DAAD-Salongespräch: Kooperation für den Erhalt von Kulturerbe
DAAD/Andreas Paasch
Austausch über bleibende Werte: Margret Wintermantel, Tarek Sayed Tawfik und Stefan Weber
Kriegerische Konflikte zerstören im Nahen Osten Kulturgüter, die zum Erbe der Menschheit gezählt werden. Für ihren Schutz arbeiten Museen und Hochschulen mit Nachdruck international zusammen – warum und wie genau erklärten herausragende Museumsexperten aus Ägypten und Deutschland im Gespräch mit DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel in Berlin.
„Museen definieren sich heutzutage neu.“ Dieses Statement des Ägyptologen Professor Tarek Sayed Tawfik stand am Anfang des Salongesprächs mit DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel im Griechischen Hof des Neuen Museums in Berlin. Der DAAD-Alumnus Tawfik ist seit 2014 der Generaldirektor des Grand Egyptian Museum-Projekts in Gizeh – das große neue nationale Museumsprojekt Ägyptens mit rund 60.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Zur neuen Definition der Museumsaufgaben gehört für Tawfik im Angesicht der vielen Zerstörungen wertvoller Kulturschätze durch Kriege und Konflikte eine an internationalen Maßstäben orientierte, weltoffene Museumspädagogik. Es sei von großer Bedeutung, der jungen ägyptischen Generation in der Sprache ihrer Zeit, etwa mit Hilfe von interaktiven Medien, die Wurzeln ihrer Kultur näherbringen zu können. „Wir hoffen damit zu erreichen, dass diese Generation der Schutzschild für die alten Kulturen gegenüber zukünftigen Gefahren wird.“
Moderne Museumspädagogik
Nur wer den Wert eines Gutes kennt, wird sich auch für dessen Schutz einsetzen: Auf die Frage von DAAD-Präsidentin Professor Margret Wintermantel nach der Selbstvergewisserung, die Museen ja auch ermöglichen wollen, machte Professor Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum in Berlin, ebenfalls deutlich, dass Museumsarbeit ohne Offenheit gegenüber dem jeweils Anderen und ohne neue Debatten um Identität und kulturelle Herkunft nicht gelingen kann. Das ist der Grat, auf dem Museen heute weltweit balancieren. „Wenn Gesellschaft sich fragt, wer bin ich und wer ist der Andere, dann ist klar, dass das im Museum reflektiert werden muss“, so der Islamwissenschaftler und DAAD-Alumnus Stefan Weber. „Selbst wenn man Museen gesellschafts- und generationsübergreifend verstehen muss, ergeben sich immer auch Fragen aus der Zeit, in der wir leben.“
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Offen für Fragen und den kulturellen Dialog: Das DAAD-Salongespräch fand ein interessiertes Publikum
Ängste, Halbwissen und Nichtwissen, Gefühle und Vorurteile werden immer auch ins Museum hineingetragen – auch wenn es um das Bewahren nahöstlicher Kulturgüter geht. Neue pädagogische Formate für unterschiedliche Zielgruppen seien im Museum daher notwendig, so Weber. „Diesen Aufgaben müssen wir uns stellen und dabei selbst neu lernen.“ Und Tarek Tawfik ergänzte: „Es wird immer komplizierter, einen Museumskurator gut auf seine vielseitigen Aufgaben im Museum vorzubereiten.“
Voneinander und gemeinsam lernen
Umso wertvoller ist die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Hochschulen für den Umgang mit Kulturerbe, die der DAAD seit Langem mit gemeinsamen Studiengängen fördert. Eine Ausbildung in „Heritage Conservation and Site Management“ ermöglichen etwa die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg und die Universität Helwan in Kairo. Um Kulturerhalt und Wiederaufbau geht es in der Kooperation der RWTH Aachen und der German Jordanian University. Wichtig sind auch die Initiative des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“ oder die Förderung von Netzwerken wie das Archaeological Heritage Network oder das Syrian Heritage Archive Project.
Diese politischen Aufgaben sieht Ronald Münch, Leiter des Arbeitsstabs Kulturerhalt im Auswärtigen Amt, durch die Experten auf dem Podium bestätigt. „Museen tragen gesellschaftliche Verantwortung und die Frage ist, wie man brisante Themen hier gut fokussieren kann. Internationaler Austausch wie er auch in dieser Diskussion stattgefunden hat, ist ein großartiger Weg.“ Diesem Austausch und der Bildung von wichtigen internationalen Netzwerken gelte es seitens der Politik den Weg zu bereiten.
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Ein besonderer Moment: Für eine Delegation aus Ägypten wurde ausnahmsweise eine Aufnahme mit der berühmten Nofretete-Büste im Neuen Museum gestattet
Diskussionen und Delegationsreise
Früchte trägt der Austausch bereits für die zwölfköpfige Delegation ägyptischer Wissenschaftler und Museumsexperten, die mit Tarek Tawfik nach Berlin und weiter durch Deutschland gereist ist, um sich hier Museen und Studiengänge anzuschauen und mit Kuratoren und Dozenten zu reden – etwa im Ägyptischen Museum in Berlin, im Mannheimer Museum für Weltkulturen in den Reiss-Engelhorn-Museen oder in München im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst. Dr. Mona Mustafa Rafft Mahmoud El-Sayed von der Helwan Universität in Kairo zeigte sich begeistert. „Diese Reise eröffnet uns wunderbare Einblicke in die Arbeitsweisen der deutschen Kollegen“ – eine wichtige zusätzliche Perspektive für die Arbeit an einer modernen internationalen Museumslandschaft in Ägypten. „Und es wird auch mit Kollegen in anderen Ländern weiter rege Diskussionen geben“, betonte Tarek Tawfik. „Wir bleiben nicht stehen.“
Bettina Mittelstraß (1. Dezember 2016)