Vorteil auf dem Arbeitsmarkt: Vom Nutzen des Auslandsstudiums

EYECATCHME/DAAD

Hanns Sylvester: "Gerade die ausgeprägte Fähigkeit zum offenen Umgang mit Kollegen wird als positiver Effekt eines Auslandsaufenthalts angesehen"

Es lohnt sich, ins Ausland zu gehen: Das ist eines der Ergebnisse der neuen Studie „Hochschulabsolventen mit Auslandserfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, die der DAAD in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln veröffentlicht hat. Dr. Hanns Sylvester, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD, spricht im Interview über soziale Kompetenzen von Absolventen mit Auslandserfahrung, weitere Vorteile gegenüber anderen Bewerbern und wie wichtig es ist, die Stärken selbstbewusst zu vermitteln.

Herr Dr. Sylvester, was zeichnet Hochschulabsolventen mit Auslandserfahrung nach Meinung der Arbeitgeber aus?

Hanns Sylvester: Die neue Studie zeigt, dass Arbeitgeber die sozialen Kompetenzen von Hochschulabsolventen mit Auslandserfahrung besonders schätzen. Zum einen die Offenheit gegenüber anderen Einstellungen und verschiedenen Erwartungshaltungen: Es wird als großer Vorteil bewertet, wenn man diese Offenheit nicht nur sporadisch, sondern in der alltäglichen Arbeit zeigen kann. Gerade die ausgeprägte Fähigkeit zum offenen Umgang mit Kollegen wird als positiver Effekt eines Auslandsaufenthalts angesehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärke, Schwierigkeiten anzugehen und sie zu überwinden, sich auch einmal durchzubeißen. Auch diese persönliche Fähigkeit wird von den Personalverantwortlichen vor allem denjenigen zugeschrieben, die Auslandserfahrungen gemacht haben.

Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz werden von der Studie ebenfalls als klare Vorteile von Bewerbern mit Auslandserfahrung gesehen.

Ja, ganz eindeutig. Wobei man allein für diese naheliegende Erkenntnis natürlich keine große Studie benötigt. Bemerkenswert ist aber das Ergebnis, dass jeweils die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen – von der Gruppe der kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern bis zu den großen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern – den häufigen Einsatz von Fremdsprachen und Auslandskontakte im Rahmen der täglichen Arbeit anführen. Dass auch viele kleinere Betriebe sich zunehmend international aufstellen, wird von vielen Hochschulabsolventen noch nicht wirklich wahrgenommen. Dabei ist das eine Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Für die großen Unternehmen zeigt die Studie schon heute die außerordentliche Bedeutung der Arbeit in internationalen Teams. Hier kommt die interkulturelle Kompetenz von Arbeitnehmern mit Auslandserfahrung besonders zum Tragen – und das bei Weitem nicht nur in Berlin, Hamburg oder München, sondern auch an vielen wesentlich kleineren Standorten.

Auslandsaufenthalt ist nicht gleich Auslandsaufenthalt: Was ist den Unternehmen besonders wichtig?

Die Vorteile von Sprachkursen und Summer Schools sind sicherlich unbestritten, aber die Studie zeigt, dass ein studienbezogener Auslandsaufenthalt von mindestens drei bis sechs Monaten von den Unternehmen bevorzugt wird. Das vollständige Eintauchen in das ausländische Umfeld wird als besonders wichtig erachtet. Ein spezifischer Wunsch der Wirtschaft ist, dass man Auslandsaufenthalt, Studium und Praxis miteinander verbindet. Das bietet nicht zuletzt das Erasmus-Programm mit seinen vielfältigen Möglichkeiten. Gerade in der aktuellen Programmgeneration  Erasmus+ beobachten wir, dass deutsche Studierende sehr stark Auslandspraktika nachfragen. Erasmus+ bietet zudem die Möglichkeit, während einer Studienphase mehrfach für ein paar Monate ins Ausland zu gehen.

Müssen Hochschulabsolventen ihre Auslandserfahrungen auch ein Stück weit stärker bewerben?

Dazu können wir nur ermutigen. Es genügt zum Beispiel nicht, im Lebenslauf von drei Monaten in Barcelona zu schreiben. Besser liest es sich schon, wenn Fakultät, Studienfach und Aktivitäten genauer beschrieben werden. Dann kann auch noch das zweiwöchige Praktikum im Architekturbüro in Barcelona genannt werden, ebenso die damit verbundene Teilnahme an Verhandlungen mit der Kommunalbehörde, mit Bauträgern und Bauherren. Das Beispiel können Sie auf das Vorstellungsgespräch ausweiten: Hier sollte der Bewerber anschaulich schildern können, wie der Auslandsaufenthalt seinen Horizont erweitert hat. Details sollte man auch im Bewerbungsgespräch parat haben, etwa in welchen internationalen Teams man zusammengearbeitet hat.

Was nehmen Sie aus den Ergebnissen der Studie für Ihre künftige Arbeit mit?

Ich werte die Studienergebnisse auch als Bestätigung für unsere Arbeit. Wir sind mit den Möglichkeiten, die Erasmus+ bietet, geradezu optimal aufgestellt und können Studierendenmobilität, auch Praktika, vielfältig ermöglichen. Wir fördern zudem Gastdozenturen sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen von Hochschulmitarbeitern und gewinnen somit wichtige Multiplikatoren, die den Studierenden die Vorteile von Auslandsaufenthalten näherbringen. Eine Verlängerung des Studiums um zwei Semester stört die Unternehmen nicht, wenn die Bewerber im Gegenzug ihre im Ausland erworbenen Kompetenzen einbringen können. Diese Aufgeschlossenheit der Arbeitgeber können wir nun noch stärker an die Hochschulen, aber auch an die Politik kommunizieren.

Interview: Johannes Göbel (1. Juli 2016)