„DAAD-Lektoren berichten aus...“: Gent – Carolin Benzing
privat
Carolin Juliane Benzing ist seit 2010 DAAD-Lektorin im belgischen Gent
Hohe Sprachkompetenz, flache Hierarchien: DAAD-Lektorin Dr. Carolin Juliane Benzing ist im belgischen Gent sehr glücklich. Am meisten Freude bereitet es ihr, Studierende davon zu überzeugen, dass Deutsch die richtige Studienwahl ist.
Ihre Entscheidung, die Zelte in Deutschland abzubrechen und im Jahr 2009 nach Belgien zu ziehen, hat Carolin Juliane Benzing bisher noch keine Minute bereut. Als DAAD-Lektorin und Dozentin an der Universität Gent hat die promovierte Literaturwissenschaftlerin seither mehrere hundert Studierende für deutsche Sprache, Literatur und Kultur begeistert, und um jeden einzelnen gekämpft, der eher auf Wunsch der Eltern als aus eigenem Interesse Deutsch statt Spanisch als Studienfach gewählt hatte.
„Der Schritt nach Belgien war absolut richtig“, sagt Carolin Benzing. „Ich unterrichte so gerne – und vor allem ist es unheimlich spannend zu sehen, wie die Studierenden sich in den ersten Semestern entwickeln.“ Auch privat ist Carolin Benzing inzwischen fest in Belgien verwurzelt: Sie und ihr Partner, ein Flame, haben zwei Kinder, das dritte ist unterwegs. „Ich gehe hier nicht mehr weg“, sagt Carolin Benzing. „Belgien ist ein tolles Land mit flachen Hierarchien, wunderschöner Landschaft, Nähe zum Meer und sehr netten und hilfsbereiten Bewohnern.“
Gent als Geheimtipp
Seit 2010 arbeitet Carolin Benzing als Lektorin für den DAAD in Gent, einer 260.000-Einwohner-Stadt, die aufgrund ihrer Geschichte gerne auch „die stolze Stadt“ („de fiere stad“) genannt wird. Sie lebt in Kortrijk, das zu Westflandern gehört, nahe der französischen Grenze. Als einzige DAAD-Lektorin in Belgien ist sie für das ganze Land zuständig, das nicht nur an vier Länder grenzt – an die Niederlande, Deutschland, Luxemburg und Frankreich – sondern aufgrund der heterogenen Bevölkerungsgruppen aus Flamen, Wallonen und Deutschen auch drei Amtssprachen pflegt: Niederländisch, Französisch und Deutsch.
Interessierte Zuhörer: Carolin Benzing hat Freude daran, Studierende für deutsche Sprache, Kultur und Literatur zu begeistern
An den Hochschulen im ganzen Land organisiert die DAAD-Lektorin Informationsveranstaltungen für Studierende und Forscher, die für eine gewisse Zeit nach Deutschland gehen möchten. Doch auch für deutsche Erasmusstudierende in Belgien engagiert sie sich. „Niederländisch ist außer in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen kein übliches Schulfach in Deutschland – die deutschen Austauschstudierenden können also wohl Englisch und Französisch, aber kein Niederländisch.“ Für sie hat Benzing Tandemgruppen initiiert, etwa 30 Teams sind es in jedem Semester. Hier können die Deutschen zumindest ein paar Brocken Niederländisch lernen, die Belgier ihre Deutschkenntnisse polieren.
Der schwierige Umgang mit Terrorismus
Beliebt sind auch die deutschen Filmabende, die Benzing zusammen mit der Deutschen Botschaft in Brüssel und dem Goethe-Institut organisiert. Eingerahmt werden die Abende meist von einer Einführung und einer anschließenden Diskussion, die Filme laufen mit deutschen Untertiteln. „Als wir ,Der Baader Meinhof Komplex‘ zeigten, war der ganze Raum voll, obwohl der Film sprachlich sehr anspruchsvoll ist“, erzählt Carolin Benzing. „Der Film knüpft eben auch direkt an die aktuelle Situation an und an die Frage, wie wir mit Terrorismus umgehen.“
Nach Benzings Gefühl sind es weniger die Studierenden selbst, als eher Eltern und Großeltern, die sich Sorgen um die Sicherheit machten. „Die Studierenden lassen sich weder davon abbringen, ins Ausland zu gehen, noch nach Belgien zu kommen, ist meine Beobachtung“, sagt die Lektorin. In Gent habe sich seit den Anschlägen in Brüssel am 22. März 2016 nichts verändert, dabei liegt die Hauptstadt nur eine knappe halbe Stunde mit dem Zug entfernt. „Wir hatten am Tag der Anschläge darüber gesprochen, ob wir den Unterricht absagen, uns dann aber dagegen entschieden. Und: Alle Studierenden sind gekommen“, berichtet Benzing.
Hervorragende Sprachkenntnisse
Ursprünglich sollte Carolin Benzing nur für drei Jahre DAAD-Lektorin sein, dann noch einmal für zwei, dann noch einmal 12 Monate. Länger als sechs Jahre werden Lektorenstellen beim DAAD nicht mit einer Person besetzt. „Die Idee ist, dass dann neue Leute aus Deutschland kommen, damit die Lektoren politisch und kulturell immer auf dem neuesten Stand sind.“ Ende 2016 läuft das DAAD-Lektorat von Carolin Benzing aus, bisher steht noch nicht fest, wer ihr folgen wird und ob das Lektorat wieder besetzt wird.
Carolin Benzing wird dann Vollzeit an der Universität Gent unterrichten: 50 Prozent in der Literaturwissenschaft, 50 Prozent bei den Übersetzern. Vom ersten Tag an wird in beiden Studiengängen auf Deutsch gelehrt. „Die Studierenden sind am Anfang sehr still, fast etwas überfordert“, erzählt Carolin Benzing. Erst mit der Zeit würden sie lockerer. Im dritten Jahr gehen die meisten Studierenden dann für eine Zeit ins Ausland, „und wenn sie dann wiederkommen, sprechen sie hervorragend.“
Sarah Kanning (31. August 2016)
Weiterführende Informationen
DAAD-Länderinformationen: Belgien
WEITERE ARTIKEL DER SERIE "LEKTOREN BERICHTEN AUS..."
- Minsk – Antje Sommerfeld: „Für meine Studierenden gebe ich alles“
- Kiew – Florian Küchler: "Mich hat alles überrascht"
- Kairo – Michael Fisch: "Ich versuche, über Literatur und Philosophie Impulse zu geben"
- Maputo – Susanne Jahn: "Ein Lächeln ist hier einfach zu haben"
- Teheran – Dennis Schroeder: "Das Bildungsniveau ist exzellent"
- Zagreb – Mareike Brlečić Layer: "Es gibt kaum Gelder für die Bildung"
- Rio de Janeiro – Monica Heitz: "Ich bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort"
- Peking – Patrick Kühnel: "Ich bin das Improvisieren gewohnt"
- Havanna – Ulrike Dorfmüller: "Eine hochspannende Angelegenheit"
- Chişinău – Sophia Bellmann: "Viel Spielraum für kreative Projekte"
- Madrid – Marc Reznicek: "Da geht mir das Herz auf"
- Cotonou – Friederike Heinz: "Wir wollen Wissenschaftlerinnen vernetzen"
- Kasan – Thilo Zinecker: "Das Interesse der deutschen Hochschulen ist sehr groß"
- Jerusalem – Kristina Reiss: "Verzaubert von der Diversität in dieser Stadt"
- Paris – Benjamin Schmäling: "Vermittlerrolle zwischen Lektoren und Universitäten"
- Singapur – Claudia Finner: "Die Studierenden sind extrem motiviert"
- Kampala – Steven Heimlich: "Uganda fasziniert mich"