Lindauer Nobelpreisträgertagung: Stipendiaten und Spitzenforscher
Ch. Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings
Wissenschaftsstar als persönlicher Ratgeber: US-Nobelpreisträger Bill Phillips im Austausch mit jungen Forschern in Lindau
Auch während ihrer 66. Auflage verband die Lindauer Nobelpreisträgertagung Spitzenforschung und Nachwuchsförderung. Erneut bewarben sich auch DAAD-Stipendiaten erfolgreich für die Teilnahme an dem Treffen am Bodensee. „Es ist faszinierend, mit diesen außergewöhnlichen Wissenschaftlern zusammenzukommen und Ideen auszutauschen“, bilanziert etwa Mohammad Qaid, Stipendiat aus dem Jemen.
Es ist ein Stelldichein der Nobelpreisträger – und möglicherweise der Wissenschaftsstars der Zukunft. Jedes Jahr im Sommer kommen aus der ganzen Welt Spitzenforscher und ausgewählte exzellente Nachwuchswissenschaftler an den Bodensee. In diesem Jahr stand das 66. Lindau Nobel Laureate Meeting vom 26. Juni bis zum 1. Juli ganz im Zeichen der Physik. Fast 30 Nobelpreisträger und 400 Nachwuchswissenschaftler aus 80 Ländern folgten dem Ruf nach Süddeutschland.
Ch. Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings
Holger Finken, Leiter des DAAD-Referats Forschungsprogramme, begleitete in Lindau die Stipendiaten Alexander Sorokin aus Lettland, Pedro Cavalcanti Malta aus Brasilien (stehend, v. l.), die beiden US-Amerikaner Ryan Endsley und Christina Kreisch sowie Mohammad Qaid aus dem Jemen (sitzend, v. l.)
Unter den Nachwuchswissenschaftlern war auch eine Gruppe von DAAD-Stipendiaten, für die der DAAD zudem die Reisekosten für die Teilnahme an der Lindauer Tagung übernommen hat. Überzeugen mussten die Stipendiaten auch die Veranstalter des Lindau Nobel Laureate Meeting – und sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren durchsetzen. Eine von ihnen ist die 23-jährige US-Amerikanerin Christina Kreisch. Die Astrophysikerin, die bis Ende Juli am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching forscht, präsentierte ihre Arbeit zu elektrisch neutralen Elementarteilchen, so genannten Neutrinos, auf der Poster-Session der Tagung. Ihre Begeisterung ist groß: „Ich habe während meiner Poster-Präsentation mit Nobelpreisträgern sprechen können und mich mit anderen Nachwuchswissenschaftlern ausgetauscht. Auch die Panel-Diskussionen und Vorträge waren sehr bereichernd“, sagt sie. Doch nicht zuletzt die persönlichen Begegnungen seien sehr aufregend und faszinierend gewesen. Gelernt habe sie dabei einiges; eine Sache bleibt ihr besonders in Erinnerung: „Die Nobelpreisträger hatten die meisten ihrer bahnbrechenden Ideen, als sie um die 30 Jahre alt waren. Das ist für mich sehr inspirierend.“
Ch. Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings
Klaus von Klitzing war in Lindau nicht nur auf dem Podium, sondern auch im Gespräch mit DAAD-Stipendiat Mohammad Qaid
„Feedback für die eigene Forschung“
„Für junge Leute ist das eine große Chance, mit Nobelpreisträgern wissenschaftliche Fragestellungen zu diskutieren und sogar Ratschläge für die berufliche Karriere zu bekommen“, sagt Dr. Holger Finken – gerade für Persönlichkeiten, die ihre Karriere noch vor sich haben, sei das außerordentlich wertvoll. Holger Finken leitet beim DAAD das Referat Forschungsprogramme und begleitete die DAAD-Stipendiaten vor Ort. Eine besondere Gelegenheit für den wissenschaftlichen Austausch bot das vom DAAD in Lindau ausgerichtete „Academic Dinner“, auf dem etwa aktuelle Fragen der Astro- und Teilchenphysik erörtert wurden.
Ein weiterer DAAD-Stipendiat, der Doktorand Mohammad Qaid vom Institut für Physik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hatte während der Tagung in Lindau gleich mehrfach Gelegenheit, mit Nobelpreisträgern ins Gespräch zu kommen. Mit Professor Klaus von Klitzing, der 1985 den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung des quantisierten Hall-Effekts erhielt, sprach er über die Feinheiten der Quantenmechanik wie beispielsweise den Spin-Hall-Effekt. Mit dem US-Amerikaner Professor Carl Edwin Wieman, Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2001, unterhielt sich der im Jemen geborene Promotionsstudent darüber, wie man erfolgreich eine wissenschaftsfreundliche Umgebung an Universitäten in Entwicklungsländern aufbauen kann. „Es ist faszinierend, mit diesen außergewöhnlichen Wissenschaftlern zusammenzukommen, Ideen auszutauschen und Feedback für die eigene Forschung zu bekommen“, sagt Quaid, der im Bereich der Spintronik forscht.
Kollegen aus Oxford und Kopenhagen
Es sind nicht allein Gespräche mit den Nobelpreisträgern, die den Forschungstalenten in Erinnerung bleiben. Lindau ist auch ein Ort des Ideenaustauschs unter Nachwuchswissenschaftlern. Mohammad Qaid beispielsweise kam mit einem Kollegen vom Center for Quantum Devices der Universität Kopenhagen ins Gespräch, der sich in seiner Doktorarbeit auch mit dem Spin-Hall-Effekt auseinandersetzt. Astrophysikerin Christina Kreisch traf etwa Nachwuchsforscher der Universität Oxford, die wie sie Neutrinos untersuchen. Das könnte möglicherweise zu einer Kooperation führen, sagt sie. „Es ist dieser einmalige globale Charakter der Veranstaltung, der für viele Teilnehmer besonders attraktiv ist“, bringt Holger Finken die Rückmeldungen der DAAD-Stipendiaten auf den Punkt.
J. Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings
Angenehme Atmosphäre am Bodensee: Der kollegiale Austausch funktionierte
Die jungen Wissenschaftler nehmen jedoch nicht nur inhaltlichen Input für ihre Forschungsfelder oder neue Kontakte für mögliche künftige Kooperationsprojekte mit in ihre Heimatländer. Für Christina Kreisch, die im September ihre Promotion an der US-Eliteuniversität Princeton beginnt, blieb die Begegnung mit Bill Phillips, Physik-Nobelpreisträger und Pionier der Laserkühlung, am nachhaltigsten in Erinnerung. „Er hat uns aus seinem Leben erzählt und uns auch klar gemacht, dass es nicht nur auf gute Wissenschaft ankommt, sondern dass man auch Zeit mit der Familie verbringen soll.“ Für sie sei es sehr wichtig gewesen, zu sehen, dass man wissenschaftliche Karriere und Familie miteinander vereinbaren könne.
Benjamin Haerdle (12. Juli 2016)