„DAAD-Lektoren berichten aus…“: Minsk – Antje Sommerfeld
privat
"Strahlen wie ein...": Antje Sommerfeld und ihre Studierenden nehmen die Sprachvermittlung auch mit Humor
Zu Weißrussland beziehungsweise Belarus, so der offizielle Landesname, fehlt es in Deutschland vielen an Wissen. Dass es sich lohnt, das Land jenseits von Vorurteilen kennenzulernen, kann DAAD-Lektorin Antje Sommerfeld schildern – etwa wenn sie von der Herzlichkeit ihrer Studierenden berichtet.
Als Antje Sommerfeld im September 2013 die polnisch-belarussische Grenze passierte, begrüßte sie ein schneidiger Grenzsoldat mit einem lauten „Passporrrrrt!“ Das konnte die neue DAAD-Lektorin in Minsk nicht schrecken. Im Gegenteil: Sie genoss nicht nur den Klang ihrer Lieblingsfremdsprache Russisch, sondern auch eine große Vorfreude: „Dieses Gefühl, eine fremde Kultur kennenzulernen, Freude bei der Verständigung zu haben, Menschen ins Gespräch zu bringen – das ist so wunderbar, das möchte ich meinen zukünftigen Studentinnen und Studenten vermitteln und ermöglichen“, erinnert sie sich drei Jahre später an die Gedanken zu Beginn ihrer Lektorenzeit in Belarus.
In der Hauptstadt Minsk, an der Staatlichen Linguistischen Universität (MGLU), Zentrum der belarussischen Philologie, wurde Antje Sommerfeld mit offenen Armen willkommen geheißen. „Ich fühlte mich sogleich angenommen, aufgenommen und respektiert. Diesen Vertrauensvorschuss habe ich sehr zu schätzen gewusst, bis heute ist das Verhältnis zwischen mir und meinen belarussischen Kolleginnen und Kollegen von Achtung, Hilfsbereitschaft und humorvollem Umgang miteinander geprägt.“ Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen arbeitet sie an neuen Lehrplänen und Lehrbüchern, sie treten zusammen auf Konferenzen auf, sitzen in diversen Jurys von Sprach-Olympiaden und Wettbewerben und diskutieren Goethes „Wahlverwandtschaften“ genauso wie Bastian Sicks apokalyptische Gedanken zum Genitiv. „Wir raufen uns durchaus auch die Haare bezüglich bürokratischer Vorgaben, etwa zum Ausfüllen unzähliger Dokumente, Statistiken, Tabellen und Pläne“, erzählt Antje Sommerfeld. Dies sei auch ein Erbe der Sowjetzeit, deren Lehrtradition aus westlicher Sicht aber oft zu Unrecht unterschätzt werde. „Das Sprachniveau der Studierenden ist hervorragend.“
„Tatort“ im Landeskundeunterricht
Antje Sommerfeld unterrichtet an der MGLU ausschließlich in den oberen Jahrgängen, hauptsächlich im fünften und damit letzten Studienjahr, sowohl an der Fakultät für Übersetzen und Dolmetschen als auch an der Fakultät für Deutsch. „Ich unterrichte nur Fachseminare und bin nicht gebunden an Sprachlehrwerke oder Curriculumsvorgaben, sondern kann selbstständig Veranstaltungen entwerfen, zum Beispiel zum Unterrichtskonzept für ‚Plurizentrik – Regionale Varianten der deutschen Sprache‘ oder zum Nutzen der Krimi-Reihe ‚Tatort‘ für den Landeskundeunterricht.“
Freude am spielerischen Lernen: Antje Sommerfeld inmitten ihrer Theatergruppe
Sie ist aber auch weit über den Unterricht hinaus aktiv: „Im zweiten Lektoratsjahr habe ich einen Chor gegründet, im dritten Lektoratsjahr eine Theatergruppe. Wöchentlich treffen wir uns jeweils mit dem Chor oder der Theatergruppe und proben, diskutieren, inszenieren, streiten und lachen. Und das alles auf Deutsch!“ Damit nicht genug: Großer Beliebtheit erfreut sich auch das Literaturcafé „lesen-las-gelesen“, in dem die DAAD-Lektorin gemeinsam mit einer Kollegin und einem Kollegen regelmäßig deutschsprachige Neuerscheinungen aus den Bereichen Belletristik und Sachbuch, auch aus Themenpaketen des DAAD, vorstellt. Einmal im Monat findet zudem das Sprachcafé „Kiek mol wedder in“ statt, in dem Antje Sommerfeld fakultätsübergreifend regionale Varianten der deutschen Sprache thematisiert. „Um den Unterhaltungscharakter zu betonen und zu erhöhen, werden regionaltypische Speisen angeboten, die die Studierenden vorher selbst zubereiten, und natürlich laden wir auch Dialektträger ein.“
Engagement und Dankbarkeit
Die Arbeit mit ihren belarussischen Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber mit den Studierenden ist für Antje Sommerfeld nicht weniger als ihr „Lebenselixier“. Das gilt auch auf Dienstreisen durch das Land, bei denen sie zu Stipendienprogrammen berät und Workshops anbietet oder bei gemeinsam mit anderen DAAD-Lektorinnen und -Lektoren durchgeführten landesweiten Veranstaltungen wie „Deutschland entdecken“. Die Studierenden danken Antje Sommerfeld ihr großes Engagement nicht allein mit anerkennenden Worten: „Manchmal schenken sie mir Pralinen, Blumen oder Äpfel und Nüsse von Babuschkas Datscha.“ Diese Herzlichkeit beeindruckt die Lektorin. Sie betont: „Ich bin dem DAAD sehr dankbar für die Chance, in Belarus arbeiten zu können. Für meine Studentinnen und Studenten gebe ich alles.“
red (16. August 2016)
Weitere Artikel der Serie "Lektoren berichten aus..."
- Kiew – Florian Küchler: "Mich hat alles überrascht"
- Kairo – Michael Fisch: "Ich versuche, über Literatur und Philosophie Impulse zu geben"
- Maputo – Susanne Jahn: "Ein Lächeln ist hier einfach zu haben"
- Teheran – Dennis Schroeder: "Das Bildungsniveau ist exzellent"
- Zagreb – Mareike Brlečić Layer: "Es gibt kaum Gelder für die Bildung"
- Rio de Janeiro – Monica Heitz: "Ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort"
- Peking – Patrick Kühnel: "Ich bin das Improvisieren gewohnt"
- Havanna – Ulrike Dorfmüller: "Eine hochspannende Angelegenheit"
- Chişinău – Sophia Bellmann: "Viel Spielraum für kreative Projekte"
- Madrid – Marc Reznicek: "Da geht mir das Herz auf"
- Cotonou – Friederike Heinz: "Wir wollen Wissenschaftlerinnen vernetzen"
- Kasan – Thilo Zinecker: "Das Interesse der deutschen Hochschulen ist sehr groß"
- Jerusalem – Kristina Reiss: "Verzaubert von der Diversität in dieser Stadt"
- Paris – Benjamin Schmäling: "Vermittlerrolle zwischen Lektoren und Universitäten"
- Singapur – Claudia Finner: "Die Studierenden sind extrem motiviert"
- Kampala – Steven Heimlich: "Uganda fasziniert mich"