN Region). Als Teil eines Konsortiums möchte der DAAD – ebenso wie der British Council als Konsortialführer – die südostasiatischen Universitäten unterstützen, für eine höhere Qualität der akademischen Ausbildung sorgen und die Verbindungen der Hochschulen untereinander sowie zu Institutionen in anderen Regionen fördern. Derzeit zählen die zehn ASEAN-Staaten insgesamt mehr als 15 Millionen Studierende an mehr als 6.000 Hochschulen. Über SHARE finanziert die EU auch 500 Stipendien; der Hauptanteil ist für Studienaufenthalte innerhalb Asiens vorgesehen. Es gehe nicht darum, identische Universitätslandschaften in den einzelnen Ländern zu schaffen, stellte Dorothea Rüland in Kapstadt klar. Aber die Systeme müssten vergleichbar sein und sich gegenseitig ergänzen. Nur so könne eine Region mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wettbewerbsfähiger werden. Keine leichte Zielsetzung: Der Bologna-Prozess habe schon vor 17 Jahren begonnen, erinnerte die DAAD-Generalsekretärin, und der Reformprozess dauere immer noch an. „Es hat viel Mühe, finanzielle Unterstützung, Kooperationsbereitschaft und Zugeständnisse auf den verschiedenen Ebenen erfordert. Es war und ist kein einfacher Prozess.“
Herausforderung Harmonisierung
ASEAN-Vertreter Arthakaivalvatee verwies auf die enormen Unterschiede zwischen den Staaten der Region. Trotzdem hätten sich die Regierungen verpflichtet, eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Vision zu etablieren. Zu ASEAN gehören Wirtschaftsmächte wie Singapur und Malaysia ebenso wie das bitterarme Kambodscha oder Laos. Das macht die Suche nach einem universell anwendbaren Erfolgsrezept extrem schwer. Trotzdem könne man Lehren aus den Erfahrungen in der EU ziehen, sagte Dorothea Rüland. Eine Harmonisierung der Studienbedingungen dürfe beispielsweise nicht von oben diktiert werden, sie müsse sich auf freiwilliger Basis entwickeln. Wichtig sei, alle Beteiligten zu berücksichtigen, auch diejenigen, um die es vor allem geht: die Studierenden.
Einen eindrucksvollen Einblick, welche Hürden in der Praxis zu überwinden sind, lieferte Karen Imam, Direktorin der Binus-Universität in Indonesien. Sie verwies zunächst auf die vielen Sprachen und Dialekte in der ASEAN-Region. Auch könnten die Hochschulen nicht losgelöst von den unteren Bildungsstufen gesehen werden. Ein Gymnasium in Kambodscha habe nicht unbedingt den Nachwuchs, den sich eine Hochschule in Singapur erhoffe. Initiativen wie SHARE dürften sich nicht nur auf Top-Hochschulen beschränken, an denen Studierende ohnehin schon international mobil sein können, fügte sie hinzu. „Wir müssen uns überlegen, wie wir auch die anderen, weniger privilegierten Einrichtungen erreichen.“
Neue Studien
Das deutsche Hochschulsystem wurde auf der Going Global positiv bewertet: Eine während der Konferenz vorgestellte Studie des British Council vergleicht die Rahmenbedingungen für die Internationalisierung von Hochschulsystemen in 26 Ländern – und vergibt lediglich an Deutschland und Malaysia die Bestwerte in den Kriteriengruppen „Offenheit und akademische Mobilität“, „Qualitätssicherung und Anerkennung von Studienleistungen“ sowie „Zugang zum Hochschulsystem und Nachhaltigkeit“.
Eng mit der Going Global verbunden ist auch ein gemeinsames Projekt von DAAD und British Council: Auf der letzten Konferenz 2015 in London stellten die Partner die Studie „Transnational education data collection systems: awareness, analysis, action“ vor und veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, die die Bedeutung detaillierter Datenerhebungen für die Transnationale Bildung betonte. In Kapstadt präsentierten sie nun den Entwurf für einen terminologischen Rahmen, der künftig auch Organisationen wie Unesco, OECD und Eurostat dabei helfen kann, Entwicklungen im Bereich der Transnationalen Bildung präzise zu verfolgen.
Mangel an Doktoranden, Dozenten und Professoren
In Kapstadt wurde auch diskutiert, weshalb Afrika in der Welt der Wissenschaften immer noch eine Randposition inne hat – etwa aufgrund der unzureichenden internationalen Vernetzung. Auch gibt es beispielsweise in Südafrika mehrere renommierte Universitäten und große Erwartungen ruhen in neuen Forschungsprojekten wie dem „Square Kilometre Array“, einem gigantischen, international finanzierten Radioteleskop. An der Zahl der Doktorarbeiten gemessen aber liegt selbst die am weitesten entwickelte afrikanische Volkswirtschaft weit hinter anderen Schwellenländern wie Brasilien.
Genau da setzt eine gerade begonnene Untersuchung des DAAD und des British Council an. „In Afrika wird eine Universität nach der anderen gebaut, aber die Zahl der Doktoranden, Dozenten und Professoren wächst nicht im gleichen Tempo mit“, erläuterte auf der Going Global Dr. Helmut Blumbach, Leiter der DAAD-Außenstelle Nairobi, dem Regionalbüro des DAAD für Subsahara-Afrika. Zur Ursachenforschung wollen die Autoren der Studie die Doktorandenprogramme in sechs afrikanischen Ländern über zehn Jahre hinweg unter die Lupe nehmen. „Wir müssen die Herausforderungen in diesen Ländern besser verstehen. Nur so können wir innovative Lösungen entwickeln und auf Partnerschaften mit ausländischen Hochschulen hinwirken.“
Einige offensichtliche Faktoren kamen schon auf der Konferenz zur Sprache, etwa die schwierige wirtschaftliche Lage der Studierenden oder fehlende Forschungseinrichtungen und Fördermittel. Viele Familien übten Druck aus, möglichst schnell das Studium zu beenden und ins Arbeitsleben einzusteigen, sagte Professor Fatima Batul Mukhtar, Rektorin der Federal University Dutse in Nigeria. Frauen werde der Gang an die Universität in ihrem Land oft verwehrt. Und die besten Absolventen zögen für Doktorarbeiten ins Ausland, wo sie sich größere Karrierechancen erhofften.
Einsatz für die Zukunft
Nach den drei Tagen im Kapstadt war klar: Global vernetzte höhere Bildungssysteme sind unerlässlich, um die junge Generation für die Zukunft zu rüsten und die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht noch weiter zu vertiefen. Doch es gilt noch enorme Hindernisse zu überwinden, und internationale Bildungsexperten werden weiterhin den Austausch suchen müssen – auch auf der Going Global 2017.
Claudia Bröll (13. Mai 2016)