Bundesverdienstkreuz für Professor Laurence McFalls: Prägende Persönlichkeit im transatlantischen Austausch

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Laurence McFalls erhielt das Bundesverdienstkreuz aus den Händen von Walter Leuchs, deutscher Generalkonsul in Montréal

Er gehört zu den Pionieren der DDR-Forschung in Nordamerika – und als Direktor des DAAD-geförderten Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Montréal gestaltet Professor Laurence McFalls transatlantischen Austausch auf außergewöhnliche Weise. Nun wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Herr Professor McFalls, mit dem Bundesverdienstkreuz wird ihr langjähriger Einsatz für die Deutschland- und DDR-Forschung in Kanada und ihr Beitrag zur Internationalisierung des deutschen Wissenschaftssystems gewürdigt. Was steht am Anfang Ihrer Beschäftigung mit Deutschland?

Laurence McFalls: Zum einen bin ich durch meine Familie mit Deutschland verbunden. Meine Mutter ist Deutsche; sie hatte meinen Vater an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität kennengelernt und war in den 1950er-Jahren in die USA ausgewandert. Eine Cousine meiner Mutter lebte in Berlin-Karlshorst; ihr Mann war Professor an der Humboldt-Universität. Ich habe sie in der DDR zum ersten Mal während meiner Schulzeit besucht, Anfang der Siebzigerjahre. Auch in den Achtzigern bin ich öfters in die DDR gereist. Wissenschaftlich beschäftigen wollte ich mich aber zunächst nicht mit Deutschland. Es war mir zu nahe an meiner Familie – und das Forschen über die DDR war ja auch lange Zeit nicht einfach.

Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer sind Sie aber zu Forschungszwecken nach Ostdeutschland gereist.

Ja, ich bin 1990 noch mit einem DDR-Visum eingereist. Zehn Jahre lang habe ich dann immer wieder die gleichen 200 Leute befragt: zu ihrem Leben in der DDR, zur Wendezeit, aber auch dazu, wie sie sich in der neuen, westdeutschen Gesellschaftsordnung zurechtgefunden haben. Zugleich begann ich, an der Universität Montréal zu arbeiten. Dort habe ich Claudia Mayer kennengelernt, die heute an der Fachhochschule Aachen lehrt und damals in Montréal DAAD-Gastprofessorin für Germanistik und Politikwissenschaften war. Sie wusste vom Ziel des DAAD, Zentren für Deutschland- und Europastudien auch in Kanada einzurichten. Wir haben uns an die Arbeit gemacht, einen Antrag geschrieben – und schließlich konnte vor zwanzig Jahren das Centre canadien d’études allemandes et européennes (CCEAE) gegründet werden.

Unter den kanadischen Zentren für Deutschland- und Europastudien ist es das einzige im frankophonen Québec. Wie macht sich das in Ihrer Arbeit bemerkbar?

Québec ist weniger von deutscher Einwanderung oder der deutsch-jüdischen Geschichte geprägt als andere Regionen Nordamerikas. Dafür ist hier das Interesse an Deutschland besonders vielfältig und kommt aus ganz unterschiedlichen fachlichen Richtungen. Das Goethe-Institut Montréal ist weltweit übrigens das Goethe-Institut mit den zweitmeisten Anmeldungen für Deutschkurse. An das CCEAE kommen Leute mit großem Interesse an deutschen Denkern, speziell der Sozialtheorie. Besonders deutlich wurde das etwa bei einem großen Forschungsprojekt zu Max Weber, das an unserem Zentrum Rechts-, Politik- und Musikwissenschaftler, Soziologen, Historiker und Ökonomen zusammengeführt hat, alle mit ihren je eigenen Sichtweisen auf das Denken Webers. Auch bemerken wir immer wieder an unseren Studierenden und Doktoranden, wie das Interesse an Sozialtheorie – oder an anderen spannenden fachlichen Fragen – zu einem Interesse an deutscher Sprache und deutschen Themen führt.

CCEAE: Interview mit Professor Laurence McFalls

dpa/Rainer Jensen

Bewusster Blick: Gemeinsam mit dem deutsch-schwedischen Dokumentarfilmer Alberto Herskovits arbeitet Laurence McFalls an der "Open Memory Box" zur DDR-Geschichte

Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven führen Sie derzeit auch mit einem Internationalen Graduiertenkolleg der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zusammen. Ihre Partner in  Deutschland sind die Universität des Saarlandes und die Universität Trier.

Ja, das Graduiertenkolleg verbindet unter dem Thema „Diversity: Mediating Difference in Transcultural Spaces“ Promovierende und Postdoktoranden aus zahlreichen Fachrichtungen; das reicht von den Rechtswissenschaften bis zur Komparatistik. Das Graduiertenkolleg hilft den Teilnehmern, aus der Enge ihres jeweiligen Fachgebiets herauszukommen und für andere Denkweisen und Disziplinen offen zu bleiben – das alles mit einer dezidiert transatlantischen Perspektive. So gehen sie einen gemeinsamen Weg, der ihnen auch dabei hilft, wissenschaftliche Netzwerke aufzubauen.

Worin liegt für Sie der Wert des Netzwerks der DAAD-geförderten Zentren für Deutschland- und Europastudien?

Jedes Zentrum hat sein eigenes Markenzeichen, seine eigenen Stärken – aber alle arbeiten interdisziplinär und suchen den Austausch untereinander. Unser Zentrum in Montréal hat zum Beispiel schon intensiv mit dem Willy Brandt Zentrum in Breslau zusammengearbeitet, ebenso mit dem CIERA mit Hauptsitz in Paris, das alleine schon zwölf französische Institutionen verbindet. Natürlich kann man nicht ständig mit allen Zentren des Netzwerks zusammenarbeiten. Um aber über die Arbeit der anderen zumindest auf dem Laufenden zu bleiben, ist die alle zwei Jahre stattfindende große Zentrenkonferenz umso wichtiger. Der DAAD bietet durch dieses Netzwerk wertvolle Gelegenheiten der Zusammenarbeit, schreibt aber nichts vor. Er begleitet die Arbeit der Zentren mit großer Liberalität, Großzügigkeit und Offenheit.

Offenheit ist Ihnen auch bei Ihrem aktuellen Projekt einer „Open Memory Box“ wichtig, für das sie mit dem deutsch-schwedischen Dokumentarfilmer Alberto Herskovits zusammenarbeiten.

Wir haben bereits rund 400 Stunden privates Schmalfilmmaterial zusammengetragen, das den Alltag in der DDR dokumentiert. Wir möchten dieses Material in einem Online-Archiv frei zugänglich machen, bevorzugen aber den spielerischen Klang des Begriffes „Box“. Archive können immer auch totalitäre Einrichtungen sein; das griechische árchein steht für regieren und herrschen. Wir aber wollen mit unserer „Open Memory Box“ zeigen, wie offen die Prozesse des Erinnerns und des Erlebens der Geschichte sind.

Interview: Johannes Göbel (9. Dezember 2016)