DAAD-Lektoren-Sommertreffen 2016: Weltbürger und Brückenbauer
DAAD/Eric A. Lichtenscheidt
Wertvolle Gelegenheit zum Austausch: Die DAAD-Lektoren reisten aus den unterschiedlichsten Weltregionen an
199 DAAD-Lektoren aus 79 Ländern nahmen am Lektoren-Sommertreffen Ende Juli in Bonn teil. Neben fachlicher Weiterbildung und Erfahrungsaustausch mit Kollegen standen Wissenschaft und Literatur auf dem Programm: So stellte Professor Gerhard Lauer neue digitale Forschungsprojekte in den Geisteswissenschaften vor. Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Professor Hanns-Josef Ortheil gab Einblicke in seine Sozialisation zum passionierten Schreiber.
„Da geht mir das Herz auf“, kommentierte Dr. Ulrike Dorfmüller, DAAD-Lektorin in Kuba, die Lesung „Fundamente des Schreibens“ von Professor Hanns-Josef Ortheil. Der Schriftsteller und Hochschullehrer an der Universität Hildesheim hatte aus seinem jüngsten Werk „Der Stift und das Papier – Roman einer Passion“ gelesen. Darin schildert Ortheil, wie seine Eltern ihn Schritt für Schritt anleiteten, systematisch Notizen anzufertigen. Tag für Tag das Wetter, sein Essen und dessen Zubereitung sowie schließlich Dialoge zu dokumentieren, so dass allmählich eine Chronik entstand. Kurzweilig berichtete Ortheil von dieser einzigartigen Schreibschule, die eine dauerhafte Leidenschaft fürs Schreiben entfachte.
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Berührend und beeindruckend: Hanns-Josef Ortheil begeisterte die DAAD-Lektoren
„Ich fand das sehr berührend“, sagte Ulrike Dorfmüller. „Und ich finde es sehr gut, dass der DAAD beim Lektoren-Sommertreffen auch derartige Impulse bietet. Die Gewichtung zwischen Workshops zur fachlichen Weiterbildung und kulturellen Veranstaltungen ist gelungen.“ Auch Gerwin Maag, DAAD-Lektor in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat, zeigte sich begeistert von der Lesung: „Das war toll – ein ganz wunderbarer geistiger Input.“ Gerwin Maag und Dr. Alexandra Gerstner, Leiterin des DAAD-Informationszentrums in Toronto, berichteten beim diesjährigen Lektoren-Sommertreffen aus ihren Gastländern. Alexandra Gerstner konnte im Hinblick auf die aktuellen politischen Rahmenbedingungen in Kanada erfreuliche Entwicklungen schildern: Seitdem die neue Regierung unter der Führung der Liberalen Partei im Herbst 2015 die konservative Regierung abgelöst hat, sei der „War on Science“ mit seinen radikalen Kürzungen in Wissenschaft und Forschung sowie der Ablehnung von Klima-, Energie- und Umweltthemen beendet. „Es gibt gute Perspektiven für Wissenschaft und akademischen Austausch.“ So wurden große Budgets für den Ausbau des Bildungssystems zur Verfügung gestellt. Internationale Studierende würden als potenziell zukünftige Kanadier betrachtet und massiv umworben.
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Fragen stellen, gemeinsam diskutieren – auch das ermöglicht das Lektorentreffen
Gerwin Maags Länderbericht schilderte die Lektorentätigkeit aus einem anderen Teil der Welt. Gemäß der Verfassung ist die ehemalige Sowjetrepublik Turkmenistan eine Präsidialrepublik, was in der Praxis eine starke Ausrichtung auf den Präsidenten des Landes bedeutet. Internationale Kooperationen werden vorsichtig aufgebaut; es gibt Bestrebungen zur Öffnung und zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Das gilt insbesondere für Kooperationen mit dem DAAD, der seit 1997 in Turkmenistan tätig ist. Derzeit ist er in Turkmenistan mit zwei Lektoraten und einer Sprachassistenz vertreten. Die Beratung zu Studien- und Fördermöglichkeiten sowie die Stipendienprogrammarbeit stehen im Mittelpunkt der Tätigkeit. Maag zog ein positives Fazit: Trotz mancher bürokratischer Hürden gebe es spürbare Erfolge in der Lektorentätigkeit – und große Unterstützung durch die deutsche Botschaft. Auch von turkmenischer Seite werde der DAAD als einer der wenigen vertrauenswürdigen Gesprächspartner aus dem Ausland angesehen.
Fachliches Forum, familiäre Atmosphäre
Ihre Wertschätzung für die vielfältigen Herausforderungen, denen sich die Lektoren stellen müssen, machten während des Treffens sowohl DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel als auch DAAD-Generalsekretärin Dr. Dorothea Rüland deutlich. „Ich habe sie als begeisterte Weltbürger kennengelernt“, sagte Wintermantel, „die sensibel und reflektiert agieren.“ Die Lektoren würden sich der Aufgabe, die Wissenschaft im Sinne Deutschlands zu vertreten, selbst unter widrigsten Bedingungen stellen, anerkannte die DAAD-Präsidentin. „Die Lektoren sind unsere Brücken in die Welt“, sagte Generalsekretärin Rüland, „und zugleich unsere wichtigsten Informationsträger vor Ort.“ Zur Eröffnung des Lektoren-Sommertreffens skizzierte sie die aktuellen Schwerpunkte in der Arbeit des DAAD, die so unterschiedliche Themenfelder wie entwicklungspolitische Hochschulprojekte in Afrika, die Digitalisierung des Bildungswesens und die Integration von Flüchtlingen an den Hochschulen betreffen.
Christian Müller, Direktor der Abteilung Strategie des DAAD, hob die besondere Atmosphäre und Mischung aus fachlichem Forum und fast schon familiärem Fest des Lektoren-Sommertreffens hervor: „Es ist eine Tradition, die lebt, und die wir gerne fortsetzen“, sagte er. Auch 2016 gab es eine dem Treffen vorgeschaltete DAAD-Sommeruniversität des Forums Internationale Wissenschaft (FIW) unter der Leitung von Professor Rudolf Stichweh, Direktor des FIW. Dieses Jahr diskutierten DAAD-Lektoren, FIW-Mitarbeiter und Gastdozenten das Thema „Soziokulturelle Diversität und der Strukturwandel der Universität“.
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Gerhard Lauer: Plädoyer für den Nutzen der Digitalisierung
Bemerkenswerte Bandbreite
„Uns ist immer sehr daran gelegen, den Lektoren ein interessantes Programm mit Impulsen für ihre Arbeit zu bieten“, sagt Friederike Schomaker, Expertin für die fachliche Lektorenbetreuung beim DAAD, die das Lektoren-Sommertreffen zusammen mit Kollegen organisiert hat. Zu der bemerkenswerten thematischen Bandbreite des Treffens trug auch der Eröffnungsvortrag von Professor Gerhard Lauer von der Universität Göttingen zum Thema Digitalisierung bei. „Ich halte Digitalisierung für das große Thema des 21. Jahrhunderts“, so Schomaker. Unter dem Titel „Roboter schreiben, Maschinen lernen und Menschen lesen. Über Sprache und Literatur in den Zeiten intelligenter Systeme“ informierte Gerhard Lauer pointiert über intelligente Assistenten in der digitalen Welt, über maschinelles Lernen und über digitale Forschungsprojekte in Archäologie, Linguistik, Literatur- und Musikwissenschaft. Außerdem räumte er mit ein paar Mythen hinsichtlich des Internets auf: So mache das Internet keineswegs dick und dumm, sondern bringe vielmehr neue Formen des Lesens und auch des Produzierens von Literatur hervor. Außerdem biete es neue und vielfältige Zugänge zum Wissen der Welt: nicht zuletzt auch Internet-Portale, die DAAD-Lektoren für ihre Arbeit nutzen können.
Claudia Wallendorf (28. Juli 2016)