Deutsch-kubanische Kooperationen: Interview mit Dr. Fidel Castro Díaz-Balart
DAAD/Andreas Paasch
Auftakt in Berlin: Fidel Castro Díaz-Balart inmitten der kubanischen Delegation (links neben ihm Ulrike Dorfmüller, DAAD-Lektorin in Havanna)
Unter der Leitung des Atomphysikers Dr. Fidel Castro Díaz-Balart, wissenschaftspolitischer Berater der kubanischen Regierung, lotete eine kleine Delegation kubanischer Spitzenforscher vom 9. bis zum 16. Oktober in Berlin, Potsdam, Würzburg und München Kooperationsmöglichkeiten mit potenziellen deutschen Partnereinrichtungen aus. Die vom DAAD organisierte Informationsreise konzentrierte sich auf Nanowissenschaften und Biotechnologie – Forschungsbereiche, die sich in Kuba im Aufschwung befinden. Seine Eindrücke schildert der Sohn von Fidel Castro im Interview mit DAAD Aktuell.
Herr Dr. Castro, was ist der Hintergrund für Ihre Informationsreise durch Deutschland?
Fidel Castro Díaz-Balart: Die Beziehungen von Kuba zu Deutschland und zu anderen europäischen Ländern haben sich seit einer Weile merklich verbessert. Es gab einige richtungsweisende Entscheidungen, die internationale Interaktion auf verschiedenen Feldern fördern und es erlauben, Kooperationen zwischen Kuba und Deutschland zu verstärken. Da Kuba bereits seit vielen Jahren gute Beziehungen zu Deutschland hat, können wir darauf aufbauen und vor dem Hintergrund der neuen Möglichkeiten die Zusammenarbeit ausbauen. Das ist im Bereich der Wissenschaften in jedem Fall für beide Seiten interessant. Es kommt heute darauf an, etablierte Strukturen zu intensivieren und neue Brücken zu bauen.
Worüber haben Sie sich konkret informiert?
Wir wollten mehr darüber erfahren, wie sich dieser neue Typ von Kooperation mit Europa und speziell mit Deutschland gestalten könnte. Wie kann man in der Wissenschaft jetzt zum Beispiel gemeinsame Programme durchführen und Projekte anstoßen oder neue Felder der Kooperation eröffnen? Außerdem möchten wir die Zusammenarbeit festigen, die sich in vielen Jahren mit verschiedenen Universitäten, Institutionen und Innovationszentren bereits etabliert hat. Wir haben auf der Reise unsererseits darüber informiert, dass es in Kuba jetzt neue Möglichkeiten gibt: Inkubationszentren und Wissenschaftsparks, die auch für die deutschen Partner nützlich sein können. Man muss persönlich und gemeinsam in die Details gehen, um herauszufinden, was beide Seiten gerne machen möchten und wie man das dann umsetzen kann.
Konnten Sie diese persönlichen Gespräche führen?
Ja, es war zum Beispiel wunderbar im Wissenschaftspark Potsdam-Golm mit den Spitzenforschern am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung den Austausch zu vertiefen. Es gab zwar nur wenig Zeit, aber der Empfang war sehr offen und auch die Verbindungen zum Albert-Einstein-Institut, dem Max-Plack-Institut für Gravitationsphysik, zu dem ich zuletzt vor zwölf Jahren Kontakt hatte, waren sofort intensiv. Die Offenheit und die lebendigen Gespräche, die wir in Deutschland führen konnten, haben für alle Mitglieder der Delegation eine wertvolle Interaktion in Gang gesetzt.
Welche Bedeutung hat der intensivierte Austausch für Kuba?
Der neue Austausch ist nicht allein wertvoll für Kuba. Es ist mir wichtig, zu verdeutlichen, dass Kuba in den letzten 15 Jahren 1.200.000 Universitätsabsolventen zählte. Etwa zehn Prozent der kubanischen Bevölkerung haben demnach einen Hochschulabschluss. Wir haben 65 Hochschulen und mehr als 220 Forschungszentren und verschiedene Ministerien für Forschung, Wissenschaft und Bildung. Die kubanischen Leistungen in der Biotechnologie oder im Gesundheitswesen sind in Deutschland durchaus bekannt. Das ist eine sehr gute Basis, um mit den deutschen Partnern direkt in die Zusammenarbeit einzusteigen.
DAAD/Andreas Paasch
Empfang im Berliner Büro des DAAD: "Ein wichtiger Beitrag"
Welche Rolle spielt der sich neu etablierende Austausch für die junge Generation von Wissenschaftlern?
Das Konzept muss sein, die Nachwuchswissenschafter im Auge zu behalten. Man muss ihnen Raum und Möglichkeiten für innovative Forschung geben. Wir dürfen nicht vergessen, dass es in einem Land wie Kuba – und das gilt zum Teil auch für Deutschland – einen Exodus an jungen professionellen Forschern gibt. Sie suchen ihre Chancen nicht selten in anderen Ländern, wie den USA oder Spanien, gehen aber auch nach Deutschland. Das bedeutet, wir müssen Möglichkeiten für die neue Generation schaffen, damit sie sich international austauschen, aber zugleich in Kuba forschen kann. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es jetzt Partner und gemeinsame Interessen zu finden und anschließend die Finanzierung zu organisieren.
Der DAAD organisiert den Austausch von Forschern, besonders von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern. Wie kann der DAAD die Ziele Kubas unterstützen?
Der DAAD arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Kuba und viele Wissenschaftler wurden über ihn gefördert. Das hat zu interessanten Master- und Doktorarbeiten geführt, zur Entwicklung von Forschungsprojekten beigetragen und Qualifikationen erhöht. Das war sehr nützlich und trotz einer politisch bedingten Unterbrechung hat der DAAD seine Stellung in Kuba behalten und leistet einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung des wissenschaftlichen Personals an kubanischen Universitäten. Der DAAD versucht mit seiner Arbeit, neue Ideen zu stimulieren – und das wird von den kubanischen Hochschuleinrichtungen geschätzt und genutzt.
Sie sind nicht das erste Mal in Deutschland. Welche Erfahrungen haben Sie schon gemacht?
Die Wissenschaftskontakte zwischen Kuba und Deutschland reichen bis in die 1960er-Jahre zurück. Ich bin als Atomphysiker bereits in den 1970er-Jahren in Deutschland gewesen, noch bevor die Länder offizielle Beziehungen hatten – am damaligen Zentralinstitut für Kernforschung der DDR in Rossendorf. Heute befindet sich an diesem Standort das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) mit den Forschungsbereichen Energie, Gesundheit und Materie. In den 1980er-Jahren hatte Kuba Kooperationen mit ostdeutschen Hochschulen und Forschungszentren, mit dem Ziel der friedlichen Nutzung von Atomkraft. Und nach der Wiedervereinigung Deutschlands, etwa ab dem Jahr 2000, war ich auch öfter in Deutschland und konnte die fortschreitende Annäherung der einst getrennten Systeme entlang einiger Hightech-Unternehmen und in der biopharmazeutischen Industrie selbst miterleben. Ich habe die politischen Anstrengungen zum Aufbau Ostdeutschlands mit Interesse verfolgt – zum Beispiel die Gründung neuer Spitzenforschungsinstitute der Max-Planck-Gesellschaft oder der Fraunhofer- und anderer Gesellschaften in Ostdeutschland, die dann in Verbindung mit Unternehmen stehen. Ich verfolge das weiter, denn es sind wichtige Informationen für mich, wie so eine Entwicklung vonstatten gehen kann. Ich finde das sehr ermutigend und es hilft beim Aufbau von modernen Wissenschaftsparks in Kuba. Es liegt heute ein großes Potential darin, Wissenschaft und Wirtschaft näher zusammenzubringen. Da ist Deutschland ein sehr fortschrittliches Land.
Interview: Bettina Mittelstraß (26. Oktober 2016)