DAAD in Polen: Einsatz für die europäische Partnerschaft
DAAD/Mirosław Kaźmierczak
Klaudia Knabel: "Ich erfahre starkes Interesse an unserer Arbeit"
Ein Umzug und ein Neuanfang: Seit Kurzem leitet Dr. Klaudia Knabel die DAAD-Außenstelle Warschau – und das in neuen Räumlichkeiten. „Wichtig ist für uns die unmittelbare Nähe zu den wichtigsten Hochschulen der Stadt und des Landes“, sagt Knabel. Im Interview spricht sie über die Ziele ihrer Arbeit, das Interesse polnischer Studierender an Deutschland und die aktuellen Diskussionen in der polnischen Gesellschaft.
Frau Dr. Knabel, Sie waren zuletzt beim DAAD für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, nun leiten Sie seit Mai 2016 die DAAD-Außenstelle in Warschau. Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe?
Klaudia Knabel: Meine Tätigkeit hier in Polen führt mich erneut in die bilaterale Arbeit, die mir sehr vertraut ist: Ich war in der Zentrale in Bonn für den Austausch mit Frankreich zuständig, bevor ich vor fast zehn Jahren Außenstellenleiterin in Paris wurde. Nun habe ich vom westlichen zum östlichen Nachbarland gewechselt. Das Anforderungsprofil ist formal ganz ähnlich, und ich freue mich, von meinen Erfahrungen in Frankreich profitieren zu können. Die Herausforderungen der Arbeit in Polen sind allerdings mit Blick auf die aktuellen europäischen und deutsch-polnischen Beziehungen ganz andere. Interessant ist auch, dass in der polnischen Hochschulpolitik gerade viel passiert. Meine Sprachkenntnisse machen mir den Einstieg hier leicht.
Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Warschau?
Warschau ist eine Stadt der Gegensätze: der neoklassizistische Kulturpalast steht gleich neben dem futuristisch anmutenden Appartementhochturm, den Daniel Libeskind für seine Heimatstadt entworfen hat. Kultur findet nicht nur in der Oper, der Philharmonie oder im Theater statt, sondern auch im Park und in Abbruchhäusern des alten Stadtviertels Praga. Schön ist, dass der DAAD unter polnischen Hochschulen und Partnern bekannt ist und sehr geschätzt wird.
Die DAAD-Außenstelle ist in das Zentrum der Hauptstadt gezogen; am 28. Oktober wurden die neuen Räumlichkeiten feierlich eröffnet. Warum dieser Umzug?
Wichtig ist für uns die unmittelbare Nähe zu den wichtigsten Hochschulen der Stadt und des Landes – der Universität Warschau, der Technischen Universität sowie der Wirtschaftshochschule. Es freut uns, dass wir gemeinsam mit der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit untergebracht sind, zu deren Schwerpunkten die Wissenschaft gehört. Deshalb verspreche ich mir von der neuen Nachbarschaft eine höhere Sichtbarkeit und Synergieeffekte für beide Institutionen.
DAAD/Mirosław Kaźmierczak
Blick nach vorn: Klaudia Knabel vor dem DAAD-Motto "Wandel durch Austausch"
Was planen Sie in den kommenden fünf Jahren?
Polen ist zwar mit 2,2 Millionen immer noch das Land mit den meisten Deutschlernern weltweit, allerdings verliert Deutsch an den Hochschulen an Boden. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Aufgabe der DAAD-Vertretung in Warschau in den nächsten Jahren zum einen darin, das Interesse an Deutsch und Deutschland wachzuhalten und mit unseren Förderprogrammen zu unterstützen. Hier spielt das DAAD-Lektoren- und ‑Sprachassistentenprogramm eine herausragende Rolle. Zum anderen sehe ich aber auch Spielraum für den Einsatz neuer Instrumente im Forschungsmarketing sowie im Bereich der institutionellen Kooperation zwischen deutschen und polnischen Hochschulen. So möchten wir zum Beispiel ein Seminar anbieten, das junge Polen bei der Redaktion von Förderanträgen unterstützt.
Die polnischen Hochschulen haben seit 2004/2005 ein Viertel ihrer Studierenden verloren. Wirkt sich das auch auf den Austausch aus?
Mit Sicherheit. Lag Polen im Jahr 2005 noch auf Platz drei der wichtigsten Herkunftsstaaten ausländischer Studierender in Deutschland, so rangiert es dieses Jahr nur auf dem elften Platz. Für polnische Studierende ist dennoch Deutschland nach wie vor das Zielland Nummer eins, vor Großbritannien und Frankreich.
Wie stark ist das Interesse der deutschen Hochschulen am Austausch mit Polen?
Der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz verzeichnet derzeit mehr als 1.300 Kooperationen zwischen deutschen und polnischen Hochschulen, damit liegt Polen weltweit an sechster Stelle. Dies ist bemerkenswert, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die bilateralen Beziehungen erst vor zwanzig Jahren richtig Fahrt aufgenommen haben. Polnische Hochschulen sind attraktive Partner: Das Ausbildungsniveau ist hoch, Sprachkenntnisse in Deutsch oder Englisch sind vorhanden und ein wichtiges Argument ist nicht zuletzt die geografische Nähe.
Im kommenden Jahr steht das 20-jährige Bestehen des deutsch-polnischen Kulturabkommens an. Gibt es für das Jubiläum schon Pläne?
Das Kulturabkommen war bei seiner Unterzeichnung eine wichtige Grundlage für die Tätigkeit des DAAD in Polen, vor allem für den Aufbau der Außenstelle in Warschau, die im selben Jahr ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Wir werden das Jubiläum der Außenstelle mit unseren polnischen Partnern und Alumni mit einem großen Seminar feiern.
Sorgen Sie sich um die Zukunft des bilateralen Austauschs unter der jetzigen nationalkonservativen polnischen Regierung?
Ich habe nicht den Eindruck, dass die sich verstärkende nationale Ausrichtung polnischer Politik auch auf eine wissenschaftliche Abschottung abzielt und sich negativ auf die akademischen Austauschbeziehungen auswirkt. Von politischer Seite erfahre ich sogar ein starkes Interesse an unserer Arbeit: Das Wissenschafts- und Hochschulministerium hat jüngst die Gründung einer polnischen Nationalen Agentur für den akademischen Austausch angekündigt. Hier sind wir als DAAD mit den entsprechenden Stellen bereits in Kontakt. Persönlich erlebe ich immer wieder eine Zerrissenheit der polnischen Gesellschaft: Ich sehe machtvolle Demonstrationen von Anhängern ultranationaler rechter Ideen genauso wie überwältigende Manifestationen von Polinnen und Polen, die begeistert ihre Fahnen für Demokratie und Europa schwenken. Alle unsere Aktivitäten hier sind nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag dazu, die in den vergangenen Jahrzehnten gewonnene europäische Partnerschaft zu erhalten und auszubauen.
Interview: Benjamin Haerdle (22. November 2016)